Bruder Paulus zu finalem Rettungsschuss gegen Terroristen

"Auch ein Gewalttäter hat Würde"

Bei dem jüngsten Terrorakt in London hat die Polizei die drei mutmaßlichen Attentäter direkt erschossen. Kapuziner-Mönch Paulus Terwitte über die ethischen Leitlinien im Umgang mit Terroristen.

Polizisten hatten die drei Attentäter in London erschossen / © Dominic Lipinski (dpa)
Polizisten hatten die drei Attentäter in London erschossen / © Dominic Lipinski ( dpa )

domradio.de: War der finale Rettungsschuss der Polizisten gerechtfertigt?

Paulus Terwitte (Medienexperte und Kapuziner-Mönch): Ich war nicht dabei, aber es gilt der Satz, dass Menschenleben zu schützen sind. Und wenn denjenigen, die die Verantwortung tragen, klar wird, dass man diejenigen Menschen, die andere bedrohen und vielleicht sogar töten können, nur durch einen Schuss ausschalten kann, dann sind sie auch verpflichtet, durch Gebrauch ihrer Schusswaffen die Menschen daran zu hindern, weiteres Übel anzurichten.

domradio.de: Aber die Sprengstoffwesten waren nur Attrappen, wie geht man damit um?

Terwitte: Man kann nur das zu Rate ziehen, was man wirklich weiß. Jeder Polizist, so hoffe ich, ist ausgebildet, etwas tiefer als andere zu schauen und nicht nur Vermutungen anzustellen. Aber wenn die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass alles echt ist, dann muss man entsprechend handeln und die Angreifer ausschalten. Aber niemand darf sich von so Gedanken leiten lassen wie "das sind nur Terroristen und da darf man ruhig mal drauf schießen". Auch diese Menschen haben eine Würde und diese Würde nimmt uns in die Pflicht, die Sachlage genau einzuschätzen.

domradio.de: Ist es für die Polizisten nicht eine ungeheure Belastung, in einem Sekundenbruchteil über Leben und Tod der Terroristen zu entscheiden?

Terwitte: Das ist eine riesengroße Belastung und Polizisten werden auch trainiert, sich nicht durch Emotionen leiten zu lassen. Um in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, brauchen Polizisten eine gute Schulung, das Vertrauen zu ihren Dienstherren und zur Gesellschaft. Ich finde es wichtig, dass wir als Gesellschaft unseren Polizisten zutrauen, dass sie gut ausgebildet sind und nicht einfach nur auf Verdacht hin das menschliche Leben gefährden, auch nicht das Leben eines Gefährders.

domradio.de: Welche Folgen hat so ein extremer Einsatz für Polizisten?

Terwitte: Wenn es sich herausstellt, dass die Tötung nicht nötig gewesen wäre, dann denke ich, verfolgt das natürlich die Polizisten. Dann werden sie mit Psychologen und Seelsorgern sprechen, um ihr Gewissen zu befragen: habe ich aus vernünftigen Motiven gehandelt oder war ich doch emotional und habe irgendwie Rache üben wollen aufgrund von anderen Anschlägen? Das muss man gut auseinanderhalten, denn unter Umständen kann so etwas auch strafwürdig werden.

domradio.de: Eines der zehn Gebote heißt: Du sollst nicht töten. Und da stehen in Klammern auch keine Ausnahmeregeln…

Terwitte: Das Gebot heißt eigentlich: Du sollst nicht morden. Und Morden ist das nicht gerechtfertigte Töten eines Menschen. In der Bibel gibt es da differenzierte Schilderungen. Die biblische Aussage ist aber ganz eindeutig: kein Mensch kann sich selber die eigene Würde nehmen, auch ein Gewalttäter oder ein böser Mensch nicht. Wir müssen ihn daran hindern Böses zu tun, wenn es sein muss militärisch oder mit einem finalen Rettungsschuss. Gleichzeitig müssen wir immer auch in den Blick nehmen, dass er eine eigene Würde hat.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz (privat)
Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz ( privat )
Quelle:
DR