Was die Vatikan-Konferenz zur Missbrauchsaufarbeitung bringen soll

Einheitliche Regelungen auf Weltebene

"Die Missbrauchsaufarbeitung steht auf der Prioritätenliste des Papstes ganz oben", sagt Pater Hans Zollner. Er bereitet das Vatikan-Treffen aller Vorsitzenden der Bischofskonferenzen mit vor und weiß, welche Antworten dort gefunden werden müssen.

Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari (KNA)
Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist Ihnen wichtig zu sagen, dass dieses Bischofstreffen im Februar keine Missbrauchskonferenz ist. Was ist es denn dann?

Pater Hans Zollner (Leiter des Kinderschutzzentrums an der Universität Gregoriana und Mitglied in der Kinderschutzkommission des Papstes): Es ist eine Konferenz, die darauf schauen wird, wie wir in der Kirche mit all den Fragen umgehen können, die die rechtliche Seite und die kirchliche Strafverfolgung betreffen. Ebenso geht es darum, Zuständigkeiten zu klären und alles in die Wege zu leiten, damit die kirchliche Führung auf Weltebene - also alle Bischöfe, alle Teilkirchen und die Ordensgemeinschaften - tatsächlich von denselben Voraussetzungen ausgehen.

DOMRADIO.DE: Länder wie Deutschland oder die USA sind in diesen Bestrebungen schon aktiv. In welchen Ländern muss denn da noch etwas passieren?

Zollner: Man muss sagen, dass in sehr vielen Ländern Afrikas, Asiens und in Teilen Lateinamerikas das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Umgangs mit Fragen sexuellen Missbrauchs in der Kirche bei weitem noch nicht entwickelt ist. Genauso wie es in den dortigen Gesellschaften bei Weitem noch kein solches Bewusstsein gibt, gibt es auch in der Kirche dieses Bewusstsein noch nicht. Obwohl wir in den letzten acht Jahren viele große und vielversprechende Fortschritte gemacht haben - gerade in den Gegenden, in denen es zum Beispiel keine professionelle Ausbildung für Präventionsbeauftragte und keine wirklichen Schulungsmaßnahmen für kirchliches Personal gibt. Dort muss man noch nachlegen.

Aber es geht nicht nur um diese konkreten Dinge, die folgen müssen. Es geht auch darum, dass die Leitungsebene der lokalen Kirchen sich ihrer jeweiligen Verantwortung bewusst ist und dass wir zu einem transparenten Handeln weltweit kommen.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus will grundsätzlich mehr Verantwortung in die nationalen Bischofskonferenzen abgeben. Was kann man denn bei dieser Konferenz im Februar überhaupt auf weltkirchlicher Ebene für Entscheidungen treffen?

Zollner: Die wichtigste Frage ist, wie Anklagen gegen Missbrauchstäter auf der jeweiligen regionalen oder nationalen Ebene geklärt werden können. Was aber auch ansteht, ist die Frage, was zu tun ist, wenn ein Bischof oder ein Provinzial nicht die entsprechenden Leitlinien der Bischofskonferenz oder der jeweiligen Ordensgemeinschaft umsetzt. Das ist ein Problem, das bisher nicht wirklich angegangen wurde, weil man vorausgesetzt hat, dass sich die Bischöfe, Provinziale oder andere Obere daran halten. Das ist eben nicht der Fall. Auch deshalb, weil da theologische und kirchenrechtliche Dinge mit rein spielen, die nicht geklärt sind und die man angehen muss.

Das ist erst in den letzten Monaten so virulent geworden, was auch in gewissem Sinn mit der ganzen "MeToo-Bewegung" zusammenhängt. Da hat man gemerkt, dass nicht nur die Frage des Missbrauchs, sondern auch die Frage der Vertuschung und des Mitwissens bei Missbrauch entschieden bestraft werden muss. Da sind kirchenrechtlich kaum Möglichkeiten vorhanden, außer dass der Papst selbst eingreift. Aber das ist bei 5.100 Bischöfen weltweit de facto kaum möglich.

DOMRADIO.DE: Sie sitzen seit dieser Woche im Vorbereitungskomitee. Was genau wird für die Konferenz im Februar vorbereitet?

Zollner: Die ganze Logistik muss geplant werden. Da sind wir sehr froh, dass der Heilige Stuhl mit dem Staatssekretariat die Führung übernommen hat. Wir klären die ganzen Rückmeldungen auf das Einladungsschreiben ab. Die Frage der Sicherheit ist zu berücksichtigen. Wir wollen, dass die Präsidenten der Bischofskonferenzen und die Leiter der Teilkirchen, also der Ostkirchen der orientalischen Riten, sich entsprechend vorbereiten können. Deshalb werden wir auch entsprechende Dokumente versenden.

Wir wollen auch von diesen Teilnehmern eine Rückmeldung zu den Fragen bekommen, die zum Beispiel dem nachgehen, welche kulturellen Faktoren in ihrer Region eine Rolle spielen, wenn es um Risikofaktoren oder um Schutzfaktoren geht.

Dann geht es natürlich um das ganze Programm selbst. Da sind wir in Konsultationen mit Experten, Laien und Betroffenen von Missbrauch, die wir fragen, welche Themen sie gesetzt haben wollen. Schließlich müssen wir schauen, wie wir das methodologisch gut einbauen und umsetzen können.

DOMRADIO.DE: Kann man denn schon sagen, ob Betroffene selber daran beteiligt werden oder ist es noch zu früh dafür?

Zollner: Nein. Es ist gesagt worden, dass Betroffene beteiligt werden. In welchem Maße sie wollen, dass sie öffentlich genannt werden, muss man ihnen überlassen.

DOMRADIO.DE: Ist es das erste Mal, dass der Papst zu diesem Schritt greift und die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen einlädt. Welchen Stellenwert hat es, dass tatsächlich jetzt so ein Schritt kommt?

Zollner: Es ist ein sehr großes Zeichen, dass zum ersten Mal überhaupt ein Treffen dieser Art organisiert wird. Meines Wissens gab es das bisher nicht, dass alle Präsidenten der lateinischen Bischofskonferenzen, alle Leiter der Ostkirchen, die mit Rom verbunden sind, sowie die Präfekten der wichtigsten römischen Dikasterien, also der Ministerien der Kirchenleitung in Rom und die Vertretungen von Ordensfrauen und Ordensmännern, also Generaloberinnen und Generalobere vertreten sein werden.

Es zeigt, dass der Papst das Thema auf der Prioritätenliste ganz oben angesetzt hat.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Hans Zollner / © Romano Siciliani (KNA)
Hans Zollner / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR