Ordensfrau über Lage in Aleppo

Auch ohne Krieg das "nackte Überleben"

Die Lage in Aleppo soll sich langsam beruhigen. Dennoch kehren nur wenige zurück in die syrische Stadt. Derweil geht in Deutschland die Diskussion um Abschiebungen in das Land weiter.

Binnenflüchtlinge in Afghanistan  / © Hannibal Hanschke (dpa)
Binnenflüchtlinge in Afghanistan / © Hannibal Hanschke ( dpa )

Trotz des Endes der Kampfhandlungen in Aleppo haben die Menschen laut der syrischen Ordensfrau Annie Demerjian (50) Angst in die Stadt zurückzukehren. Zum einen wüte der Krieg in anderen Teilen des Landes weiter; und auch ohne Kämpfe "geht es auch in Aleppo noch immer ums nackte Überleben", sagte die Schwester der Ordensgemeinschaft der Schwestern Jesu und Mariens im Interview des Portals katholisch.de in Bonn.

Dennoch seien dieses Jahr immerhin 15 christliche Familien zurückgekommen. "Doch hier stehen sie dann vor den Scherben ihres bisherigen Lebens und wissen nicht, wie es weitergehen soll", so die armenisch-katholische Ordensfrau. Jedoch seien für viele die Wurzeln enorm wichtig. "Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass die dunklen Wolken des Krieges eines Tages ganz weg sind und wir wieder ein normales Leben führen werden", sagte sie.

Jeden Tag Angst

Annie Demerjian, die während der Kämpfe in Aleppo ausharrte, berichtete, wie schwer es gewesen sei, in der Stadt zu bleiben. Aber sie habe nicht anders gekonnt, auch wenn die Provinzoberin den Schwestern freigestellt habe zu gehen. "Wenn ich ehrlich bin, hatte ich jeden Tag große Angst; aber ich dachte nie daran, aus Aleppo wegzugehen", erklärte sie. "Wir wollten mit den Menschen durch diese schwere Zeit gehen, weil das auch unser Land ist", so die in Damaskus geborene Ordensfrau.

Es habe viele "Schreckensmomente" gegeben, in denen die Schwestern um ihr Leben gebangt hätten. "Dass das alles gut ausgegangen ist, ist wie ein unglaubliches Wunder für uns", so Annie Demerjian. Nun wünsche sie sich, dass "irgendwann die Fröhlichkeit in Aleppo wieder größer sein wird als die Traurigkeit".

Detmolder Mahnwache gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Aus Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan rufen Vertreter von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen in Lippe zu einer Mahnwache in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Detmold auf.

Trotz gegenteiliger Hoffnungen nach dem verheerenden Anschlag in Kabul Ende Mai hätten sich die Informationen verdichtet, dass am 28. Juni wieder ein Sammelabschiebeflug aus Deutschland starten soll, erklärte Pfarrer Dieter Bökemeier, Flüchtlingsbeauftragter der Lippischen Landeskirche, am Wochenende in Detmold. Mit der Mahnwache in der Detmolder Versöhnungskirche, die unter dem Titel "aufwachen" steht, solle die grundsätzliche Kritik an Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Afghanistan zum Ausdruck kommen.

Ein Zeichen der Solidarität

"Wir wollen unsere Solidarität mit den Menschen ausdrücken, die wahrscheinlich in dieser Nacht aus anderen Teilen Deutschlands für diesen Abschiebeflug zusammengebracht werden", sagte Pfarrerin Martina Wehrmann von der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Detmold-West. Im Mai hatte es eine erste Mahnwache in der Detmolder Kirche gegeben.

Hinter der Aktion "aufwachen" stehe die Lippische Landeskirche mit der Kirchengemeinde Detmold-West, das Ökumenische Forum Flüchtlinge in Lippe, der Afghanische Kulturverein Lippe, die Flüchtlingshilfe Lippe und die Initiative Fluchtpunkt.

Streitfrage Abschiebungen nach Afghanistan

Nach dem Anschlag vom 31. Mai vor der deutschen Botschaft in Kabul, bei dem mehr als 90 Menschen getötet wurden, hatte die Bundesregierung Anfang Juni Abschiebungen nach Afghanistan vorübergehend weitgehend ausgesetzt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte jedoch am Freitag eine für Mittwoch geplante Sammelabschiebung gerechtfertigt. Bis zur Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan gelte es "nach sorgfältiger Einzelfallprüfung, Straftäter, Gefährder und Personen, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, aus Sicherheitsgründen weiterhin abzuschieben", sagte Herrmann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums wollte eine neuerliche Abschiebung gegenüber der Zeitung nicht bestätigen. Schon aus Sicherheitsgründen äußere man sich nie vorher zu Abschiebungen, hieß es.


Quelle:
KNA