Mehrere deutsche Friedhöfe erlauben Mensch-Tier-Bestattung

Tierliebe bis ins Grab

Die Kleinstadt Braubach machte es vor, die Weltmetropole New York zog nach: Dort können sich Menschen gemeinsam mit der Asche ihrer gestorbenen Haustiere begraben lassen. Experten erwarten einen Boom.

Autor/in:
Paula Konersmann
Ein Mustergrab für Tier und Mensch (Unser Hafen)
Ein Mustergrab für Tier und Mensch / ( Unser Hafen )

Für Dieter Wiese fällt Weihnachten aus. Vor einem Jahr, am 27. Dezember 2015, ist Angelika gestorben, seine Frau. Bis Weihnachten wollte sie es noch schaffen. Das war ihr Ziel nach der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Rasch begann das Ehepaar, nach einem Grab zu suchen. Im Radio hörte Angelika von einer neuen Anlage im rheinland-pfälzischen Braubach: "Unser Hafen" - dem ersten Friedhof, auf dem in Deutschland Mensch und Tier gemeinsam bestattet werden können.

Und der Trend breitet sich aus: 2015 wurden in Braubach und Essen die ersten Grabfelder für die Asche von Mensch und Tier eröffnet. Auch im niederrheinischen Grefrath sind solche Beisetzungen inzwischen erlaubt. Pläne für weitere Grabstätten dieser Art bestehen laut der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas in Hamburg, Pinneberg (Schleswig-Holstein), Forst (Brandenburg), Aschersleben (Sachsen-Anhalt) und Viersen (Nordrhein-Westfalen).

Marktlücke?

Auf dem Grabstein von Angelika Wiese stehen drei Namen: ihr eigener mit den Lebensdaten 1956-2015. Darunter Gatte Dieter, 1947 und ein Bindestrich in die Zukunft; und ganz unten: Nero, geboren 2007. Der schwarze Königspudel ist jede Woche dabei, wenn Dieter Wiese das Grab seiner Frau besucht, "bei Wind und Wetter". Vom Auto sause er sofort hierher, berichtet der Rentner und streichelt Nero über den Kopf. "Du verstehst das hier schon", sagt er zu seinem Hund: "Frauchen fehlt."

Langfristig sei zu erwarten, dass sich immer mehr Friedhöfe der Mensch-Tier-Bestattung öffnen, meint Aeternitas. Dies könne für Friedhöfe eine Chance sein, neue Zielgruppen zu erschließen. Laut einer Umfrage vom Frühjahr 2016 befürworten 49 Prozent der Bundesbürger gemeinsame Gräber für Mensch und Tier; 48 Prozent halten nichts davon.

Bestattungskultur im Wandel

Für Angelika und Dieter Wiese war die Entscheidung klar, nachdem sie ihre künftige Grabstelle besucht hatten. "Von ihr ist eine Last abgefallen", erinnert sich Judith Könsgen, Verwalterin von "Unser Hafen" in Braubach. Sie stammt aus einer Bestatterfamilie, die verschiedene Formen von Friedhöfen betreibt. Immer wieder hätten Menschen gefragt, ob nicht eine gemeinsame Bestattung mit dem Haustier möglich sei. "Die Bestattungskultur ändert sich", so Könsgen. "Wir versuchen, dafür ein Angebot zu schaffen."

Auch Tobias Pehle vom Verband für Gedenkkultur sieht in der gemeinsamen Ruhestätte ein Zeichen gesellschaftlichen Wandels - bewertet dies aber mit gemischten Gefühlen. "Die Menschen verlieren Bezugspunkte, die früher selbstverständlich waren." Er habe großes Verständnis, wenn Tiere als Weggefährten angesehen würden, an die "Herrchen" oder "Frauchen" würdig erinnern möchten, so Pehle. Ein gemeinsames Grab verwische aber die kulturellen Unterschiede zwischen Mensch und Tier.

Gewisse Grenzen bleiben gewahrt

Wo etwa religiöse Inhalte eins zu eins auf Tiere übertragen würden, entspreche das nicht der Menschenwürde, mahnt auch Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Der Theologe beobachtet aber auch, dass sich die Trauer beim Verlust eines Haustiers nicht wesentlich von der Trauer um einen Menschen unterscheide. Zudem sei Tierbestattung keine neumodische Erfindung: Schon die Kelten hätten ihre Pferde beigesetzt und der Preußenkönig Friedrich II. seine Hunde im Garten von Schloss Sanssouci begraben.

Es gehe ja gar nicht um eine Gleichstellung von Mensch und Tier, entgegnet Wilhelm Brandt von der Deutschen Friedhofsgesellschaft, zu der "Unser Hafen" gehört. Vielmehr solle die soziale Beziehung zwischen Mensch und Tier gewürdigt werden. Zudem sei ein Grab heute kein Statussymbol mehr, sondern solle dem Lebensstil des Verstorbenen entsprechen. "Ob einem die Vorstellung gefällt, dass auf der eigenen Beerdigung ein Rocksong läuft, dass bunte Luftballons zum Himmel steigen oder eben jemand gemeinsam mit dem Haustier bestattet wird - die Menschen sollten die Form finden, die ihnen hilft."

Zugleich achten die Betreiber darauf, bestimmte Grenzen zu wahren. So werden die Urnen von Herrchen/Frauchen und Haustier zwar im gleichen Grab beigesetzt; Überführung und Einäscherung erfolgen aber streng getrennt. Auch die Aussegnung von Hund oder Katze findet nicht bei der Trauerfeier für einen verstorbenen Menschen statt.

Und wenn das Tier den Halter überlebt?

Doch was ist, wenn das Tier die Halter überlebt? Diese Frage hört Könsgen häufig. Sinnvoll sei, sich frühzeitig bei Familie, Freunden oder auch Gnadenhöfen umzuhören, wer im Fall des Falles einspringen könnte. Rechtlich gesehen können Erben sogar verpflichtet werden, für ein Tier zu sorgen.

Dieter Wiese hat sich um diese Frage schon gekümmert. "Dann hat niemand mehr die Lauferei." Nero ist mit neun Jahren im reifen Hundealter, aber noch munter und aufgeweckt. Er und der eigene Garten halten Herrchen auf Trab. Früher waren sie zu dritt oft in Österreich, erzählt Wiese. Inzwischen darf er aber nicht mehr wandern: Vorhofflimmern. "Da würden eh nur Erinnerungen hochkommen", meint er. An die Vorstellung, dass das halbschattige Grab genau in der Mitte der Anlage eines Tages mal auch seines sein wird, hat er sich schon lange gewöhnt: "Genau dieses sollte es sein!"


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