Ethiker Schockenhoff gegen Lockerung des Embryonenschutzes

Zug ohne Rückkehrmöglichkeit

Gegen den erneuten Vorstoß mehrerer Lebenswissenschaftler zur Lockerung des Embryonenschutzgesetzes wendet sich der Freiburger Ethiker und Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie / © Harald Oppitz (KNA)
Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie / © Harald Oppitz ( KNA )

Zugleich erläutert er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass es keine grundsätzlichen moralischen Einwände gegen das neue Verfahren der Genschere CRISPR/Cas gebe. Damit wären sogar Eingriffe in die menschliche Keimbahn denkbar.

KNA: Herr Professor Schockenhoff, wie bewerten Sie den neuen Vorstoß der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Embryonenforschung zu liberalisieren?

Schockenhoff: Viele Wissenschaftler versuchen seit langem, die hohen Schutzstandards des deutschen Embryonenschutzgesetzes zu Fall zu bringen. Da Embryonen nach dessen Regelungen nur erzeugt werden dürfen, um mit ihnen eine Schwangerschaft zu beginnen, möchten sie die sogenannten verwaisten Embryonen als Reserve für die Forschung benutzen. Ich hoffe, dass die neuen Forderungen keine politische Mehrheit finden.

KNA: Aber ist das deutsche Gesetz langfristig haltbar, wenn international, etwa in China und Großbritannien, kaum noch Beschränkungen für verbrauchende Embryonenforschung gelten?

Schockenhoff: Wir sollten eher stolz darauf sein, dass wir nicht alles mitmachen, was in China geschieht. Wir können die Standards gar nicht so niedrig ansetzen, dass sie nicht von den Chinesen unterboten würden. Und das gilt insbesondere bei den moralischen Überzeugungen und für grundlegende Rechte wie das Recht auf Leben und das Verbot, Leben zu instrumentalisieren. Und nebenbei bemerkt: Die deutsche Forschung in den Biowissenschaften ist keineswegs so abgehängt, wie das manche glauben machen wollen.

KNA: Von einer neuen Technik zu Eingriffen in das Genom, der sogenannten Genschere CRISPR/Cas, versprechen sich viele Wissenschaftler nun revolutionäre Fortschritte und Erfolge bei der Beseitigung von genetisch bedingten Erkrankungen. Gibt es hier ethische Bedenken?

Schockenhoff: Wenn man diese Technik für eine somatische Gentherapie, also bei bereits erkrankten Patienten anwenden könnte, sehe ich keine grundlegenden ethischen Einwände. Noch ist das nicht möglich. Aber viele Wissenschaftler sagen, dass diese Reparatur des Genoms am lebenden Patient in naher Zukunft machbar sein könnte. Es wäre dann letztlich ein Heilexperiment, bei dem der Betreffende entscheiden müsste, ob er das damit verbundene Risiko - etwa für etwaige unerwünschte Nebeneffekte - in Kauf nehmen will. Bei einigen, allerdings sehr seltenen Erkrankungen, die ihre Ursache in nur einem einzigen Gendefekt haben, wäre das denkbar und eine sehr elegante Lösung.

KNA: Die Naturwissenschaftler denken bereits einen Schritt weiter: Mit der Anwendung dieser Genschere auf die Keimzellen sollen die Erbanlagen für Erkrankungen für alle folgenden Generationen beseitigt werden...

Schockenhoff: Auch gegen einen solchen Eingriff in die Keimbahn sehe ich keine grundsätzlichen ethischen Bedenken. Allerdings gibt es sehr hohe Bedingungen, von denen derzeit niemand weiß, ob sie je erfüllt werden können. Erstens müsste die Wissenschaft nachweisen, dass der Eingriff sicher ist. Dass er also nur die gewünschten Folgen hat. Das kann derzeit niemand garantieren. Zweitens dürften Eingriffe in die Keimbahn nur auf die Behebung eines klaren Gendefekts begrenzt sein. Und nicht für andere Optimierungsfantasien. I

n einer Demokratie gibt es keine Instanz, die definieren dürfte, wie ein Mensch aussehen und wie er beschaffen sein soll. Andernfalls droht, wie Jürgen Habermas formuliert, ein Machtgefälle zwischen den Generationen. Bei Keimbahneingriffen gibt es kein Zurück, wir würden da in einen Zug ohne Rückkehrmöglichkeit einsteigen.

KNA: Trotz aller Vorbehalte und Bedingungen halten Sie die neuen Techniken also für grundsätzlich ethisch erlaubt. Rechtfertigen Sie damit nicht durch die Hintertür die verbrauchende Embryonenforschung? Bei Experimenten zur Keimbahnintervention würden doch zwangsläufig Embryonen zerstört?

Schockenhoff: Das Ziel einer Behebung von Krankheitsursachen durch Eingriffe in die Keimbahn darf nur mit ethisch legitimen Mitteln erreicht werden. Wegen des Verstoßes gegen das Instrumentalisierungsverbot zählt die Benützung und anschließende Zerstörung menschlicher Embryonen nicht dazu.

KNA: Ist es nicht naiv zu glauben, dass eine solche Grenzziehung zwischen ethisch zulässiger Krankheitstherapie und abzulehnender menschlicher Verbesserung in der Praxis bestehen würde?

Schockenhoff: Die Gefahr der Grenzüberschreitung besteht zweifellos, aber mit dem bloßen Vorsichtsargument wird man die technische Entwicklung nicht aufhalten können.

KNA: Entscheiden also auch in solchen grundlegenden Fragen die Gesetze des Marktes?

Schockenhoff: Die ökonomische Verwertung biologische Forschung ist ein enormes Problem. Viele Wissenschaftler sind ja selbst an Firmen beteiligt, die mit den Erkenntnissen Geld verdienen wollen. Auch vom Staat getragene Universitäten sind inzwischen vom Einwerben privater Drittmittel abhängig. In Zukunft dürfte die Verzahnung noch enger werden. Deshalb müssten die Forscher zumindest offenlegen, dass sie nicht allein dem hehren Erkenntnisgewinn verpflichtet sind, sondern häufig auch ganz persönlichen Profitinteressen.


Quelle:
KNA