Umstrittenes Gerichtsurteil

Männliche Küken dürfen weiter getötet werden

Ist das millionenfache Töten von männlichen Küken notwendig? Nach Ansicht der Agrar-Industrie ja. In Münster fiel am Freitag ein bundesweit beachtetes Urteil.

Schlüpfende Küken / © Harald Oppitz (KNA)
Schlüpfende Küken / © Harald Oppitz ( KNA )

Das Töten männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen verstößt nicht gegen das Tierschutzgesetz. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster am Freitag entschieden und damit mehrere Urteile von Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen gegen einen Erlass der rot-grünen Landesregierung bestätigt.

Das Tierschutzgesetz erlaube das Töten von Tieren, wenn dafür ein vernünftiger Grund vorliege, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken sei für die Brütereien mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden und deshalb keine Alternative. Revision ließ das OVG nicht zu. Gegen diese Entscheidung kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

"Niederlage für den Tierschutz"

NRW-Umweltminister Johannes Remmel nannte das Urteil "eine herbe Niederlage für den Tierschutz in Deutschland". Tiere seien keine Abfallprodukte, die nur wegen der Gewinnmaximierung getötet werden dürfen, sagte er am Freitag in Düsseldorf. Das Urteil habe "nur rein formaljuristische Gründe" und sei damit "keineswegs Freibrief für die Praktiken der Geflügelwirtschaft".

Auch die Mehrheit der Länder habe im Bundesrat für ein Verbot dieser Praxis gestimmt. Die NRW-Regierung werde die Anrufung der nächsthöheren Instanz prüfen. "Politisch werden wir die Auseinandersetzung bis zu einem gesetzlichen Verbot aber fortsetzen", kündigte Remmel an.

"Weiter für den Tierschutz kämpfen"

Auch Tierrechtsorganisationen zeigten sich von dem Urteil enttäuscht. Die Stiftung "Vier Pfoten" forderte in Münster, die Etablierung von "Zweinutzungshühnern" voranzutreiben, die sich bei niedrigerer Leistung zur Eierproduktion wie auch zur Mast eigneten. Zu begrüßen wäre der zunehmende Verzicht auf tierische Produkte. Ähnlich hatte sich Rainer Hagencord vom Institut für theologische Zoologie in Münster geäußert. Billig-Eier zu kaufen sei unchristlich, sagte er im Interview mit domradio.de.

Die Tierrechtsorganisation PETA erklärte in Stuttgart, rein wirtschaftliche Gründe reichten nicht aus, um eine Tiertötung zu rechtfertigen. Doch werde nun endlich der längst überfällige gesellschaftliche Diskurs zu dieser wichtigen Problematik geführt. Politik und Gesetzgeber seien in der Pflicht, dem massenhaften Töten gesunder und lebensfähiger Wesen endlich Einhalt zu gebieten.

Der Deutsche Tierschutzbund kritisierte das Urteil: "Der Tierschutz unterliegt wirtschaftlichen Interessen. Das ist angesichts eines Staatsziels Tierschutz nicht hinnehmbar. Wir können den nordrhein-westfälischen Minister Johannes Remmel nur ermuntern, weiter zu kämpfen", sagte der Präsident der Organisation, Thomas Schröder, laut Mitteilung. 

Urteil mit Signalwirkung

Remmel wollte das Töten aus rein wirtschaftlichen Gründen 2013 per Erlass unterbinden. Dagegen zogen elf betroffene Brütereien vor die Verwaltungsgerichte. Die Bundesregierung lehnt ein Verbot ab und setzt auf eine technische Lösung, die 2017 marktreif sein soll. Dabei wird bereits vor dem Schlüpfen erkannt, welches Geschlecht der Embryo hat.

Das Urteil aus Nordrhein-Westfalen hat für die Branche Signalwirkung, auch wenn nur 5,4 Prozent aller in Deutschland ausgebrüteten Küken in NRW schlüpfen. Zwölf von bundesweit 30 Betrieben sind in NRW ansässig. Sie sind in der Regel aber deutlich kleiner als die Brüter in anderen Bundesländern.


Quelle:
dpa