Bruder Paulus über Manager auf der Anklagebank

Für eine neue Wirtschaftsethik

Ackermann, Middelhoff, Fitschen: Selbst auf der Anklagebank machen viele Topmanager noch einen arroganten Eindruck. Der Moraltheologe Bruder Paulus Terwitte versucht, diesem Verhalten auf den Grund zu gehen.

Bruder Paulus / © privat
Bruder Paulus / © privat

domradio.de: Deutsche Bank Chef Jürgen Fitschen weigerte sich mit den Staatsanwälten zu sprechen. Er redet nur mit dem Richter. Was steckt für eine Haltung hinter diesem Verhalten?

Bruder Paulus: Das sind Menschen, die haben Verantwortung  gehabt oder haben noch Verantwortung in ihren Unternehmen. Da geht es nicht um Mitmenschlichkeit, wir sind ja hier nicht bei einer Gruppensitzung oder einer Freizeitveranstaltung. Hier geht es um Recht und Gerechtigkeit und vor allen Dingen geht es um sehr viel Geld. Und es geht auch um das Ansehen der Bank und da natürlich auch wieder um Geld. Wenn eine Bank an Ansehen verliert, bekommt sie auch weniger Geld. Alles in allem geht es also darum, möglichst viel Gewinn zu machen, und das ist ein eiserner Kampf. Da ist dann wenig von Recht und Gerechtigkeit und schon gar nicht von Moral die Rede.

domradio.de: Der normale Bürger empfindet so manches Managergebahren als ziemlich abgehoben.

Bruder Paulus: Es ist richtig und gut, dass auch die Großen jetzt zur Rechenschaft gezogen werden. Es gibt ja im Volk durchaus die Meinung, die Kleinen würden gehängt, und die Großen lasse man laufen. Dass jetzt auch die Großen vor Gericht erscheinen müssen, ist ein positives Zeichen. Wir sehen an dieser Stelle, dass tatsächlich im wirtschaftlichen Leben soviel auf Vorschrift, Gerechtigkeit und Gesetz geschaut wird, dass der Einzelne vergisst, sich zu fragen, ob dieses oder jenes zwar gesetzlich  vielleicht noch gerade Erlaubte auch moralisch in Ordnung ist. Nun werden wir sehen, ob die Manager bereit sind, zu lernen, dass die Gesetze eben nicht alles hergeben und dass durchaus ihre Ethik gefragt war. Ob sie einsehen, dass sie vielleicht zu wenig hingeschaut haben.

domradio.de: Verfügen denn Top-Manager über die Allmacht, die sie anscheinend gerne hätten?

Bruder Paulus: Gerade Menschen, die in Unternehmen tätig sind, die ihnen nicht gehören, wo es keine persönliche Verantwortung gibt, wo aber der Druck der Aktionäre ständig da ist, bei denen kann es schon sein, dass sie abheben und das Maximale an Mitteln einfordern. Dann ist man auch noch in der obersten Etage und fühlt sich nahe am lieben Gott. Aber man lässt ihn nicht so richtig in die Karten schauen, und dann kommt es zu Extravaganzen, die zu Dingen führen, die Manager im Privatleben wahrscheinlich gar nicht tun würden. Alles in allem ist meine Erfahrung aber: Wenn man mit diesen Leuten spricht, die Verantwortung tragen, merkt man, dass sie im Großen und Ganzen durchaus wissen, wie dünn das Eis ist, auf dem sie sich bewegen mit ihren Millionen, die sie da hin und herschieben.

domradio.de: Sie haben Kontakte in die Wirtschaft. Gibt es ein Bemühen um Bodenhaftung?

Bruder Paulus: Wenn ich mit Managern ins Gespräch komme, sehe ich durchaus, dass sie unter der Zwickmühle leiden, in der sie sich befinden. Alle wollen den größtmöglichen Gewinn, der durch sie erzielt wird. Der VW-Chef hat drei Milliarden Euro Gewinn geschaffen für VW! Und auch sein Einkommen ist exorbitant hoch. Diese Manager fragen sich dann auch durchaus, wo sie ihr Herz hinhängen dürfen, ob sie auch Schwäche zeigen dürfen und Fehler eingestehen. Ich merke aber, dass Unternehmen immer mehr bereit dazu sind, die Kultur zu ändern. Denn wenn Fehler nur verdeckt und vertuscht werden müssen, weil man nur den erfolgreichen Menschen sehen will, dann öffnet man den Missetaten Tür und Tor. Erst da wo, Fehler gemacht und auch zugegeben werden dürfen, wo Schwäche gezeigt werden darf, da kann ein Unternehmen auch stark werden. Da gilt das biblische Wort: "Da wo ich schwach bin, da werde ich stark." Nur wo ich Fehler benennen darf, können sie auch ausgemerzt werden.

domradio.de: Sind abgehobene Manager ein deutsches und europäisches Phänomen?

Bruder Paulus: Solche Manager werden überall auf der Welt hervorgebracht, wo sie mit höchsten Geldern jonglieren müssen. Und sich dann einen ziemlich abgehobenen Lebenswandel aneignen. Andererseits wird dann auch der Ruf nach Menschlichkeit immer lauter. Nicht umsonst haben Klöster heute ja tatsächlich viele Menschen zu Gast, die nicht mehr können und einfach mal einen Monat Auszeit brauchen, um zu merken, dass sie keine Computer sind. Dass sie ein Mitarbeiter sind und kein einsamer Wolf auf einer Etage. Da haben wir als Kirche eine hohe Verantwortung, die wir zum Beispiel im Bund katholischer Unternehmer und in der katholischen Arbeitnehmerbewegung auch wahrnehmen. Wir entwickeln als Kirche Ideen, wie wir Managern klarmachen können, dass sie den Menschen zu dienen haben mit der ganzen Wirtschaft. Dass sie die Wirtschaft nicht so zurichten dürfen, dass wir Menschen am Ende der Wirtschaft dienen.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR