Protestler stören nach Abtreibungsurteil Gottesdienste in Polen

Widerstand gegen die Gesetzesverschärfung

​In Polen haben Demonstranten vor katholischen Kirchen und auch in einigen Sonntagsmessen gegen ein fast völliges Verbot von Abtreibungen protestiert. Die höchsten polnischen Richter hatten vergangene Woche die Gesetzeslage bei Abtreibungen verschärft.

Schwangerschaftstest / © Harald Oppitz (KNA)
Schwangerschaftstest / © Harald Oppitz ( KNA )

In der Kathedrale im westpolnischen Posen musste der Priester am Sonntag einen Gottesdienst abbrechen, weil er von gut zwei Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten massiv gestört wurde, wie Videos und Fotos in Sozialen Medien zeigen. Die Protestierenden skandierten: "Wir haben genug!"

Widerstand gegen die Gesetzesverschärfung

Frauenrechtsgruppen hatten unter dem Motto "Das Wort zum Sonntag" dazu aufgerufen, den Widerstand gegen die Gesetzesverschärfung in die Kirchen zu tragen. Sie werfen der katholischen Kirche vor, maßgeblich zu dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts beigetragen zu haben, das künftig Schwangerschaftsabbrüche auch im Falle einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus verbietet. Die linke Abgeordnete Joanna Scheuring-Wielgus veröffentlichte ein Foto, das sie und ihren Mann mit Plakaten vor dem Altar in einer Kirche ihrer nordpolnischen Heimatstadt Thorn (Torun) zeigt. Sie forderte, dass Frauen selber entscheiden können, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen.

Bereits am Freitagabend und Samstag waren zahlreiche Demonstranten unter anderem vor die Bischofsresidenzen in Posen und Breslau (Wroclaw) gezogen. Die Polizei versperrte laut örtlichen Medienberichten den Eingang zu dem Gebäude in Posen. Vor dem Breslauer Bischofspalast legten Aktivistinnen Berichten zufolge Kleiderbügel aus Draht ab - ein Symbol für gefährliche Abtreibungsmethoden.

Entscheidung des Verfassungsgerichts

Die höchsten polnischen Richter hatten am Donnerstag eine Ausnahme des seit 1993 geltenden Abtreibungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Sie erlaubte Schwangerschaftsabbrüche, wenn bei einer vorgeburtlichen Untersuchung "mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere und irreversible Beeinträchtigung des Fötus oder eine unheilbare, das Leben bedrohende Krankheit" festgestellt wurde. Das verstoße gegen den von der Verfassung garantierten Schutz des Lebens.

Damit sind Abtreibungen in Polen künftig nur noch legal, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist. 2019 fielen fast alle registrierten Abtreibungen laut offizieller Statistik unter das vom Gericht für unzulässig erklärte Kriterium: exakt 1.074 von insgesamt 1.100. Mehr als 100 der 460 Abgeordnete des Unterhauses (Sejm) hatten das Gesetz dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Bischöfe begrüßen Urteil

Polens katholische Bischöfe hatten das Urteil begrüßt. Ihr Vorsitzender, der Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki, sagte: "Jeder Mensch mit einem gerechten Gewissen ist sich bewusst, wie unerhört barbarisch es ist, jemandem das Recht auf Leben zu verweigern, besonders wegen seiner Krankheit." Kinder und ihre Familien müssten Wohlwollen und echte Fürsorge von Staat, Gesellschaft und Kirche erfahren. Der Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski dankte den Verfassungsrichtern. Sie hätten "Mut und Redlichkeit" bewiesen.


Stanislaw Gadecki, Erzbischof von Posen / © Paul Haring (KNA)
Stanislaw Gadecki, Erzbischof von Posen / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA