Diskussion um Suizidbeihilfe vor Bundestagsentscheidung

"Man muss im Sterben helfen, aber nicht zum Tod verhelfen"

Kurz vor der Bundestagsabstimmung zur Suizidbeihilfe diskutieren Vertreter von Kirche und Poltitik über den Sinn einer gesetzlichen Regelung. Am Freitag stimmt der Bundestag über vier Gesetzentwürfe zum Thema ab.

Sterbebegleitung (dpa)
Sterbebegleitung / ( dpa )

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen, hält eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe für unnötig. Die Abgeordneten sollten es "bei der Straflosigkeit der Beihilfe zu einem frei verantwortlichen Suizid belassen", sagte sie dem Magazin "Focus".

"Ich finde, man sollte es so lassen, wie es ist", sagte die frühere Bundesjustizministerin und Schirmherrin des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, Herta Däubler-Gmelin, dem Südwestrundfunk (SWR). Es gehe um eine "Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und um bessere Information der Bürger darüber, was heute rechtlich zulässig ist". Däubler-Gmelin forderte, es müsse sichergestellt sein, «dass kein Geschäft daraus gemacht werden kann».

Druck auf Sterbenskranke

Ähnlich äußerte sich der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Er forderte in der "Welt am Sonntag" ein Verbot des "geschäftsmäßigen Sterbens". Menschen beim Sterben zu helfen bedeute: "Zeit haben, zuhören, reden, Handhalten, Leiden lindern." Viele Menschen täten das vorbildlich - Familien, aber auch die Mitarbeiter in der Hospiz- und Palliativbewegung.

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann warnte vor einem wachsenden Druck auf Sterbenskranke. Wer die Hilfe zur Selbstötung zu einem normalen Angebot mache, setze schwerstkranke Menschen möglicherweise unter Druck, der Gemeinschaft nicht mehr zur Last zu fallen, sagte der Mainzer Bischof im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Hospizidee muss gefördert werden

Lehmann forderte ein Verbot jeder organisierten Beihilfe zur Selbsttötung. Eine geschäftsmäßige und wiederholte Tötung müsse angesichts der "heute durchaus gegebenen Vermarktung der Selbstmordbeihilfe" unbedingt verboten werden. Die bisherige Regelung reiche nicht aus. "Hier entscheiden sich der Sinn und die Richtung der jetzigen Gesetzgebungsmaßnahme", so der Bischof. Die Gesetzgebung müsse zugleich "von einer viel größeren Förderung der Hospizidee in allen Einrichtungen und gewiss auch der Palliativmedizin" begleitet werden.

Der Kardinal kritisierte eine Überbetonung des Selbstbestimmungsrecht: Es sei "in unserer Gesellschaft von einem fast unbegrenzten Freiheitspathos aufgeladen". Der Mensch sei aber auch "endlich, kreatürlich, ohnmächtig und angewiesen auf solidarische Hilfe". Es sei kein Makel, "wenn man sich in einer Krankheit - auch und gerade wenn sie zum Tode geht - helfen lassen muss". Das Menschenbild dürfe dies nicht verschleiern. "Man muss im Sterben helfen, aber nicht zum Tod verhelfen", so Lehmann. 

Chance nutzen

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße warnte vor einer Legalisierung des assistierten Suizids. Als Christ lehne er sowohl die organisierte kommerzielle Sterbehilfe als auch die ärztlich assistierte Selbsttötung ab, sagte er am Freitagabend in Hamburg. Stattdessen brauche es einen noch viel stärkeren Ausbau des Palliativ- und Hospizwesens.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur: "Seit zehn Jahren diskutieren Bundestag und Bundesrat darüber, Sterbehelfern Grenzen zu setzen. Jetzt muss der Bundestag die Chance nutzen, den Tod aus den Gelben Seiten zu stoppen. Die organisierte Suizidbeihilfe ist nicht die Fortführung der humanen Sterbebegleitung."

Bundestag entscheidet am Freitag

An diesem Donnerstag befasst sich der Bundestag zunächst mit den geplanten Verbesserungen für Palliativmedizin und Hospizversorgung. Dieses in seinem Grundanliegen zwischen den Bundestagsfraktionen nicht umstrittene Gesetz soll zum neuen Jahr in Kraft treten. Am Freitag stimmt das Parlament dann über die Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe ab. Die Bandbreite reicht von einem grundsätzlichen Verbot der Beihilfe bis hin zu Sonderregelungen für Ärzte, die die ausdrückliche Erlaubnis erhalten sollen, bei Suiziden mithelfen zu dürfen.

Die meisten Chancen werden dem Gesetzentwurf von Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD) und Elisabeth Scharfenberg (Grüne) eingeräumt. Er will die kommerzielle "gewerbsmäßige" Suizidbeihilfe und auch jede auf Wiederholung angelegte «geschäftsmäßige» Suizidbeihilfe unter Strafe stellen. Die Beihilfe zur Selbsttötung im Einzelfall soll demgegenüber wie bisher grundsätzlich straffrei bleiben. Am Freitag war bekanntgeworden, dass Vizekanzler Sigmar Gabriel den Gesetzesantrag der Abgeordneten um Brand und Griese schon unterzeichnet habe. Das hatte Griese auf Anfrage bestätigt. Merkel will den Antrag laut dem Magazin "Focus" am Dienstag formal unterzeichnen.


Quelle:
KNA