Sieben Jahre nach dem Loveparade-Unglück

"Die Trauer ist sehr präsent"

Am Montag ist der siebte Jahrestag des Loveparade-Unglücks. In Duisburg findet deswegen schon am Vorabend ein Gedenkgottesdienst statt. Darüber hat domradio.de mit dem zuständigen Pfarrer, Jürgen Widera, gesprochen.

Gedenktafel für das Loveparade-Unglück / © Federico Gambarini (dpa)
Gedenktafel für das Loveparade-Unglück / © Federico Gambarini ( dpa )

domradio.de: Für uns Außenstehende ist der siebte Jahrestag eher eine Randnotiz. Was bedeutet dieser Tag aber für die Opfer und die Angehörigen?

Pfarrer Jürgen Widera (Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Hinterbliebenen): Der Tag hat immer noch eine große Bedeutung. Gerade in diesem Jahr, in dem der Prozess beginnen soll, schätze ich, dass die Bedeutung noch ein bisschen mehr wachsen wird. Wir bemerken auch, dass sich in diesem Jahr einige Menschen aus dem Kreis der Verletzten angemeldet haben, die bisher noch nie oder nur selten bei den Jahrestagen dabei waren.

domradio.de: Welche Rolle spielt die Begehung des Jahrestages für den Prozess der Trauerbewältigung bei den Opfern?

Widera: Die Trauer ist natürlich sehr präsent an diesem Tag, vor allem bei den Eltern und Angehörigen der Verstorbenen. Das ist ganz klar. Manche meiden diesen Tag auch, indem sie zum Beispiel bewusst nicht die Unglücksstelle aufsuchen. Andere sagen wiederum: "Wir wollen da sein, wo unsere Kinder gestorben sind." Trauer ist sehr individuell und die Menschen gehen unterschiedlich damit um.

domradio.de: Merken Sie nun, sieben Jahre später, dass bei einigen die Verarbeitung abgeschlossen ist?  

Widera: Auch das ist unterschiedlich: Wir haben Eltern, die im Grunde mittlerweile recht gut damit klar kommen. Das ist natürlich ein Ereignis gewesen, das man nie vergisst und auch nie vollständig verarbeitet; aber ein paar haben mittlerweile einen Weg gefunden, gut damit umzugehen. Dann gibt es aber auch andere, bei denen ich eher das Gefühl habe, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wird.

domradio.de: Am Sonntagnachmittag gibt es ein Andenken an der Unglücksstelle und am Abend einen evangelischen Gottesdienst. Wie wird der ablaufen?

Widera: Erst mal ist es streng genommen gar kein Gottesdienst, weil ein Gottesdienst ja per se öffentlich ist. Hier handelte es sich aber um eine geschlossene Veranstaltung; eine Andacht ausschließlich für Eltern und Angehörige und Freunde der Verstorbenen. Das hat sich so entwickelt, weil die Notfallseelsorge beim ersten Jahrestag die Betreuung der Opfer, der Eltern und der Verletzten übernommen hatte und speziell für die Eltern diese Andacht als Vorbereitung auf den schweren Gang am Jahrestag selbst angeboten hat. Daraus ist eine Tradition entstanden, weil es den Eltern sehr wichtig ist, diese Einstimmung auf den Jahrestag zu haben.

domradio.de: Sie müssen sich da dann gleichsam auf Christen einstellen wie auf Atheisten. Was bedeutet das für die Andacht?

Widera: Wir bieten in der Andacht zum Beispiel keine Choräle an, sondern es wird Musik geben, die den Eltern im Wesentlichen auch vertraut ist, also Musik aus den 60ern und 70ern. Vom Ablauf her ist es ein christlicher Gottesdienst mit Elementen aus dem traditionellen Sonntagsgottesdienst.

domradio.de: Mittlerweile ist klar, dass es wohl einen Prozess gegen die Verantwortlichen geben wird. Was bedeutet das für die Opfer und die Angehören?

Widera: Als die Nachricht im Frühjahr bekannt gegeben wurde, dass es wohl doch zum Prozess kommt, hat man überwiegend Erleichterung beobachten können. Viele haben darauf gewartet, dass es eine prozessuale Aufarbeitung geben wird, die ihnen am Anfang ja auch versprochen worden war. Dass es sich dann aber so lange hingezogen hat, war für viele natürlich schwer erträglich. Mittlerweile bekomme ich aber auch Bedenken, Sorgen und Ängsten mit, ob die Angehörigen dem Prozess überhaupt gewachsen sind und was ihnen dabei begegnen wird. Die Frage ist also, wie sie emotional damit umgehen und welche Belastungen da auf einen zukommen. Es gibt also Erleichterung und Freude auf der einen und eine gewisse Sorge auf der anderen Seite.  

domradio.de: Was bedeutet denn der Jahrestag morgen für die Stadt Duisburg?

Widera: Zum ersten Mal findet eine öffentliche Veranstaltung statt. Das war in den vergangenen Jahren anders, da haben wir den Bereich abgeriegelt für die Verletzten und später für die Eltern, damit die in Ruhe gedenken konnten. Im letzten Jahr haben wir versucht, Verletzte und Eltern zusammenzubringen - noch in einem geschützten Rahmen. Jetzt sind wir der Meinung, im siebten Jahr, den Bereich für alle zu öffnen, die dort gedenken möchten.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Jürgen Widera (dpa)
Jürgen Widera / ( dpa )
Quelle:
DR
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