Deutschland und Chile setzen Kommission zu Colonia Dignidad ein

Gemeinsame Aufarbeitung

Eine deutsch-chilenische Kommission soll künftig zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad in Chile beitragen. Vertreter beider Länder haben jetzt eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.

 Haupttor der "Colonia Dignidad"-Siedlung, aufgenommen 1988 (dpa)
Haupttor der "Colonia Dignidad"-Siedlung, aufgenommen 1988 / ( dpa )

Unterzeichner sind der Regionalbeauftragte für Lateinamerika und Karibik des Auswärtigen Amts, Dieter Lamle, und der Botschafter Chiles in Berlin, Patricio Pradel. Wie es aus dem Außenamt am Donnerstag auf Anfrage hieß, ist geplant, dass die Kommission noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt.

Die Geschichte der "Colonia Dignidad" gehört zu den dunkelsten Kapiteln in den deutsch-chilenschen Beziehungen. Auf dem rund 300 Quadratkilometer großen Areal sollen zeitweilig bis zu 350 Menschen gelebt haben, die zum Teil aus Deutschland stammten.

Gründer der Colonia Dignidad war der gebürtige Bonner Paul Schäfer (1921-2010), der sich 1961 mit seiner Flucht nach Chile einem Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in Deutschland entzog. Auf der Anlage, rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, versprach der aus einem freikirchlichen Umfeld stammende Laienprediger seinen Anhängern ein "urchristliches Leben im gelobten Land".

Diktatur und Abschottung

Tatsächlich führte Schäfer ein diktatorisches Regime und schottete die Sektenmitglieder von der Außenwelt ab. Zu den Verbrechen zählten unter anderem Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit und Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation. Während der chilenischen Militärdiktatur von 1973 bis 1990 wurden in der Colonia Dignidad Hunderte chilenische Regimegegner vom chilenischen Geheimdienst gefoltert und Dutzende ermordet.

Die Einsetzung der Kommission geht nach Angaben des Auswärtigen Amtes auf Gespräche des Regionalbeauftragten mit der chilenischen Seite zurück, die seit Mitte 2016 geführt wurden. Die Kommission solle mit ihrer Arbeit dazu beitragen, Ziele zu erreichen, "die auch im Entschließungsantrag des Bundestag genannt sind".

Hilfskonzept für Opfer

Der kurz vor der Sommerpause verabschiedete fraktionsübergreifende Antrag fordert die Bundesregierung unter anderem auf, bis zum Sommer nächsten Jahres ein Konzept mit Blick auf Hilfeleistungen für Opfer vorzulegen und die Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem Gelände der "Colonia Dignidad" voranzutreiben.

Heute leben noch etwa 100 Menschen, darunter sowohl Opfer als auch Täter, auf dem Gelände der Colonia Dignidad, die heute Villa Baviera heißt, und versuchen, die Anlage durch Land- und Forstwirtschaft sowie Restaurant- und Hotelbetrieb zu nutzen. Eine angemessene sowie würdevolle Erinnerung an die Opfer und die innerhalb der Colonia Dignidad begangenen Menschenrechtsverletzungen finde bislang nicht statt, heißt es in dem Antrag.


Überwachungsraum der Colonia Dignidad / © Villa Baviera/Handout (dpa)
Überwachungsraum der Colonia Dignidad / © Villa Baviera/Handout ( dpa )
Quelle:
KNA