Verein Spenderkinder: Samenspender ins Geburtsregister eintragen

"Wahrheitsmäßige Informationen zur Abstammung"

Samenspender sollen künftig registriert werden, damit daraus hervorgehende Kinder ihre Abstammung erfahren können. Für den Verein "Spenderkinder" lässt der Gesetzentwurf der Bundesregierung aber viele Fragen offen.

Autor/in:
Christoph Scholz
Künstliche Befruchtung unter einem Mikroskop / © Jochen Tack (epd)
Künstliche Befruchtung unter einem Mikroskop / © Jochen Tack ( epd )

KNA: Erstmals will die Bundesregierung ein bundesweites Samenspenderregister einrichten. Der Bundestag will sich an diesem Donnerstag in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf befassen. Das Register soll Daten von Spendern 110 Jahre aufbewahren, um Spenderkindern das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung zu garantieren. Darauf pocht der Verein "Spenderkinder" seit Jahren. Die Samenspende ist in Deutschland seit 1970 rechtlich zulässig, aber erst jetzt will der Gesetzgeber ein Spenderregister anlegen lassen. Wie viele Spenderkinder gibt es inzwischen?

Anne Meier-Credner (Diplom-Psychologin und Mitglied beim Verein "Spenderkinder"): Grobe Schätzungen gehen von 110.000 aus; inzwischen sollen es rund 1.000 Kinder pro Jahr sein. Eine zentrale Erfassung der Geburten findet bislang nicht statt. Viele Menschen, die durch eine Samenspende entstanden sind, wissen nichts davon.

KNA: Wie hoch ist die Aufklärungsrate?

Meier-Credner: Nach internationalen Studien wird nur jedes fünfte Spenderkind über seine Entstehungsweise aufgeklärt. Zwar sagen mehr Paare in Umfragen, sie wollten es tun. Aber viele warten auf den richtigen Zeitpunkt - und dabei wird das Kind älter und älter. Oft besteht die Angst, die Aufklärung über die genetische Elternschaft könnte die familiären Beziehungen aufs Spiel setzen.

KNA: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Meier-Credner: Das Kind sollte im Wissen um seine Entstehungsweise aufwachsen, damit die Identitätsentwicklung kontinuierlich verlaufen kann. Die Aufklärung ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Jahrelanges Verschweigen ist für die meisten eine schmerzhafte Erfahrung, wenn sie es dann schließlich herausfinden.

KNA: Welche Bedeutung hat das Wissen um die genetische Vaterschaft?

Meier-Credner: Unsere genetische Abstammung prägt unsere Gesamtpersönlichkeit, vom Aussehen über den Charakter bis hin zu vielen Eigenschaften. Sie nimmt daher für viele Menschen eine wesentliche Bedeutung für die eigene Identitätsfindung ein. Viele Betroffene entdecken ihr Bedürfnis nach Kenntnis des leiblichen Vaters gerade an Wendepunkten im Leben: bei der emotionalen Loslösung vom Elternhaus oder bei der eigenen Familiengründung.

KNA: Wie steht es um die medizinischen Fragen?

Meier-Credner: Hier geht es um die Kenntnis möglicher erblicher Vorbelastungen. Außerdem sollen unwissentliche Beziehungen zwischen Halbgeschwistern, also Inzest, verhindert werden. Auch deshalb sollte die Zahl der von einem Spender gezeugten Kinder klar und überprüfbar begrenzt werden. Wir haben in unserem Verein mit gut 130 Mitgliedern allein 5 Mitglieder, die entdeckten, dass sie denselben genetischen Vater haben und damit Halbgeschwister sind.

KNA: Wie bewerten Sie die Möglichkeit der Samenspende?

Meier-Credner: Als Verein beziehen wir keine Position für oder gegen Samenspende. Wir sind so entstanden, aber deswegen müssen wir diese Entstehungsweise nicht gut finden. Manchmal wirkt es auf uns so, als wünschten sich betroffene Eltern von uns Anerkennung mit ihrer Entscheidung - eine Entlastung, dass es für die Kinder alles kein Problem ist. Wir möchten umfassend über diese Form der Familiengründung informieren, nichts beschönigen, sondern auch auf die Schwierigkeiten hinweisen.

KNA: Sollten Spender und Empfängereltern besser aufgeklärt werden?

Meier-Credner: Unser Verein setzt sich für eine verpflichtende psychosoziale Aufklärung der Wunscheltern und der Spender ein. Dazu gehört es, aktiv über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu informieren und darüber was das praktisch im Alltag bedeutet.

KNA: Wie bewerten Sie die Gesetzesinitiative?

Meier-Credner: Wir begrüßen die Einführung eines Registers. Das fordern wir seit Jahren, um das Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu garantieren. Viele Ärzte halten ihre Akten unter Verschluss, andere haben sie nach einer kurzen Aufbewahrungszeit von zehn Jahren angeblich vernichtet. Aber der Entwurf lässt viele Fragen offen. Das Gesetz würde erst für Spenderkinder gelten, die ab 2018 gezeugt werden. Wichtig wäre es, alle noch vorhandenen Daten einzupflegen. Zudem sollte der Spender, wie bei der Adoption, ins Geburtsregister eingetragen werden, damit dieses Dokument wahrheitsmäßige Informationen über die Abstammung enthält. Nur so können unwissentliche Verbindungen zwischen Halbgeschwistern verhindert werden.

KNA: Was halten Sie von der Vermittlung von Samenspenden an alleinstehende Frauen?

Meier-Credner: Das sehen wir kritisch. Denn für die dadurch entstehenden Kinder wird bewusst in Kauf genommen, dass diese nur ein Elternteil haben, das für sie da ist.

KNA: Laut Entwurf sollen die Samenbanken nur die Daten zur Identifikation aufnehmen. Reicht Ihnen das aus?

Meier-Credner: Manche Spenderkinder sind zunächst an nicht-identifizierenden Informationen interessiert. Sie wollen sich ein Bild von dem Menschen machen, etwas über seine Persönlichkeit, seine Interessen erfahren. Auch wenn sie seine Identität erfahren, er aber kein Interesse an einem Kontakt hat oder vielleicht schon verstorben ist, wünschen sich viele Spenderkinder, mehr über ihn als Menschen zu erfahren. Die britische Registrierungsbehörde sieht einen Brief an das Kind vor. Das würde auch dem Spender auf emotionaler Ebene bewusst machen, dass das entstehende Kind einmal ein Interesse an einer Kontaktaufnahme haben könnte.

KNA: Sehen Sie sich mit Ihren Anliegen in der Öffentlichkeit hinreichend vertreten?

Meier-Credner: Das Verständnis für die Perspektive der Spenderkinder wächst. Wir würden uns aber eine wesentlich breitere gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber wünschen, welche ethischen Grundlagen und welches Menschenbild wir als Gesellschaft mit unseren Gesetzen schützen möchten. Auch wenn im Ausland vieles gemacht wird, was hierzulande verboten ist, sollten wir uns selbstständig überlegen, wo wir uns Grenzen setzen, damit wir unser Handeln nachhaltig verantworten können.


Quelle:
KNA