Sozialpfarrer ruft zum Verzicht auf Billigfleisch auf

"Nachdenken über den Preis unseres Konsums"

Den Preis für Billigfleisch tragen die leidenden Tiere, die unterbezahlten Arbeiter auf dem Schlachthof und die Bauern, die wenig Geld für ihr Vieh bekommen, sagt Sozialpfarrer Peter Kossen.

In der Fleischindustrie arbeiten viele Werkvertragsarbeiter (dpa)
In der Fleischindustrie arbeiten viele Werkvertragsarbeiter / ( dpa )

Er ruft in der Fastenzeit zum bewussten Konsum auf.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen kaufen im Supermarkt abgepacktes Billigfleisch und sie wissen vielleicht gar nicht, welchen Preis sie dafür zahlen – sagen Sie. Welchen Preis zahlen wir denn?

Peter Kossen (Sozialpfarrer in der Kirchengemeinde Seliger Niels Stensen in Lengerich): Wir zahlen einen Preis, der im Grunde genommen den Wert nicht abbildet, der hinter dem Fleisch und auch den Arbeitsbedingungen steht, die oft zu diesem Billigpreis führen.

Der Preis wird an anderer Stelle bezahlt: Zum Beispiel von den Arbeitern auf dem Schlachthof, die dort oft zu ganz üblen Konditionen arbeiten müssen. Der Preis wird durch die Artenvielfalt in der Natur bezahlt. Der Preis wird von den Bauern bezahlt, die von dem, was sie bekommen, eigentlich gar nicht existieren können.

DOMRADIO.DE: Sie schlagen jetzt vor, dass man in der Fastenzeit doch mal viel bewusster hinschaue könne, wo das Fleisch eigentlich herkommt, wie es produziert wird. Das heißt, Sie verstehen das Fasten mehr als ein Eingreifen, als ein simples Weglassen von etwas?

Kossen: Nach jüdisch christlicher Tradition ruft das Fasten immer auch zur Sensibilität auf, zur Schärfung des Blicks für die Wahrheit und auch zur Solidarität. Das heißt, zum Teilen - und das ist eben auch Gerechtigkeitshandeln.

DOMRADIO.DE: Wenn man ein Pfund Hackfleisch für drei Euro fünfzig bekommen kann und es in der Frischetheke bei acht Euro liegt, dann greifen viele zu der günstigen Variante. Was glauben Sie, woran liegt das? Steckt es irgendwie in uns drin, sparen zu wollen?

Kossen: Natürlich. Viele sind ja auch darauf angewiesen, dass sie so einkaufen, dass sie mit ihrem Geld auskommen. Bei vielen ist der Geldbeutel entsprechend knapp und sie müssen gut rechnen und sie müssen eben auch nach Sonderangeboten schauen. Manchmal denke ich allerdings, mit ein bisschen mehr Nachdenken, mit ein bisschen mehr Kreativität oder genauem Hinschauen sind Alternativen möglich, ohne dass unser Leben und unser Alltag, unser Wohlstand oder auch die Lebensqualität darunter leidet. Manchmal braucht es ein bisschen mehr Nachdenken und Achtsamkeit dafür, was tatsächlich der Preis für unseren Konsum ist und wer diesen Preis im Endeffekt bezahlt. Dass wir günstiger einkaufen wollen, das ist nicht verwerflich. Aber wir sollten doch genau hinschauen, was der eigentliche Preis ist.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie sagen, beim Billigfleisch geht es um Ausbeute am Menschen, am Tier, an der Natur - was fordern Sie denn zum Beispiel von der Politik? Muss man da eventuell auch etwas an der Gesetzgebung tun?

Kossen: Auf jeden Fall. Zum Beispiel muss der Anteil derer in der Fleischindustrie, die dort als Werkvertrags- und Leiharbeiter arbeiten, eingeschränkt werden. In manchen Konzernen sind das bis zu 80 Prozent oder mehr. Mit Flexibilisierung begründet sind oft große Teile der ehemaligen Stammbelegschaft gegen Leiharbeit- und Werkvertragsarbeiter ausgewechselt worden, die dort oft zu ganz erbärmlichen Bedingungen arbeiten müssen oder auch untergebracht sind.

Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Da braucht es Deregulierung der Politik, schon damit keine Wettbewerbsverzerrungen bei denen auftreten, die es vielleicht anders versuchen wollen, um diesen Menschen auch gerecht zu werden. Da braucht es schon, glaube ich, gesetzliche Regelungen, die auch durchgesetzt werden. In den letzten Jahren sind gute Gesetze auf den Weg gebracht und auch verabschiedet worden. Es zeigt sich aber oft, dass sie nicht durchgesetzt werden, weil vielleicht auch die Kontrollbehörden dafür gar nicht die Handhabe haben oder das Personal, das auch zu kontrollieren und durchzusetzen.

Das Interview führt Verena Tröster.

 

Peter Kossen / © Ingo Wagner (dpa)
Peter Kossen / © Ingo Wagner ( dpa )
Quelle:
DR
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