Vier Vorschläge zur gesetzlichen Regelung der Suizidbeihilfe

Auf der Suche nach Schutzkonzepten

In die Diskussion über eine gesetzliche Neufassung der Suizidbeihilfe in Deutschland kommt Bewegung. Der Bundestag will sich am Mittwoch mit dem Thema befassen. Es liegen vier unterschiedliche Vorschläge für eine Gesetzesreform vor.

Autor/in:
Christoph Arens
Symbolbild Sterbehilfe / © NATNN (shutterstock)

1.) Eckpunkte einer überfraktionellen Gruppe von Bundestagsabgeordneten um Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (Linke)

Ziel:

- Der Gesetzentwurf soll das Recht eines Sterbewilligen auf einen freiverantwortlichen Suizid und das Recht der Inanspruchnahme der Hilfe Dritter respektieren.

- Zugleich soll es aber den Einzelnen vor einer Selbsttötung schützen, die nicht auf einem selbstbestimmten Entschluss beruht. Darüber hinaus soll einer gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung entgegengewirkt werden.

- Die Alternativen zum assistierten Suizid, also palliative Versorgung, fürsorgende Pflege oder Psychotherapie, sollen gestärkt werden.

- Eine Suizidhilfe für Minderjährige soll ausgeschlossen sein.

Strafbarkeit:

- Beihilfe zum Suizid soll straffrei bleiben. "Grundsätzlich strafbar" soll aber die geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Suizidhilfe sein.

- Damit aber die Umsetzung einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung und die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter nicht unmöglich wird, soll auch die geschäftsmäßige Suizidhilfe "nicht unrechtmäßig" sein, wenn klar ist, dass es sich um einen freiverantwortlichen Suizid handelt.

- Angehörige sollen immer straffrei bleiben.

Gutachten und Beratung:

- Zur Feststellung der Freiverantwortlichkeit bedarf es grundsätzlich mindestens zweier Untersuchungen in einem hinreichenden zeitlichen Abstand durch einen Facharzt für Psychiatrie. Für Härtefälle, etwa Sterbewillige in der letzten Lebensphase, sind Abweichungen möglich.

- Für eine informierte Entscheidung bedarf es einer individuell angepassten, umfassenden und ergebnisoffenen sowie multiprofessionellen und interdisziplinären Beratung. Sie soll den Zugang zu Hilfeangeboten eröffnen, beispielsweise zu psychotherapeutischen Behandlungen, Schulden- oder Suchtberatung.

- Zwischen der Beratung und der Suizidhilfe soll eine angemessene Wartefrist bestehen.

- Es besteht kein Anspruch auf Hilfe bei der Selbsttötung gegenüber staatlichen Stellen oder Dritten, insbesondere Ärzten.

Werbung:

Die Werbung für Angebote geschäftsmäßiger Suizidhilfe soll, im Gegensatz zur Sachaufklärung durch Ärzte, unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls strafbar sein.

 

2.) Interfraktioneller Gesetzentwurf der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke)

Ziel:

- Der Gesetzentwurf soll das Recht auf einen selbstbestimmten Tod rechtlich absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist. Zugleich soll er verhindern, dass Suizid auf gesellschaftlichen Druck hin durchgeführt wird oder aufgrund einer Lebenskrise angestrebt wird.

Durchführung:

- Niemand kann verpflichtet werden, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Zugleich darf aber auch niemandem - etwa aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften - untersagt werden, Hilfe zu leisten oder Hilfeleistung zu verweigern.

- Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass eine Person regelmäßig erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres die Bedeutung und Tragweite einer Suizidentscheidung erfassen kann.

Beratung:

- Jeder hat das Recht, sich zu Fragen der Suizidhilfe beraten zu lassen. Deshalb soll eine Beratungsstruktur aufgebaut werden. Die Beratung ist ergebnisoffen zu führen und soll nicht bevormunden.

- Zur Beratung sind im Einvernehmen mit dem Suizidwilligen andere, insbesondere ärztlich, fachärztlich, psychologisch, sozialpädagogisch, sozialarbeiterisch oder juristisch ausgebildete Fachkräfte hinzuzuziehen.

- Voraussetzung für eine freie Entscheidung ist, dass der Suizidwillige Handlungsalternativen zum Suizid kennt, etwa alternative therapeutische Maßnahmen oder pflegerische oder palliativmedizinische Möglichkeiten.

- Auch muss der Entschluss von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen sein.

Aufgaben der Ärzte:

- Ein Arzt darf einer Person, die aus freiem Willen ihr Leben beenden möchte, ein Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung verschreiben. Damit soll sichergestellt werden, dass Menschen, die sehnlichst sterben möchten, nicht auf rein auf Gewinnstreben orientierte Einrichtungen angewiesen sind.

- Der Arzt muss sich durch Vorlage einer Bescheinigung versichern, dass sich die suizidwillige Person höchstens 8 Wochen zuvor in einer Beratungsstelle hat beraten lassen.

- Von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches darf der Arzt in der Regel erst ausgehen, wenn zehn Tage seit der Beratung vergangen sind.

- Das Bundesgesundheitsministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Ärzte, Meldepflichten oder die Vergütung der Hilfe zur Selbsttötung zu regeln.

3.) Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben von Renate Künast und Katja Keul (Grüne)

Ziel:

- Das Gesetz soll Betroffenen einen Zugang zu den von ihnen zur Verwirklichung ihres Suizidwunschs erstrebten Hilfsmitteln eröffnen. Dabei wird unterschieden, ob die Betroffenen ihren Tod wegen einer schweren Krankheit anstreben oder aus anderen Gründen. Bei schwer Kranken soll der Ärzteschaft bei der Prüfung eine entscheidende Rolle zukommen. Im letzteren Fall sollen höhere Anforderungen an die Dokumentation und die Dauerhaftigkeit des Entschlusses gestellt werden.

Durchführung:

- Kein Mensch soll verpflichtet werden, bei einer Selbsttötung zu helfen.

- Suizidbeihilfe ist grundsätzlich beschränkt auf volljährige Menschen. Bei Minderjährigen muss ein kinder-psychologisches oder kinder-psychiatrisches Gutachten eingeholt werden. Außerdem müssen die Sorgeberechtigten zustimmen.

Suizidhilfe bei schwer kranken Menschen:

- Sind Sterbewillige in einer medizinischen Notlage mit schweren Leiden, so kann ihnen der behandelnde Arzt geeignete Betäubungsmittel zu Selbsttötung verschreiben, wenn die Sterbewilligen auf alle Alternativen hingewiesen worden sind und die Willensbekundung schriftlich dokumentiert wurde. Ein zweiter Arzt muss das bestätigen.

- Sterbewilligen ist eine ärztliche Bescheinigung auszustellen, dass die Voraussetzungen für die Bereitstellung des Betäubungsmittels zum Zwecke der Selbsttötung vorliegen. Zwischen der Bescheinigung und der Verschreibung sollen mindestens zwei Wochen liegen. Ausnahmen sind in schweren Fällen möglich.

Suizidhilfe in anderen Fällen:

- Suizidwillige, die nicht schwer krank sind, müssen längere Wartefristen und strengere Dokumentationsanforderungen erfüllen. In diesem Verfahren wird der Ärzteschaft keine zentrale Rolle zugewiesen.

- Sterbewillige müssen ihren Sterbewunsch in einer schriftlichen Erklärung bekunden, die zum Zeitpunkt des Antrages nicht älter als einen Monat sein darf.

- Die Sterbewilligen müssen sich von einer zugelassenen privaten unabhängigen Beratungsstelle mindesten zwei Mal beraten lassen. Die Beratungsstelle muss bescheinigen, dass die Voraussetzungen für eine freiwillige Selbsttötung gegeben sind.

- Die Sterbewilligen dürfen außer Ärzten auch anderen Personen oder Vereinen den Auftrag geben, sie beim Suizid zu unterstützen. Zu solchen Leistungen sind jedoch natürliche oder juristische Personen, die Sterbebegleitung geschäftsmäßig anbieten, nur berechtigt, wenn sie hierzu zugelassen sind.

- Am Ende des Verfahrens steht die Überprüfung durch eine Behörde - ohne Bewertung der Gründe für die Entscheidung -, ob das übermittelte Material schlüssig einen dauerhaften und freien Willensentschluss belegt.

4.) Diskussionsentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium

Ziel:

Ziel dieses Diskussionsvorschlags ist es, die Selbstbestimmung und das Leben zu schützen und sicherzustellen, dass die zur Selbsttötung entschlossene Person ihren Entschluss aufgrund einer selbstbestimmten und dauerhaften Entscheidung getroffen hat. Der Staat müsse Sorge tragen, dass der Entschluss nicht auf einer vorübergehenden Lebenskrise oder auf einer psychosozialen Einflussnahme beruht. Im Übrigen soll einer problematischen gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung entgegengewirkt werden.

Konkret beinhaltet der Diskussionsentwurf zwei neue Straftatbestände im Strafgesetzbuch und - als zweite Säule - die Schaffung eines Gesetzes zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung. Außerdem soll das Betäubungsmittelgesetz geändert werden.

Strafbarkeit:

- Die Hilfe zur Selbsttötung wird unter Strafe gestellt; es droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Suizidbeihilfe ist ausnahmsweise straflos, wenn das vorgesehene Schutzkonzept eingehalten wird.

- Angehörige oder Personen, die dem Suizidwilligen nahe stehen, bleiben straffrei.

- Niemand ist verpflichtet, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.

- Organisationen, die Hilfe zur Selbsttötung anbieten, müssen als gemeinnützing anerkannt sein. Für Suizidbeihilfe darf nicht mehr als der Ersatz der angefallenen Kosten, eine angemessene Entschädigung oder die nachgewiesenen Auslagen gefordert werden.

Beratung und Gutachten:

- Zwei unabhängige Ärzte müssen feststellen, dass die zur Selbsttötung entschlossene Person ihren Willen frei und unbeeinflusst von einer akuten psychischen Störung gebildet hat. Mindestens einer von ihnen muss Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein.

- Vorgesehen ist außerdem eine unentgeltliche, ergebnisoffene Beratung, die auch über soziale und wirtschaftliche Hilfen, Pflegeangebote und Palliativmedizin informiert.

Werbung:

Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung ist - mit Ausnahmen, die der Information dienen - untersagt und wird bestraft.

Betäubungsmittel:

Mit einer Änderung im Betäubungsmittelgesetz wird die Möglichkeit geschaffen, die Anwendung eines Betäubungsmittels als betäubungsmittelrechtlich "begründet" anzuerkennen.


Quelle:
KNA