Kardinal O'Malley entmutigt von langsamer Missbrauchsaufklärung

Schwere Belastung für US-Kirche

Bostons Kardinal Sean O'Malley zeigt sich tief enttäuscht über die schleppende Aufklärung im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Laut amerikanischen Zeitungen habe fast ein Drittel der US-Bischöfe auf sexuelles Fehlverhalten falsch reagiert.

Frost überzieht ein Wegkreuz / © Felix Kästle (dpa)
Frost überzieht ein Wegkreuz / © Felix Kästle ( dpa )

"Jedes Mal, wenn ich denke, dass wir die Wende geschafft haben, gibt es einen weiteren Knall", sagte Bostons Kardinal Sean O'Malley in einem emotionalen Interview dem "Boston Globe". Das sei "sehr enttäuschend". Der Berater von Papst Franziskus beim Thema Missbrauch reagierte damit auf die Veröffentlichung einer großen Recherche des "Boston Globe" und des "Philadelphia Inquirer".

Vorwürfe gegen fast ein Drittel der Bischöfe

Beide Zeitungen hatten am Sonntag mehr als 130 amtierende und pensionierte US-Bischöfe, also fast ein Drittel aller noch lebenden Bischöfe, vorgeworfen, in ihrer Amtszeit nicht angemessen auf sexuelles Fehlverhalten in ihren Diözesen reagiert zu haben. Die Zeitungen hatten Tausende Seiten Gerichtsakten eingesehen, Interviews geführt und mit Anwälten gesprochen.

Er sei "schockiert über diese Zahl", sagte O'Malley in dem Interview. Die Untersuchung der Zeitungen ergab, dass Anschuldigungen gegen mehr als 50 Bischöfe aus der Zeit nach der Konferenz von 2002 in Dallas stammten, bei der die Kirchenführer eine Kinderschutz-Charta beschlossen hatten. "Wenn jemand nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die Richtlinien der Charta durchzusetzen, sollte er kein Bischof in den USA oder irgendwo anders sein", so O'Malley.

Der Kardinal kündigte an, er werde sich bei der Herbsvollversammlung der US-Bischöfe Mitte des Monats dafür einsetzen, dass alle Bischöfe, die sexuelles Fehlverhalten ermöglichten oder selbst Fehlverhalten an den Tag legten, mit schweren Konsequenzen rechnen müssten. Wie diese konkret ausfielen, müsse am Ende Rom entscheiden.

Mehr als 300 Missbrauchsfälle aufgelistet

Die Recherche der beiden Zeitungen ist eine erneute schwere Belastung für die US-Kirche nach Veröffentlichung des großen Missbrauchsuntersuchungsberichts im Bundesstaat Pennsylvania im Sommer. Darin sind mehr als 300 Missbrauchsfälle von Priestern dervergangenen Jahrzehnte aufgelistet.Die Generalstaatsanwälte in mindestens 13 Bundesstaaten sowie die Bundesanwaltschaft in Pennsylvania haben inzwischen Untersuchungen eingeleitet.


Kardinal Sean Patrick O'Malley, Erzbischof von Boston / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Sean Patrick O'Malley, Erzbischof von Boston / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA
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