Theologe Breuer zum Tod von Eberhard Schockenhoff

Nie gescheut, wichtige und umstrittene Fragen anzusprechen

Der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff ist am Samstag im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines Unfalls gestorben. Clemens Breuer, selbst Moraltheologe und pädagogischer Mitarbeiter im Erzbistum Köln, erinnert sich an den Verstorbenen.

Der Theologe Eberhard Schockenhoff am 13. März 2019 in Lingen / © Harald Oppitz (KNA)
Der Theologe Eberhard Schockenhoff am 13. März 2019 in Lingen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie Eberhard Schockenhoff erlebt? Was für ein Mensch war das?

Prof. Dr. Clemens Breuer (Moraltheologe, pädagogischer Mitarbeiter Erzbistum Köln): Erlebt habe ich ihn mehrfach hier bei uns im Katholischen Bildungswerk in Köln, bei Vorträgen. Ich kann vielleicht noch ein bisschen weiter ausholen. Während meines Theologiestudiums las ich häufiger seinen Namen, weil ich in Bonn gerade auch mit dem Schwerpunkt Moraltheologie studierte.

Ich stieß immer wieder auf seinen Namen und habe ihn dann auch Anfang der 90er Jahre, als er Professor in Regensburg wurde, kennengelernt – und zwar als einen sehr umgänglichen Professor, der sich Zeit nimmt, der ernsthaft die Anliegen, die man hat, aufgreift und mit dem man einfach gut und sachlich, aber auch auf Augenhöhe, reden kann.

DOMRADIO.DE: In einer Kölner Zeitung steht heute in einem Nachruf: Wer sich als katholischer Theologe partout in die Nesseln setzen will, der spezialisiert sich auf Moraltheologie. Trifft das auf Eberhard Schockenhoff zu? Ist er jemand gewesen, der sich gerne in die Nesseln gesetzt hat?

Breuer: Grundsätzlich ist es richtig, dass, wenn man sich mit dem Fach Moraltheologie näher beschäftigt, man sich ein Stück in die Nesseln setzen kann. Beziehungsweise: Das Fach gilt als ein unruhiges Fach innerhalb der Theologie. Eberhard Schockenhoff ist, so wie ich ihn erlebt habe, selbst charakterlich ein sehr ruhiger Mensch gewesen.

Aber er hat eigentlich nie sich gescheut, auch die wichtigen Fragen, auch umstrittene Fragen, anzusprechen. Das habe ich an ihm geschätzt, weil er die Dinge im Grunde auch sachlich aufgriff. Polemisch habe ich ihn in den vielen Begegnungen eigentlich fast nie erlebt. Das kann man sagen, und auch das habe ich an ihm geschätzt.

DOMRADIO.DE: Man hat das Gefühl, er wurde mit den Jahren auch immer mutiger. Er war ja auch Priester, setzte sich in späteren Jahren für eine menschendienliche Moraltheologie ein. Was genau bedeutet das?

Breuer: Er hat in Rom studiert, wo man die Lehre der Kirche natürlich vermittelt bekam und bekommt. Das hat er aber auch immer in eine gewisse Beziehung zur Realität der Menschen gebracht. Von Hause aus ist er eigentlich gar kein Moraltheologe, sondern Dogmatiker gewesen.

Er hat in Tübingen studiert, unter anderem bei Alfons Auer, dann auch bei Walter Kasper, dem späteren Kardinal, und ist dann eben in die Moraltheologie übergegangen, sodass das Schwerpunktfach Dogmatik ihn auch mit der Moraltheologie verbunden hat. Das drückt eigentlich schon diese Nähe auch zur kirchlichen Lehre aus, die er aber keineswegs automatisch immer nur vertreten hat, weil sie qua katholisch ist oder im Katechismus steht.

Er hat vielmehr immer auch auf der Basis von Soziologie, Naturwissenschaft, weiteren Fächern im Grunde versucht, diese Vermittlung der kirchlichen Lehre auch den Menschen nahezubringen – auch denen, die nicht mit dem katholischen Glauben direkt in Verbindung stehen.

DOMRADIO.DE: Wie bewertet man denn sein Engagement für die Gleichbehandlung von Homosexuellen, für die Rechte der Frauen in der Kirche oder auch für den Synodalen Weg in Kirchenkreisen?

Breuer: Also gerade zum Thema Beförderungen von Frauen in der katholischen Kirche hat er sich mehrfach geäußert und das war ihm sehr wichtig, dass das auch mit im Mittelpunkt steht. Bei der Frage der Anerkennung, oder überhaupt der Begegnung gegenüber homosexuellen Menschen hat er auch im Grunde immer wieder darauf hingewiesen, dass, wenn es eine natürliche Veranlagung gibt, woran ja im Grunde auch kein Zweifel besteht, dass dann auch die Anerkennung dieser Menschen da sein muss.

Auch wenn sie eine bestimmte Lebensform praktizieren, muss der Mensch im Mittelpunkt stehen und nicht eben das, was wir vielleicht auch gerade vor der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen. Da stand die Schuld, die Sünde im Mittelpunkt und nicht eben der Mensch als Person.

DOMRADIO.DE: Sie haben viele gemeinsame Veranstaltungen mit ihm in Köln erlebt. Gibt es da Momente, Anekdoten vielleicht, an die Sie sich erinnern? Momente, die deutlich machen, wofür er einstand und was für eine Kirche er sich wünschte.

Breuer: Ich denke an verschiedene Schriften auch von ihm zurück. Eine Schrift trug besonders auch den Namen "Freiheit" im Titel. Ihm war es wichtig, dass bei aller Spezifität des katholischen Glaubens, auch gerade in moralischen Fragen, auch doch der Gedanke der Freiheit des Gewissens eine wichtige Rolle spielt. Das ist jetzt keine Anekdote im Sinne, das hat aus dem Nähkästchen erzählt.

Ich war wohl öfters auch mit ihm schon mal beim Abendessen dann persönlich nach mancher Veranstaltung. Wir haben natürlich auch über die kirchliche Situation immer wieder mal gesprochen. Anekdoten habe ich jetzt nicht parat. Aber er ist ein sehr umgänglicher Mensch gewesen, dem die Ernsthaftigkeit des katholischen Glaubens und das Nahebringen des Glaubens an die Menschen ein ganz zentrales, großes Anliegen war. Das habe ich sehr an ihm geschätzt.

Auch angesichts mancher Gegner der Kirche oder manchem, mit dem er nicht so einverstanden war – er war nie ein polemischer Mensch. Auch im kleinen Kreis hat er nie schlecht über manche Katholiken oder auch Geistliche, Bischöfe gesprochen – auch natürlich nicht über den Papst.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR