Prostituiertenschutzgesetz im Bundestag

Umstrittener Schutz

Deutschland gilt als Bordell Europas, nachdem die Sittenwidrigkeit der Prostitution 2002 per Gesetz aufgehoben wurde. Der Bundestag will nun neue Regeln für das Gewerbe verabschieden. Hilfsorganisationen kritisieren die Regelungen. 

Autor/in:
Christoph Scholz
Kampf gegen Zwangsprostitution (dpa)
Kampf gegen Zwangsprostitution / ( dpa )

Die Regelungen sollen das 2002 eingeführte Prostitutionsgesetz ergänzen. Seinerzeit hob die rot-grüne Bundesregierung die Sittenwidrigkeit der Prostitution auf. Dies sollte die Rechte der Prostituierten stärken. Allerdings setzte die Entkriminalisierung die Frauen schutzlos den Gesetzen des freien Marktes aus, inklusive Billigangeboten wie Flatrate-Sex.

Aufgrund des Wohlstandsgefälles stieg die Armutsprostitution vor allem aus Osteuropa. Deutschland erwarb sich den zweifelhaften Titel "Bordell Europas". Nach konservativen Schätzungen sind 200.000 Prostituierte in Deutschland tätig.

Anforderungen an Prostituierte umstritten

Das neue Gesetz soll nun das Gewerbe regeln und den Schutz der Prostituierten verbessern. Demnach braucht der Bordell-Betreiber künftig eine Erlaubnispflicht - vom "Wellnesscenter" bis zum Wohnwagen oder zur Wohnungsprostitution - und er muss Mindestanforderungen erfüllen. Dies betrifft das Personal, das Konzept, die Hygiene und die Sicherheit. Ferner hat er ein eingeschränktes Weisungsrecht, etwa über Art und Ausmaß der Dienstleistung.

Besonders umstritten unter den Koalitionspartnern waren Anforderungen an die Prostituierten. Das Geschäft mit dem Sex selbst bleibt erlaubt. Prostituierte müssen aber ihre Tätigkeit anmelden. Sie erhalten zum Persönlichkeitsschutz einen Alias-Namen. Die Erlaubnis muss alle zwei Jahre verlängert werden. Voraussetzung sind jeweils eine gesundheitliche Beratung und Informationen etwa über die Risiken der Tätigkeit. Unter 21-Jährige müssen ihre Erlaubnis jährlich verlängern und halbjährlich zur Gesundheitsberatung.

Ferner gilt eine Kondompflicht. Vergehen können hoch bestraft werden. Die Regelung ist umstritten, weil sie schwer zu überprüfen ist. Prostituierte erhoffen sich davon eine größere Selbstbestimmung. Außerdem will die Regierung Angebote wie "Flatrate-Sex" verbieten.

CDU-Reformbestrebungen scheiterten

Ein weiteres Gesetz aus dem Justizministerium gegen Menschenhandel erweitert die Straftatbestände der Zwangsprostitution und Zwangsarbeit. Ein Freier, der um die Zwangslage von Opfern weiß und dies ausnutzt, macht sich strafbar. Erstattet er aber Anzeige, bleibt er straffrei. Künftig soll es für den Tatnachweis nicht mehr auf die Opferaussage ankommen. Daran waren bislang viele Verfahren gescheitert.

Die CDU strebte eine Reform der Tatbestände der Zuhälterei sowie der Ausbeutung von Prostituierten an. Damit konnte sie sich aber ebenso wenig durchsetzen wie mit der Forderung nach einer Anhebung der Schutzaltersgrenze auf 21 Jahren und verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen. Auch ein Verbot der Prostitution für Schwangere scheiterte.

Union für weitergehende Regulierung

Somit trägt das Prostituiertenschutzgesetz alle Züge eines Kompromisses. Die maßgeblichen SPD-Politiker wollten nur eine Ergänzung des Prostitutionsgesetzes von 2002, um eine möglichst risikofreie Berufsausübung zu ermöglichen. Wie die Grünen und die Linkspartei sehen sie in der Prostitution einen Ausdruck selbstbestimmter Sexualität; allerdings rechtfertigten selbst Politiker der Linken die Prostitution auch mit sozialer Bedürftigkeit. So wurde fast jede einschränkende Regulierung mit dem Vorwurf der Diskriminierung oder Stigmatisierung zurückgewiesen. Eine Argumentation, die - ob gewollt oder nicht - der milliardenschweren Prostitutions- und Porno-Industrie entgegenkommt.

Die Union trat hingegen für eine weitergehende Regulierung ein. Für sie steht vor allem der staatliche Schutzauftrag gegenüber den Armuts- und Elendsprostituierten im Fokus. Die Sprecherin der Frauen-Gruppe in der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), warf dem Koalitionspartner in den "Stuttgarter Nachrichten" (Donnerstag) vor, er haben sich von den Lobbygruppen des Sexgewerbers beeinflussen lassen. 

Maag sagte, die SPD komme "vom Modell der sogenannten freien Sexarbeiterinnen - das ist aber nicht das Leitbild, das der Prostitution in Deutschland entspricht." Prostitution sei "inzwischen zu 95 Prozent Armuts- und Zwangsprostitution". Der Union gehe um den Schutz der Betroffenen.

Dem Schutzafutrag nicht gerecht

Nach Auffassung von Hilfsorganisation für Frauen in Not wie "Solwodi" oder "Sisters" wird die Regelung dem Schutzauftrag nicht gerecht. Für Schwester Lea Ackermann, Gründerin von Solwodi, wird das Gesetz "kaum etwas an den skandalösen Zuständen in der Prostitution ändern". Es diene vor allem der Sexindustrie, sagte Ackermann der Katholischen Nachrichten-Agentur. Der Vorstand von "Sisters", Sabine Constabel, sagte auf Anfrage, ihre Hoffnung auf eine wesentliche Besserung der Zuständen habe sich zerschlagen.

Nach Einschätzung von Constabel haben "der Druck und die Marketingsrategien der millionenschweren Prostitutionslobby dazu geführt, dass in Deutschland die sexuelle Benutzung vor allem von Frauen durch Männer weiterhin staatlich geschützt bleibt." Sie beklagte, dass das Weisungsrecht "den Ausbeutern direkt in die Hände spielt".


Quelle:
KNA