Kölner Diözesanrat berät über Missbrauchs-Studie

"Wir erwarten, dass Klartext gesprochen wird"

An diesem Donnerstag trifft sich der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln. Das Laiengremium fordert nicht nur eine unabhängige Untersuchung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, sondern auch tiefgreifende Reformen.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Heute Abend trifft sich der Diözesanrat im Maternushaus in Köln. Es wird dort auch um die Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" gehen. Erwarten Sie etwas zu hören, was bisher noch nicht bekannt ist?

Tim-Oliver Kurzbach (Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln): Der Generalvikar hat sein Kommen angekündigt, und wir werden ihm Raum und Zeit einräumen, vielleicht auch das vorzustellen, was noch nicht bekannt ist.

Es sitzen Vertreterinnen und Vertreter aller Stadt- und Kreiskatholikenräte dort. Sie tragen heute schon Verantwortung in der Kirche. Ich glaube, wir dürfen erwarten, dass über die Zahlen - insbesondere im Erzbistum Köln - Klartext gesprochen wird.

DOMRADIO.DE: Sie fordern von der Bistumsleitung auch weitere Maßnahmen. Um was geht es Ihnen denn konkret?

Kurzbach: Die Studie hat - neben den wirklich erschreckenden Zahlen, bei denen immer wieder deutlich gemacht wird, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist - vor allen Dingen auch die strukturellen Gründe angesprochen. Die strukturellen Gründe, die zum einen in der Aufarbeitung liegen.

Das Bistum Köln hat angekündigt, eine eigene Untersuchung zu beauftragen. Ich finde, man muss darüber hinausgehen. Es kann nicht sein, dass die Kirche die Missbrauchsfälle alleine untersucht. Es braucht staatliche, unabhängige Institutionen, die die Untersuchung begleiten oder eigentlich auch übernehmen.

Wir müssen in unserer Kirche überlegen: Was hat das schreckliche Missbrauchsvorgehen begünstigt? Da ist die Studie, glaube ich, ziemlich klar, egal, wie man es jetzt formuliert. Sie sagt, ein Männerbündnis bevorteilt solche schrecklichen Taten.

DOMRADIO.DE: Sie vertreten als Vorsitzender des Diözesanenrats im Erzbistum Köln über zwei Millionen Katholikinnen und Katholiken im gesamten Rheinland. Sie suchen alle im Moment irgendwie nach Antworten. Wie wird es weitergehen? Wie kann es weitergehen?

Kurzbach: Wenn man die Kirche liebt, in ihr groß geworden ist, sich in ihr engagiert, spürt man doch zutiefst, wie diese Erosion fortschreitet. Wir merken, dass es mit den Strukturvergrößerungen so einfach nicht weitergehen kann.

Dieses Kapitel "Missbrauch" zeigt auch, dass vieles so nicht weitergehen kann, dass manches nicht mehr funktioniert. Wir dürfen die Charismen und die Talente von Frauen nicht mehr weiter außen vor lassen. Wir müssen die Talente von Laien mehr integrieren.

Das bedeutet auch strukturelle Entscheidungen, und dass Verantwortung wirklich geteilt wird. Wenn wir das nicht endlich als Zeichen der Zeit erkennen, dann habe ich wirklich große Sorge um meine Kirche.

DOMRADIO.DE: Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Stand der Dinge wie zum Beispiel dem pastoralen Zukunftsweg im Erzbistum Köln?

Kurzbach: Da sind jetzt interessante Strukturvorschläge gemacht worden, wie man sich methodisch den verschiedenen Themen widmen will. Da arbeiten wir auch kräftig mit. Wenn das ein Weg zur Lösung ist, dann gehen wir den gerne mit.

Aber klar muss sein, dass es nicht wieder nur eine Selbstbeschäftigung sein darf und wir Vertrauen zueinander brauchen. Wir müssen uns, den Laien und den Frauen in der Kirche, mehr zutrauen. Nur dann können wir Kirche Jesu Christi mitten in der Gesellschaft bleiben.

Wenn wir uns jetzt wieder nur in unsere internen Versammlungsräume oder in die Sakristei zurückziehen, dann werden wir vieles von Kirche aufgeben, was uns so wichtig und was die Botschaft des Evangeliums ist.

Das Interview führte Verena Tröster.


Tim Kurzbach / © N.N. (dpa)
Tim Kurzbach / © N.N. ( dpa )
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DR