Warum es weniger Hinrichtungen und mehr Todesurteile gibt

Wie passt das zusammen?

Die Zahl der Hinrichtungen weltweit ist im vergangenen Jahr zurückgegangen, die der Todesurteile gestiegen, das zeigen die aktuellen Zahlen von Amnesty International. Wie das zusammenhängt, erklärt Alexander Bojčević gegenüber domradio.de.

Kuwait: Vollstreckte Todesstrafe (dpa)
Kuwait: Vollstreckte Todesstrafe / ( dpa )

domradio.de: Es wirkt wie ein Hoffnungsschimmer: Die Zahl der offiziell vollstreckten Todesstrafen ist im vergangenen Jahr im Vorjahresvergleich deutlich zurückgegangen. Von 1.634 Hinrichtungen im Jahr 2015 sank die Zahl auf 1.031. Ein gutes Zeichen?

Alexander Bojčević (Experte zur Todesstrafe bei Amnesty International): Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Todesstrafe nicht verhängt und vollzogen wird. Insofern ist es besser, als wenn es sich gesteigert hätte.

domradio.de: China ist der traurige Spitzenreiter bei den Tötungen. Woran liegt das?

Bojčević: Das liegt daran, dass in China die Todesstrafe in sehr vielen Bereichen angewendet wird. Man kann nicht nur für Tötungsdelikte, sondern auch schon für Drogenhandel oder für wirtschaftliche Delikte wie etwa Steuerhinterziehung, Diebstahl im großen Maße oder Korruptionsdelikte zum Tode verurteilt und hingerichtet werden.

domradio.de: Gibt es eine Dunkelziffer? Sie nutzen doch die offiziellen Zahlen, oder?

Bojčević: Wir nutzen die offiziell veröffentlichten Zahlen. Aber wir versuchen auch durch Kontakte zu Angehörigen von zum Tode verurteilten, zu Verteidigerinnen und Verteidigern, oder zu Menschenrechtsorganisationen, die vor Ort arbeiten und überhaupt alle möglichen Kanäle seriöse Informationen zusammenzutragen. Aber Sie haben ganz Recht. Die Dunkelziffer ist natürlich trotzdem sehr hoch. Wir können nicht mit Bestimmtheit sagen, wie viele Hinrichtungen stattgefunden haben und wie viele Todesurteile verhängt worden sind. Aber wir versuchen da unser Möglichstes.

domradio.de: Die Zahl der Todesurteile ist bei den vielen recht positiven Meldungen in Ihrem Bericht gestiegen. Wie passt das zusammen mit der rückläufigen Zahl der Vollstreckungen?

Bojčević: Das werde ich oft gefragt. Das liegt ganz einfach daran, dass Todesurteile nicht im selben Jahr vollstreckt werden müssen, in denen sie verhängt werden. Das ist das eine. Zum anderen werden auch nicht alle Todesurteile vollstreckt, es gibt durchaus Begnadigungen oder Urteils-Umwandlungen. All das kann es geben, sodass sich die Zahlen nicht entsprechen müssen.

domradio.de: Mit die meisten Todesurteile wurden bislang auch von den USA vollstreckt. Von dort gibt es jetzt aber einigermaßen Erfreuliches zu vermelden…

Bojčević: Es hat im letzten Jahr 20 Hinrichtungen gegeben. Jede ist natürlich eine zu viel. Aber es ist immerhin ein 25-Jahrestief. Und das ist ja zumindest ein Etappenziel.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR