Abgeordnete warnen vor Selektion durch Down-Syndrom-Bluttest

"Es droht ein Routine-Check"

Der Umgang mit dem Pränataltest auf das Down-Syndrom stößt im Bundestag auf Kritik. Die Abgeordneten befürchten, dass der Test zur Massenuntersuchung und damit zur systematischen Selektion von Menschen mit Down-Syndrom führt.

Autor/in:
Christoph Scholz
Trisomie-Bluttest (dpa)
Trisomie-Bluttest / ( dpa )

In seltener Einmütigkeit hatten sich 158 Abgeordnete aller Fraktionen, ein Viertel des Parlaments, in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gewandt, um sich über Zahlen, Studien und ethischen Rahmenbedingungen des Tests zu erkundigen.

Die am Dienstag in Berlin veröffentlichte Antwort der Regierung war für die Parlamentarier offenbar ernüchternd. Sie beklagten "elementare Erkenntnisdefizite und mangelnde Beobachtungsmöglichkeiten der alltäglichen pränataldiagnostischen Praxis" - kurz: Es liegen kaum Zahlen vor. Die Sorge der Abgeordneten: Der Pränataltest könnte zu einer Massenuntersuchung und damit zur systematischen Selektion von Menschen mit Down-Syndrom führen.

"Es droht ein Routine-Check"

Seit drei Jahren können Schwangere in Deutschland mit einer einfachen Blutuntersuchung feststellen, ob ihr Kind möglicherweise mit einem Down-Syndrom leben wird. "Schon heute wird vorgeburtlich selektiert", mahnt die Grünen-Politikerin Corinna Rüffer. "Aber mit diesem Bluttest gehen wir einen Schritt weiter: Es droht ein Routine-Check."

Die Antwort der Bundesregierung scheint die Sorge nicht zu beschwichtigen. Im Gegenteil, die Abgeordnete der Links-Fraktion, Kathrin Vogler, sieht die Notwendigkeit, "weitere parlamentarische Initiativen auf den Weg zu bringen". In Dänemark wird seit 2005 allen Schwangeren ein Down-Syndrom-Test angeboten. Schon im Folgejahr nahmen vier von fünf Frauen das Angebot wahr. Die Zahl der geborenen Kinder mit Trisomie 21 halbierte sich. Für Deutschland gibt es keinerlei vergleichbare Daten. "Wir brauchen aber belastbare Zahlen und Berichtspflichten", bekräftigt Vogler, "um Fehlentwicklungen zu verhindern".

Regierung vertraut auf Gendiagnostikgesetz

Die Bundesregierung vertraut laut Antwort vor allem auf das Gendiagnostikgesetz. Der Test unterliege "vollumfänglich" dieser Regelung. Demnach darf nur ein qualifizierter Arzt den Test nach Beratung über Risiken und Konsequenzen vornehmen. Der Schwangeren muss Bedenkzeit eingeräumt werden und sie kann ihn ablehnen.

"Kontrolliert wird das allerdings nicht", kritisiert der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe.

Derzeit bieten gut zwei Dutzend Kassen im Einzelfall eine Übernahme der Kosten. Der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen prüft nun eine generelle Zulassung. Dabei will er auch den Ethikrat hinzuziehen. Die Vorsitzende des Rates, Christiane Woopen, hatte auf die hohe Fehlerquote der Tests hingewiesen, die zu Frühabtreibungen führe. Angesichts der Tatsache, dass der Bundesausschuss üblicherweise nur nach Sachgesichtspunkten entscheidet, spricht sich die Grünen-Politikerin Rüffer dafür aus, eine Ethik-Kommission beim Ausschuss einzurichten, "um sicherzustellen, dass ethische Fragen bei der Einführung von Medizinprodukten berücksichtigt werden".

Für Hüppe wäre die allgemeine Kostenübernahme durch die Kassen "ein Schritt auf den Weg zum Routine-Check". Dies würde den Druck auf Frauen erhöhen, das Angebot zu nutzen. "Eltern die sich wissentlich für ein behindertes Kind entscheiden, werden künftig immer mehr in Erklärungsnöte geraten", mutmaßt der CDU-Politiker. Für ihn ist der Test "der Einstieg in Kinder nach Maß".

Entwicklung des Tests mit Steuergeldern gefördert

Sorgen bereitet den Parlamentariern auch die Möglichkeit der Geschlechtsbestimmung. Das ist zwar verboten, wird aber bislang weder kontrolliert noch sanktioniert. Auf scharfe Kritik stieß schließlich die Tatsache, dass die Entwicklung des Tests vom Bundesforschungsministerium mit Steuergeldern gefördert wurde - unter der Vorgabe künftiger Vermarktung. "Damit wird der Hersteller geradezu animiert, für eine hohe Verbreitung zu sorgen", so Hüppe.

Für ihn hat der Test "klar selektiven Charakter, denn Trisomie 21 lässt sich nicht therapieren".

Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt verweist darauf, dass "Menschen mit Down-Syndrom nicht glücklicher oder unglücklicher als andere Menschen sind". Sie litten nicht unter ihrem Gendefekt, sondern darunter, nicht angemessen und respektvoll behandelt zu werden. "Mit Gentests wie dem auf Trisomie 21 senden wir ein Signal gerade auch an Menschen mit Behinderung, kein gleichwertiger Teil unserer Gesellschaft zu sein."


Quelle:
KNA