Katholische Arbeitnehmer kämpfen gegen Handelsabkommen mit Kanada

"Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen"

TTIP, das Freihandelsabkommen von EU und USA, wird derzeit heftig diskutiert - das kanadische Pendant CETA ist dagegen bereits ausverhandelt. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung will jetzt in Bayern ein Volksbegehren gegen das Vertragswerk anstoßen.

Demonstration gegen CETA-Abkommen / © Thomas Frey (dpa)
Demonstration gegen CETA-Abkommen / © Thomas Frey ( dpa )

KNA: Herr Ziegler, das "Comprehensive Economic and Trade Agreement"-Volksbegehren wurde Ende April gestartet. Wer gehört zu den Unterstützern?

Peter Ziegler (Diözesansekretär der Katholische Arbeitnehmer-Bewegung in Augsburg): Im Trägerkreis ist neben der KAB noch "Mehr Demokratie", der Bund Naturschutz, Campact und das Umweltinstitut München - alles Organisationen, die sich in der Vergangenheit schon immer mit kritischen Anmerkungen zum Thema Freihandel zu Wort gemeldet haben. Momentan bauen wir Unterstützerkreise auf, sprechen Gewerkschaften, Umweltbewegungen, Sozialverbände und auch Parteien an.

KNA: Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen TTIP und CETA?

Ziegler: In der KAB haben wir uns erst mit TTIP beschäftigt, um Gefahren und Chancen abzuwägen. Dabei stießen wir auf Vorläufer und Nachläufer. CETA kann als Blaupause für TTIP verstanden werden, viele der Kröten, etwa beim Investitionsschutz, sind auch hier enthalten. Im Unterschied zu TTIP ist CETA ja bereits ausverhandelt, der Vertrag liegt schriftlich vor. Die EU-Kommission entscheidet voraussichtlich im Juni, ob das Abkommen nur vom Europaparlament bestätigt werden muss oder ob alle Einzelstaaten zustimmen müssen, damit auch Bundestag und Bundesrat.

Das wäre ein sogenanntes gemischtes Verfahren. Wir sind der festen Überzeugung, dass von CETA originäre Zuständigkeiten der Staaten betroffen sind, bis in die Kommunen hinein. So kam es zu der Überlegung, ein Volksbegehren zu starten - denn wenn die Mehrheit der Bundesländer das Abkommen ablehnt, wäre es vom Tisch.

KNA: Aus den TTIP-Verhandlungen sind vor kurzem Details bekanntgeworden. Sind Ihre Bedenken größer oder kleiner geworden?

Ziegler: Einer der großen Kritikpunkte war bei TTIP ja immer, dass das hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Dann entstehen Gerüchte, man stellt sich das Schlimmste vor. Jetzt wissen wir wenigstens, was verhandelt wird. Was auf den 240 Seiten Papier steht, die jetzt veröffentlicht wurden, erstaunt mich nicht. Es bestätigt viele Erwartungen. Die Amerikaner wollen Lebensmittel, die dort aufgrund anderer Standards billiger produziert werden, in den europäischen Markt bringen. Die Europäer streben an, dass ihre Automobilindustrie in die USA exportieren kann, ohne große neuerliche Qualitätskriterien erfüllen zu müssen.

KNA: Ist das bei CETA ähnlich?

Ziegler: Nein, die Handelsräume sind andere. Der Markt ist wesentlich kleiner, damit natürlich auch die Signalwirkung. Trotzdem sind die Inhalte, die dahinterstecken, ähnlich. Kanada hat zum Beispiel auch viele internationale Arbeitnehmerstandards nicht anerkannt. Von daher besteht die Gefahr, ob etwa unsere höheren Standards zum Handelshemmnis deklariert werden.

KNA: Was sind die spezifisch kirchlichen Bedenken gegen CETA?

Ziegler: Wir beziehen uns auf die katholische Soziallehre. Sie macht deutlich, dass es stets um den Menschen gehen muss. Er ist Urheber, Mittelpunkt und Ziel allen Wirtschaftens. Papst Franziskus hat im Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen von einem "neuen Kolonialismus" gesprochen, in dem der Gürtel der Armen und der Arbeiter enger geschnallt werde und die Staaten verlören. Das ist für uns Motivation genug zu sagen: Wir möchten den sozialethischen Aspekt in die Diskussion einbringen und die Soziallehre der Kirche zu Gehör bringen.

KNA: Die evangelische Kirche ist bei der Initiative bisher nicht dabei. Gibt es in diesen Fragen keinen ökumenischen Konsens?

Ziegler: Das kann man so nicht sagen. Auch Teile der evangelischen Kirche engagieren sich. Bei der bayerischen Landessynode in Ansbach gab es mehrere Anträge zu dem Thema, Haushaltsmittel wurden zur Verfügung gestellt. Mit unseren Partnerorganisationen, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, stimmen wir uns eng über das Vorgehen ab.

KNA: Fühlen Sie sich von der Kirchenspitze ausreichend unterstützt?

Ziegler: Es gibt zu den neuen Freihandelsabkommen eine Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz. Sie ist sehr differenziert und arbeitet genau heraus, welche Kriterien erfüllt werden müssten, damit TTIP uns in eine gute Zukunft führt. Auch die ethischen und politischen Anforderungen werden klar definiert. Es gibt noch keine klare katholische Haltung zu TTIP und CETA. Ich gehe aber davon aus, dass die Kirche beim momentanen Verhandlungsstand gerade mit Blick auf Sozial- und Umweltstandards sagt: Nein, so können wir diesen Abkommen nicht zustimmen, da gehen wir nicht mit. Aber bei der Kirche gibt es offensichtlich noch das Prinzip Hoffnung. Meine Einschätzung dazu: Kein Bischof wird sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt an die Spitze des Protests stellen.

KNA: Wie geht es mit dem Volksbegehren weiter?

Ziegler: Das ist von den äußeren Rahmenbedingungen vorgegeben. Wenn sich die EU für ein gemischtes Verfahren entscheidet, könnten wir anfangen, die für die Einreichung des Volksbegehrens notwendigen 25.000 Unterschriften zu sammeln. Am 16. Juli soll es einen großen Aktionstag geben. Beim Volksbegehren selbst müssen innerhalb von zwei Wochen 900.000 Bürger zu den Kommunalverwaltungen gehen und sich eintragen.

KNA: Sollte das CETA-Volksbegehren erfolgreich sein, könnte der nächste Schritt TTIP selbst sein?

Ziegler: Aktuell denken wir noch nicht so weit. Bei TTIP glaube ich, dass das Verfahren tot ist, wenn es in diesem Jahr nicht zu substanziellen Übereinkünften kommt. Bevor wir aber über ein weiteres Volksbegehren reden, müssen wir sehen, wie uns die Mobilisierung für das CETA-Verfahren gelingt: Wie viele springen auf, wie viele unterstützen uns, wie viele gehen uns zur Hand?

Das Interview führte Bernd Buchner.


Quelle:
KNA