Ärzte und Kirchenvertreter bekräftigen Ablehnung von Suizidhilfe

"Würdevolle Begleitung statt schneller Tod"

Vertreter der Ärzte und der Kirche haben ihre Ablehnung von ärztlicher Suizidbeihilfe bekräftigt. Am Lebensende müsse es darum gehen, Betroffenen Schmerzen zu nehmen und sie nicht allein zu lassen, sagte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.

Palliativmedizin in Deutschland (dpa)
Palliativmedizin in Deutschland / ( dpa )

"Die Gesellschaft lieber darüber nachdenken, wie sie Menschen würdevoll auf ihrem letzten Weg begleitet, statt einen schnellen und selbst herbeigeführten Tod am Lebensende zu ermöglichen", erklärte Kardinal Woelki in Köln. Die Caritas NRW hatte unter dem Titel "Leben und Sterben in Würde und Selbstbestimmung" zu einem Akademietag eingeladen. Woelki sagte weiter, zudem dürfe man Schwerkranken nicht das Gefühl geben, eine Last zu sein.

Diözesan-Caritasdirektor Frank-Johannes Hensel nannte den christlichen Standpunkt in der Diskussion um Sterbehilfe einen sehr tragenden. "Was die Menschen vermissen, ist die Überwindung der Angst vor Schmerz und Einsamkeit", sagte Hensel. Die Christen hätten auf diese Fragen eine Antwort – die Zuwendung von Mensch zu Mensch und die Zuwendung von Gott.

"An den wirklichen Problemen vorbei"

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Lukas Radbruch, erklärte, die Debatte über die Beihilfe zum Suizid gehe an den wirklichen Problemen der Patienten vorbei. Bei einer guten Palliativmedizin und hospizlichen Betreuung äußerten nur noch wenige Sterbenskranke einen Wunsch nach Suizid.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff rief dazu auf, das Nein der Ärzte zum assistierten Suizid zu respektieren. Wenn dieser als legale Möglichkeit anerkannt würde, bedeute dies nicht nur eine Handlungsmöglichkeit mehr. Vielmehr drohe die Gefahr, dass aus einer Option für den Extremfall der Normalfall werde, so der stellvertretende Vorsitzende im Deutschen Ethikrat. Schwerkranke würden unter den subtilen Zwang gesetzt, etwa mit Rücksicht auf Angehörige von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.

Selbstverpflichtung seit 3.000 Jahren

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte in Köln das entsprechende Verbot in der Berufsordnung der Mediziner. "Der Arzt darf nicht töten." Seit 3.000 Jahren hätten sich die Mediziner dazu verpflichtet, sich nicht an Selbsttötungen zu beteiligen. Oberstes Gebot sei es stets gewesen, das Leben zu erhalten. Die große Mehrheit der Ärzteschaft lehne Suizidbeihilfe ab, so Montgomery.

Zwar plädierten in Umfragen 70 Prozent der Bevölkerung für Euthanasie, doch weniger als 10 Prozent wollten sie für sich selbst in Anspruch nehmen. Dies müsse Anlass dazu geben, Alternativen anzubieten. Wenn Suizidbeihilfe zu einer Aufgabe des Arztes gemacht werde, dann habe das Konsequenzen für Lehre, Forschung, Weiterbildung oder Haftpflichtversicherung. Montgomery bekräftigte die Forderung nach einem Verbot von Sterbehilfeorganisationen, wie es der jüngste Gesetzentwurf um den CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Brand vorsieht. Die Bundesregierung habe ein klares Signal gesendet, indem sie zunächst die materielle Ausstattung der Hospizversorgung regeln will und sich danach mit ethischen Fragen beschäftige. „Das ist der richtig Weg“, sagte Montgomery.

Brysch: "Zwei-Klassen-Sterben"

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, befürchtet jedoch, dass diese Pläne der Bundesregierung Betroffene in Pflegeheimen schlechter stellen als Sterbenskranke in Hospizen und auf Palliativstationen in Krankenhäusern. Seine Stiftung warb am Donnerstag in Berlin für mehr Unterstützung Sterbender in Pflegeheimen. Die Versorgung müsse schnell verbessert werden. Sterbende in Pflegeheimen sollten am Ende ihres Lebens ebenso gut betreut werden wie Sterbende in einem stationären Hospiz, sagte Brysch: "Es gibt derzeit ein Zwei-Klassen Sterben."

Brysch zeigte sich irritiert über die derzeit geführte Debatte um die Sterbehilfe. "Es geht vielmehr darum, dass Sterbenlassen zu organisieren und weniger um die strafrechtliche Dimension", sagte Brysch. Die Menschen bräuchten jeden Tag Hilfen. Darum müsste man sich verstärkt kümmern. Die Stiftung fordert mehr Unterstützung für Sterbende in Pflegeheimen. Dazu gehört vor allem mehr Personal mit einer zusätzlichen Palliative-Care-Ausbildung. Brysch rechnet mit Mehrkosten in Höhe von 728 Millionen Euro.

Thema im Bundestag umstritten

Der Bundestag plant eine Regelung der Sterbehilfe noch in dieser Legislaturperiode. In Deutschland ist die Tötung auf Verlangen verboten. Der Suizid ist aber ebenso straffrei wie die Beihilfe dazu. Allerdings lehnt die ärztliche Berufsordnung Suizidbeihilfe ab. Eine erste fraktionsübergreifende Parlamentariergruppe um Michael Brand (CDU) Kerstin Griese (SPD) hatte am Dienstag einen Entwurf vorgestellt, wonach die „geschäftsmäßige“, das heißt auf Wiederholung angelegte Hilfe beim Suizid unter Strafe gestellt werden soll.

Eine weitere Abgeordnetengruppe um Renate Künast (Grüne) und Kai Gehring (Linke) plädiert in ihrem Entwurf dafür, dass die Suizidhilfe grundsätzlich straflos bleibt, sofern sie einer erwachsenen, freiverantwortlich handelnden Person nach eingehender Beratung gewährt wird. Bestehende Unsicherheiten für Ärzte sollen beseitigt und für die organisierte Suizidhilfe durch Sterbehilfevereine klare Verfahrensregeln festgelegt werden. Ein Verbot wollen die Abgeordneten lediglich für die kommerzielle, also die sogenannten gewerbsmäßige Suizidhilfe und die Werbung dafür.


Quelle:
DR , KNA