In "Voices of Violence" erzählen Frauen von ihrem Leid im Kongo

Nichts für schwache Nerven

Misshandlung, Missbrauch, Mord - was vielen Frauen im Kongo von Rebellen angetan wurde, ist kaum in Worte zu fassen. Eindringlich, schwer erträglich und doch sehenswert sind ihre Erzählungen in "Voices of Violence".

Autor/in:
Heidi Strobel
Frauen im Kongo / © mindjazz pictures
Frauen im Kongo / © mindjazz pictures

Sie kamen nachts, als Nakatya mit ihren Kindern allein zu Hause im Schlaf lag, und brachen gewaltsam in ihre Hütte ein. Mit vorgehaltenem Gewehr wurde sie gefügig gemacht, gefesselt und ins Freie geschleift. Mit harten Gesten unterstreicht die junge Frau in ihrer Hütte die unerträglichen Erinnerungen, die auch dem Zuschauer von "Voices of Violence" (ab 10. März im Kino) eine Menge zumuten.

Gezielte sexuelle Gewalt gegen Frauen

Im kongolesischen Bürgerkrieg wurde sexuelle Gewalt gegen Frauen gezielt eingesetzt. Damit sollte das Leben der Frauen zerstört werden. Bis heute fürchten sich viele vor Übergriffen der Rebellen, wenn sie sich nach Sonnenuntergang noch auf die Straße wagen.

Die Dokumentarfilmerin Claudia Schmid hat in den Dörfern der kongolesischen Provinz Süd-Kivu Frauen aufgesucht, um mit ihnen über ihre brutalen Erlebnisse - darunter Kannibalismus, erzwungene Tötung anderer Gefangener oder erzwungener Inzest - zu sprechen und den psychischen und sozialen Folgen nachzuspüren.

Frauen, die von Rebellen vergewaltigt wurden, werden von ihren Ehemännern oft als "Hutu-Frauen" verstoßen und damit ins soziale Abseits gedrängt. Mit der Sozialarbeiterin Therese Mema und der katholischen Menschenrechtsinitiative "Justice and Peace" gibt es inzwischen auch Hilfe zur Selbsthilfe - unter anderem unterstützt vom katholischen Hilfswerk missio aus Deutschland.

Wunsch nach Gerechtigkeit

Nakatya ist eine von denen, die bereit waren, von ihrem unermesslichen Leid zu berichten. Die Protagonistinnen hoffen, dass es auf diese Weise gehört und öffentlich bestätigt wird. Sie wollen endlich Gerechtigkeit, indem die Täter bestraft werden.

Die Regisseurin ihrerseits will herausfinden, wie die Strukturen der Gewalt funktionieren. Dafür hat sie die Form eines persönlichen Berichts gewählt und lässt die Frauen aus der Ich-Perspektive erzählen mittels Voice-Over. Sie führt die Ohnmacht der Frauen auf die patriarchalischen Geschlechterverhältnisse zurück, welche das Land bis tief in seine Institutionen hinein prägen.

Ihr Film nimmt seinen Ausgang bei den erschütternden Schilderungen der Frauen, um in einem zweiten Schritt die Stellung der Geschlechter unter die Lupe zu nehmen. Dazu werden zwei Offiziere befragt, die auch Regierungssoldaten, Priester und Lehrer als Täter benennen. Sie verweisen zwar auf die strengen Gesetze, doch nur die wenigsten Frauen trauen sich, diese in Anspruch zu nehmen.

Frauen gelten als Besitz ihrer Männer

Wie begrenzt der weibliche Spielraum ist und welche religions- und traditionsgestützten Rollenbilder dominieren, erfährt die Filmemacherin auf der Straße. Frauen gelten als Besitz ihrer Männer, denen sie sich zu unterwerfen haben.

Die große Kraft des eindringlichen und sehenswerten Films resultiert aus den Interviews. Die Regisseurin schafft einen geschützten Bildraum, in dem die Frauen ihre schrecklichen Erinnerungen preisgeben können. Die Konzentration liegt dabei ganz auf den erzählenden Frauen. Mit ihrer bunten Kleidung heben sie sich von den meist braunen Wandflächen oder der natürlichen Umgebung ab, werden aber zugleich davon auch gehalten.

In dieser Spannung von langsamem Rhythmus und innerer Bewegtheit spiegelt sich das Leben der Protagonistinnen. Im Kontrast dazu steht die Situation von Frauen in einem UN-Flüchtlingscamp. Einstellungen von gedrängten Plastikzelten, eingerissenen Planen, Erdbrocken und schrottreifen Sanitäranlagen verweisen bildsprachlich auf die fehlende Sicherheit. Deshalb will eine Frau das Interview auch nur mit einem schützenden Tuch über dem Kopf führen. Wer den Film sieht, hat sofort Verständnis für diese Vorsichtsmaßnahme.


Regisseurin Claudia Schmid / © mindjazz pictures
Regisseurin Claudia Schmid / © mindjazz pictures
Quelle:
KNA