Der vorgeburtliche Test fordert das Handeln des Gesetzgebers

"Rasterfahndung"

Pränataltests sorgen weiter für Debatten. Kassen und Ärzte fordern nun vom Bundestag, Grenzen und Bedingungen einer Anwendung zu bestimmen. Parlamentarier sehen parteiübergreifend Handlungsbedarf.

Autor/in:
Christoph Scholz
Schwangere Frau mit ihrem Mann (KNA)
Schwangere Frau mit ihrem Mann / ( KNA )

Das Parlament muss möglicherweise schon bald erneut über eine ethisch hoch brisante Frage entscheiden: den Umgang mit Pränataltests. Seit Jahren sorgt vor allem der Test auf Trisomien für Debatten. Anlass für die jüngste Auseinandersetzung war die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern (G-BA), zu prüfen, ob und wie der einfache Test statt einer invasiven Biopsie der Plazenta oder einer Fruchtwasseruntersuchung im Rahmen der Regelleistungen eingesetzt werden kann.

Parlamentarier aller im Bundestag vertretenen Parteien kritisierten in einem Schreiben an den G-BA die Einleitung des Prüfverfahrens als Schritt hin zur Übernahme des Tests als reguläre Kassenleistung. Paradoxerweise macht nicht zuletzt die einfache Handhabung den Test ethisch so heikel, dass der G-BA nun den Bundestag in einem Antwortschreiben aufforderte, Rahmenbedingungen zu setzen.

Diskussion um Praenatest

Mit dem seit 2012 von der Konstanzer Biotech-Firma LifeCodexx vertriebenen "Praenatest" reicht eine einfache Analyse des Blutes der Mutter, um das Risiko sogenannter autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 festzustellen. Er könnte damit die invasive Fruchtwasseruntersuchung ersetzen, die das Risiko einer Fehlgeburt birgt. Die Kosten liegen bei rund 500 Euro, mehrere private Krankenkassen übernehmen diese bereits. In Kombination mit dem Ultraschall zielt der Test vor allem auf das Erkennen eines Down-Syndroms.

Damit ist bei allem Fortschritt auch das Problem benannt: Nach Schätzungen führt die Diagnose Trisomie bei rund 90 Prozent aller Frauen in Deutschland zur Abtreibung. Der G-BA will den Test Risikoschwangerschaften vorbehalten. Er weist zugleich darauf hin, dass in absehbarer Zeit weitere molekular-genetische Testverfahren zur Verfügung stünden, die wie der Praenatest "fundamentale ethische Grundfragen unserer Werteordnung berühren" - die der G-BA "weder allein beantworten kann noch allein beantworten darf" - heißt es in einem Schreiben des Bundesausschusses. Er sieht deshalb den "Parlamentsgesetzgeber gefordert, hier Grenzen und Bedingungen zu definieren".

Parlamentarier sehen teilweise Grenze überschritten

Für einige Parlamentarier ist schon mit dem Praenatest die Grenze überschritten. "Er hat keinerlei medizinischen Nutzen, wie beispielsweise die bessere Versorgung von Mutter oder Kinder - aber Trisomien erscheinen als ein weiteres von vielen vermeidbaren 'Risiken'", beklagen sie.

Nach Einschätzung des Ethikexperten der Unionsfraktion, Hubert Hüppe (CDU), geht es bei den Tests "nur um Selektion". Er verstoße gegen das Gendiagnostikgesetz. Und für die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) steht die Routineuntersuchung "im Widerspruch zum Grundgesetz sowie zur Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen". Die Politikerin weist zudem darauf hin, dass eine "nicht unerhebliche Zahl der falsch-positiven Testergebnisse" zur Abtreibung unbelasteter Föten führe. Sie fürchtet bei einer Regelleistung um die gesellschaftliche Akzeptanz von unterschiedlichen Menschen.

Ethikrat warnt vor Selektion

Auch der Tübinger Moraltheologe und Mitglied des Ethikrates Franz-Joseph Bormann warnt vor Diskriminierung und Selektion infolge des Tests. Als Routineuntersuchung werde er Eltern "in einen gravierenden Entscheidungskonflikt über Leben und Tod stürzen" und die Einstellung der Bevölkerung zum Lebensrecht behinderter Menschen "weiter verschieben". Die Erwartungshaltung der Gesellschaft, aber auch der Mütter selbst, ein gesundes Kind zu Welt zu bringen, "wird weiter steigen", warnt Bormann.

Bormann erinnert auch daran, dass der Ethikrat 2013 in seiner Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik "neben Verbesserungen im Bereich der Aufklärung auch die Einführung eines über die Pflichtberatung nach Paragraf 218 hinausgehenden Schutzkonzeptes verlangt". Bislang sei davon nichts umgesetzt.

Seinerzeit hatten der katholische Weihbischof Anton Losinger und der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff als Mitglieder des Rates davor gewarnt, eine "Art Rasterfahndung" nach Anomalien durch die Kassenleistung zu finanzieren, die dazu führe, das damit belastete Menschen eliminiert werden.


Quelle:
KNA