Aktionstag gegen die Todesstrafe

"Nicht wieder gut zu machen"

Cities for Life - unter diesem Motto setzen heute weltweit mehr als 2.000 Städte ein Zeichen für mehr Menschlichkeit - und lassen bedeutende Gebäude besonders beleuchten. Initiator der Aktion ist die christliche Laienbewegung Sant'Egidio.  

Auch das Colosseum in Rom wird beleuchtet / © Cristian Gennari (KNA)
Auch das Colosseum in Rom wird beleuchtet / © Cristian Gennari ( KNA )

domradio.de: Cities for Life - Städte für das Leben - so lautet ihre jährliche Aktion gegen die Todesstrafe, die Städte und Bürger weltweit auf das Thema Menschlichkeit und Menschenrechte aufmerksam machen will. Dr. Matthias Leineweger, Sie koordinieren die Aktion in Deutschland. Warum hat Sant Egilio diesen Tag 2002 ins Leben gerufen? 

Dr. Matthias Leineweger: Wir haben begonnen, das Thema kennenzulernen, durch Brieffreundschaften mit Todeskandidaten, vor allem in den USA. Dadurch haben wir uns intensiver mit dieser Problematik beschäftigt und haben erkannt, dass das ein sehr fragwürdiges System ist. Wenn zum Beispiel jemand unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet wird, ist sowas natürlich nicht wieder gut zu machen. So haben wir angefangen, mit anderen Organisationen zusammen Ideen zu finden, um gegen die Todesstrafe vorzugehen. So ist die Idee für diesen Aktionstag entstanden.

domradio.de: Und was genau passiert da heute?

Leineweger: Wir haben alle Städte weltweit, wo Gemeinschaften von Sant Egilio tätig sind, aufgerufen, ein besonderes Monument zu beleuchten - möglichst auffällig - um auf dieses Thema aufmerksam zu machen und dann Veranstaltungen zu organisieren, die diese Problematik thematisieren und auch eine Sensibilisierung in der Gesellschaft anregen. Und das nicht nur in Ländern, die keine Todesstrafe haben, sondern auch in Ländern, die - wie etwa die USA - die Todesstrafe beibehalten. Dieser Tag ist ausgewählt worden, weil es der 30. November 1786 war, an dem das erste Land der Welt überhaupt die Todesstrafe abgeschafft hat. Das war das Großherzogtum Toscana.

domradio.de: Es gab ja schon Erfolge, zum Beispiel wurden in Kenia tausende Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt. Könnten da nicht auch andere Länder nachziehen, die USA beispielsweise?

Leineweger: Natürlich hoffen wir das und arbeiten auch dafür. Wir sind auch mit Politikern im Gespräch, zum Beispiel durch Kongresse für Justizminister, nicht nur aus den USA sondern vor allen Dingen aus Afrika. Auf diesen Kongressen beschäftigen wir uns mit der Frage: Wie kann ein Justizsystem vielleicht auch ohne Todesstrafe auskommen - und sogar besser auskommen? Denn das Argument, dass die Todesstrafe präventiv gegen Gewalt wirken würde, hat sich eigentlich als falsch erwiesen. Das sieht man in den USA. Die Gewaltrate in den USA ist sehr hoch, und die Todesstrafe hat diese Quote der Gewalt nicht gesenkt, sondern sogar erhöht.

Und so versuchen wir einfach weiter, Lobbyarbeit zu machen. Mittlerweile sind es praktisch 140 Länder, die die Todesstrafe de facto nicht mehr anwenden. Als wir begonnen haben waren es erst 90. Wir haben also eine deutliche Tendenz hin zur Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Das ist sicherlich ein Riesenerfolg auch dieser Kampagne.

domradio.de: Und dennoch: Immer, wenn schlimme Verbrechen geschehen, etwa ein Kind getötet wird, werden Forderungen nach der Einführung der Todestrafe laut - wenn auch nur zeitweilig. Wie kann man den Menschen in einer solchen Situation begreiflich machen, dass es nicht der richtige Weg ist?

Leineweger: Mich beeindruckt besonders das Zeugnis von Menschen, die Opfer von Gewaltverbrechen geworden sind - die zum Beispiel ein Kind verloren haben. Diese Menschen sagen: Wenn der Täter hingerichtet wird, macht das mein Kind nicht wieder lebendig. Das kann das Verbrechen nicht aufarbeiten. Das schafft nur noch einen weiteren Gewaltakt. Die eigentliche Lösung kann nur eine Arbeit am Täter sein, ihn zu verändern und zu verwandeln.

Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen - Auge um Auge - das ist kein christliches Prinzip. Wir sind eine christliche Gemeindschaft. Und Papst Franziskus hat auch dieses Jahr in einem Angelus gesagt, dass eigentlich die modernen Staaten viel mehr andere Möglichkeiten haben, gegen solche Verbrechen vorzugehen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR