Bundestag berät über Einführung des "Dritten Geschlechts"

Es geht um Identifikation

Der Bundestag berät an diesem Donnerstag über die Einführung eines "dritten Geschlecht" im Personenstandsregister. Menschen ohne eindeutiges biologisches Geschlecht sollen dort künftig "divers" eintragen lassen können. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Autor/in:
Christoph Scholz
Intersexualität: Politik muss Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen / © Jan Woitas (dpa)
Intersexualität: Politik muss Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen / © Jan Woitas ( dpa )

Was ändert sich?

Der Gesetzgeber hatte bereits 2013 das Personenstandsgesetz geändert, um auf die Tatsache einzugehen, dass es Menschen gibt, die biologisch nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind. Allerdings führte er kein "drittes Geschlecht" im Geburtenregister ein, wie Zwitter, Hermaphrodit, Trans- oder Intersexueller, sondern nur die Möglichkeit, keine Angaben zu machen.

Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums sieht nun vor, dass bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen künftig neben den Angaben "weiblich" und "männlich" oder der "Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe" auch die Bezeichnung "divers" gewählt werden kann.

Eine spätere Änderung der Zuordnung im Geburtseintrag und - soweit gewollt - die Wahl eines neuen Vornamens sollen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt ermöglicht werden.

Warum gerade jetzt?

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer Entscheidung vom 10. Oktober 2017 vom Gesetzgeber gefordert bis zum 31. Dezember für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung einen "positiven Geschlechtseintrag" zu ermöglichen.

Weshalb der Begriff "divers"?

Die Wahl des Begriffs entspricht laut Gesetzentwurf dem Wunsch der Betroffenen. Da der Gesetzgeber nicht gehalten sei, jedes beliebige Identitätsmerkmal personenstandsrechtlich einzutragen, solle die Bezeichnung möglichst vielen Betroffenen die Möglichkeit der Identifikation bieten, heißt es im Entwurf.

Für wen gilt der Eintrag?

Der Gesetzentwurf beschränkt sich auf Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Er hält am körperlichen Geschlecht fest und nicht an einer Selbsteinschätzung. Betroffene müssen dies demnach durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen; diese muss keine genaue Diagnose enthalten, ein ärztliches Attest genügt. Die Gesetzesvorlage beruft sich auf eine internationale medizinische Klassifikation.

Intersexualität kann sich an den Chromosomen, den Hormonen oder den anatomischen Geschlechtsmerkmalen zeigen. Die Ausformungen sind vielfältig. In der Vergangenheit wurden zumeist in der frühen Kindheit genitalangleichende Operationen vorgenommen, ergänzt durch eine langfristige hormonelle Nachbehandlung. Intersexuelle Menschen sahen darin teilweise eine biologische Normierung und Zwangsbehandlung. Inzwischen sind die Ärzte zurückhaltender.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Das Bundesverfassungsgericht spricht in seiner Entscheidung von rund 160.000 Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland. Der Gesetzentwurf geht wiederum davon aus, dass sich etwa ein Drittel nicht mit dem im Geburtenregister beurkundeten Geschlecht identifizieren und damit eine Änderungserklärung abgeben werden. Jährlich rechnet er künftig mit etwa 1.500 Neugeborenen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, und entsprechend schätzungsweise 500 Personen, die einen Antrag auf Geschlechts- und Vornamenswechsel stellen werden.

Minderjährige Betroffene können ab Vollendung des 14. Lebensjahr selbst eine entsprechende Erklärung abgeben. Sie benötigen dazu die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, also in der Regel der Eltern. Der gesetzliche Vertreter kann sich nur über die Entscheidung hinwegsetzen, wenn "kindeswohlrelevante Gründe" vorliegen.


Quelle:
KNA