Italiens Bischöfe planen neue Normen für Kinderschutz

Stärkerer Fokus auf Prävention

Es tut sich etwas in der Weltkirche: Italiens Bischöfe wollen ihre Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch aktualisieren. Dabei solle der Fokus stärker auf Prävention und auf der Ausbildung von Priestern und Mitarbeitern liegen.

 (DR)

Das sagte der Leiter der bischöflichen Missbrauchskommission, Ravennas Erzbischof Lorenzo Ghizzoni, der Zeitung "Avvenire" (Donnerstag). Papst Franziskus habe mit seinem am Montag veröffentlichten Schreiben zum Missbrauchsskandal einen "Qualitätssprung" in der Kirche verlangt, so Ghizzoni.

Neuer Entwurf fertig

Die 2012 von der italienischen Kirche verabschiedeten Leitlinien blieben gültig, betonte Ghizzoni. Sie konzentrierten sich aber auf das kirchenrechtliche Vorgehen bei bereits erfolgten Missbrauchsfällen. Inzwischen sei ein neuer, drei Kapitel umfassender Entwurf fertig. Dieser müsse im Ständigen Rat der Bischofskonferenz unter Vorsitz von Kardinal Gualtiero Bassetti und in der Vollversammlung der Bischöfe erörtert und zur Abstimmung gestellt werden.

Zur Mahnung des deutschen Kinderschutzexperten Hans Zollner von der Päpstlichen Universität Gregoriana, die Bischöfe in Italien müssten angesichts der "schockierenden Nachrichten" aus anderen Teilen der Weltkirche die Augen öffnen, sagte Ghizzoni, Zollner als Deutscher glaube, dass in Italien ein ähnlicher Skandal aufbrechen könne wie in seinem Heimatland.

In Italien seien zahlreiche Fälle ans Licht gekommen, sagte Ghizzoni; "aber sie blieben auf lokaler Ebene, es gab keine Explosion, die die ganze Kirche erfasste". Zollner gebe nur den "Ansporn, die Arbeit zu tun, die wir gerade machen". Allerdings fehlten auf Bistumsebene Teams und Strukturen für Prävention und Schulung in Kinderschutzfragen. So gebe es "niemanden", der beispielsweise kirchliche Kinder- und Jugendbetreuer über Signale für Missbrauch aufkläre, sagte Ghizzoni.

Italien wenig betroffen?

Entgegen der Einschätzung des Erzbischofs sagte der Gründer und Leiter der Anti-Kinderpornografie-Initiative "Meter", Fortunato Di Noto, der Online-Zeitung "Formiche.net" (Donnerstag), der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche betreffe auch italienische Bistümer in starkem Umfang. Dort seien in den vergangenen zehn Jahren "Hunderte" Priester in Fälle von Missbrauch und Kinderpornografie verwickelt gewesen. In einigen Fällen seien die Bischöfe unzulänglich mit den Verbrechen umgegangen.

Zu viele Personen leisteten Widerstand, wenn es darum gehe, Täter an die weltliche Justiz auszuliefern, sagte Di Noto, der selbst Priester ist. Eine Kernfrage sei, ob Bischöfe in Verdachtsfällen eine Anzeige bei der weltlichen Justiz stellen müssten oder nicht. Es gehe um eine "formelle Übernahme der Verantwortung". Zugleich deutete Di Noto an, ein Bischof allein könne mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen überfordert sein.


Lorenzo Ghizzoni, Erzbischof von Ravenna-Cervia / © Romano Siciliani (KNA)
Lorenzo Ghizzoni, Erzbischof von Ravenna-Cervia / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA