Kurdischer Generalsekretär zum Demo-Sonntag

"Köln darf kein Schauplatz von Straßenschlachten sein"

Der Demo-Sonntag in Köln wird ohne die Kurdische Gemeinde Deutschlands statfinden. Ihr Generalsekretär, Cahit Başar, sieht die Integration im Land gefährdet.

Kurden demonstrieren / © Alexander Heinl (dpa)
Kurden demonstrieren / © Alexander Heinl ( dpa )

domradio.de: Eigentlich müsste man doch gegen so etwas auf  die Straße gehen, oder?

Cahit Başar (Generalsekretär der Kurdischen Gemeinde in Deutschland): Da haben Sie völlig Recht. Wer die Kurden kennt und ihre Situation verfolgt, der weiß, dass die Kurden durchaus ein demonstrationsfreudiges Völkchen sind und auch für ihre Rechte auf die Straße gehen. Was wir jetzt aber feststellen, ist, dass wir eine unglaublich aggressive und aufgeladene Stimmung in der türkischen Community haben und dass auch von den Erdoğan-Anhängern eine große, bisher nicht bekannte Aggression hervorgeht gegenüber politischen und ethnischen Gegnern. Wir möchten vermeiden, dass möglicherweise Köln zum Schauplatz eines Straßenkrieges oder von Straßenschlachten wird, die in dieser hoch emotionalisierten Situation mit offensichtlich ganz viel aufgestauter Wut und vielleicht sogar mit Aggression, die berechtigte Forderung der Kurden nach mehr Demokratie und mehr Freiheit in den Schatten stellen könnten.

domradio.de: Sehen Sie denn diese Gefahr, dass es bei der Demonstration am Sonntag wirklich gewalttätig werden könnte?

Cahit Başar: Wissen Sie, die Polarisierung, die in der Türkei im Moment die Gesellschaft in die Atome zerfallen lässt, überträgt sich nahezu eins zu eins in die verschiedenen Communities in Deutschland. Von Kiel bis zum Bodensee flimmern tagtäglich gleichgeschaltete Medien und Propagandamaterial in die türkischen Wohnzimmer und laden damit die Menschen ordentlich auf. Das, was am Wochenende in Köln oder noch an anderen Orten stattfinden wird, bedeutet letztendlich, dass wir unsere Integrationsbemühungen in diesem Land zu Grabe tragen. Denn Menschen geraten aufeinander, aufgrund von Ereignissen, die 3.000, 4.000 Kilometer von uns entfernt liegen.

domradio.de: Kann man denn in dem Zusammenhang die türkische Gemeinde in Deutschland - also die Türken hierzulande - gleichsetzen mit den Erdoğan-Anhängern, oder ist das noch einmal eine andere, radikalisierte Gruppe, die in Köln am Sonntag auf die Straße geht?

Cahit Başar: Das ist auf jeden Fall eine radikalisierte Gruppe. Ich würde sie auch mit einer großen kurdischen Gegendemonstration nicht aufwerten wollen. Es leben viele friedliche Menschen hier in dieser Gesellschaft und haben ein großes Interesse, dass hier alle friedlich und respektvoll miteinander umgehen und auch gemeinsam zusammen leben können. Deutschland bietet uns allen die Chance dazu, dass wir aufeinander zugehen und vielleicht hier ein Zusammenleben demonstrieren können, wie es in anderen Staaten - in diesem Fall in der Türkei - offensichtlich derzeit nicht möglich ist.

Ich bedaure es wirklich sehr, dass Menschen zu Tausenden vergiftet und angesteckt werden mit den Vorurteilen und dass sie politisch instrumentalisiert werden und nicht wahrnehmen, dass es gerade hier in Deutschland, doch eigentlich möglich sein müsste, friedlich zu sein, dialogbereit aufeinander zuzugehen, gemeinsam auch Unterschiede zu diskutieren und diese Unterschiede vielleicht auch ein Stück weit zu respektieren.

Stattdessen überträgt sich die Aggression, die wir aus den türkischen Medien kennen, diese aggressive Stimmung, hierhin in Form von Drohgebärden, in einer sehr martialischen und verrohten Sprache, in konkreten Bedrohungen gegenüber Erdoğangegnern oder Kritikern, sodass sich Menschen entweder kaum noch auf die Straße trauen, dass sie kaum noch vor die Kamera treten und etwas sagen wollen, weil sie einfach Angst vor Repressalien haben. Wenn nicht in Deutschland, dann zumindest für ihre Familien in der Türkei. Und das kann nicht sein.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Cahit Basar / © Thalia Engel (dpa)
Cahit Basar / © Thalia Engel ( dpa )
Quelle:
DR