Caritas International zur Lage in Nigeria

Es fehlt an allem

Hungersnot, Millionen Flüchtlinge im eigenen Land, Terror durch Boko Haram im Norden - die Situation der Menschen in Nigeria spitzt sich nach Ansicht von Caritas International weiter zu. Ein domradio.de-Interview mit Einblicken vor Ort. 

Gernot Ritthaler im Flüchtlingslager Muna Dalti in Maiduguri (CI)
Gernot Ritthaler im Flüchtlingslager Muna Dalti in Maiduguri / ( CI )

domradio.de: Nach einer Untersuchung von Reuters aus Dezember 2016 gilt die Not im Nordosten von Nigeria als die am meisten vernachlässigte humanitäre Krise weltweit. Herr Ritthaler, sie waren gerade in Nigeria. Stimmt diese Aussage vom vergangenen Dezember immer noch?

Gernot Ritthaler (Koordinator für Katastrophenhilfe bei Caritas International): Ja, das ist in der Tat so. Ich würde sogar sagen, die Krise ist dabei, sich zuzuspitzen. Denn der Konflikt mit der Terrororganisation Boko Haram dauert nach wie vor an, auch wenn die Regierung militärisch Fortschritte macht. Aber auf dem Land ist nach wie vor Riesengefahr: Es wird nach wie vor gemordet und gebrandschatzt. Die Menschen können nicht in ihre Dörfer zurück. Sie können keinen Nahrungsmittel anbauen. Es kommt noch eine Dürre dazu. Also, die humanitäre Lage ist sehr brisant.

domradio.de: Seit Samstag sind Sie aus Nigeria wieder zu Hause. Wie war das denn für Sie persönlich, vor Ort zu sein? 

Ritthaler: Das war schon sehr beeindruckend. Zum einen, diese tausenden von Flüchtlingen zu sehen. Die Stadt Maiduguri hat sonst etwa 1,5 Millionen Einwohner. Man sagt, die Einwohnerzahl habe sich jetzt durch die Flüchtlinge verdoppelt. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen. Es gibt Hilfen von der internationalen Gemeinschaft, aber es ist einfach zu wenig.

Ganz viele Flüchtlinge bekommen auch nichts. Sie sind sehr solidarisch, leben ganz eng in informellen Camps zusammen. Und abgesehen davon, dass es den Menschen an vielem fehlt - an Wasser, an Nahrung - haben sie mit wahnsinnigen Traumata zu kämpfen. Was die alles erlebt haben - Vertreibung, Mord - das kann man sich gar nicht vorstellen. Einiges haben sie mir auch erzählt und das steckt man auch nicht so ohne weiteres weg.

domradio.de: Was macht den Caritas International, um zu helfen?

Ritthaler: Wir unterstützen insbesondere mit Nahrungsmittel. Ganz wichtig ist auch sauberes Wasser. Ohne Wasser gibt es kein Leben - zum waschen, zum trinken. Wir bohren Brunnen, wir setzen Brunnen instand. Wir kümmern uns auch darum, dass es in den engen Lagern auch Toiletten gibt. Man kann sich vorstellen, wenn es da keine Toiletten gibt, ist das eine große Gefahr für die Gesundheit und sehr unhygienisch. Wir helfen bei einfachen Bedachungen und - ganz wichtig - wir machen eben auch Beratung und Begleitung. Damit die Menschen einfach jemanden zum Reden haben. Damit sie das, was ihnen auf der Seele liegt, auch loswerden können.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR