Tierschützer sorgen sich um Küken und Co.

Rohe Ostern

"Ich wollt' ich wär ein Huhn, ich hätt' nicht viel zu tun" – von wegen: In modernen Betrieben legen Hochleistungshennen 293 Eier im Jahr. Und die Begleitumstände der Produktion sind alles andere als appetitlich.

Autor/in:
Joachim Heinz
Besser als in Legebatterien?! – Hennen im Freilandbetrieb  (dpa)
Besser als in Legebatterien?! – Hennen im Freilandbetrieb / ( dpa )

Das nennt man einen gelungenen Fall von Agenda-Setting. Kurz vor Ostern sorgte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), sonst ein Mann der eher leisen Töne, für laute Debatten. Mit einem Baustein seiner in der "Bild"-Zeitung angekündigten "Tierwohl-Offensive" hat er der Vorfreude auf das Fest eine empfindliche Delle verpasst. Es geht ausnahmsweise nicht um die Wurst, sondern ums Ei, wobei die industrielle Nahrungsmittelproduktion in beiden Fällen dafür sorgt, dass mitfühlenden Konsumenten das Essen im Hals stecken bleibt.

11,5 Milliarden gelegte Eier im Jahr

Gerade erst hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden einen Teil des Problems in Zahlen gefasst: Demnach legten im vergangenen Jahr die 39,5 Millionen Legehennen in Deutschlands Großbetrieben insgesamt 11,5 Milliarden Eier. Um den Hunger des gemeinen Bundesbürger auf Omelette, Nudeln, Kuchen und, ja, auch Ostereier zu stillen, braucht es weiterhin viele Hennen, aber nur wenige Hähne. Und genau dort setzt der Plan des Ministers an.

Derzeit nämlich werden jährlich bis zu 50 Millionen männliche Eintagsküken vergast und geschreddert, weil sie später keine Eier legen können. Forscher haben nun Verfahren entwickelt, mit denen schon im Ei erkannt werden soll, ob sich daraus ein männliches oder weibliches Küken entwickelt. So will man verhindern, dass die männlichen Küken heranreifen und schlüpfen.

2017: Schluss mit Kükenschreddern?

"Ab Ende 2016 sollen die ersten 'tötungsfreien' Bruteier auf den Markt kommen", erklärte Schmidt. "Mein Ziel ist es, dass das Kükenschreddern 2017 aufhört, aber dazu muss die Wirtschaft mithelfen." Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) wirft Schmidt vor, die Rechnung ohne den Wirt gemacht zu haben. Denn die Betriebe, so schildert die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstag) Remmels Erfahrungen, sind alles andere als hilfsbereit.

Remmel wollte bereits Ende 2013 die Massentötung männlicher Küken stoppen. Doch die Betriebe klagten gegen das Verbot - und gewannen.

Erst müsse das Tierschutzrecht geändert werden, hieß es damals. Die Osterbotschaft lautet in diesem Fall: Schmidts "Tierwohl-Initiative" braucht außer den Erkenntnissen der Forschung auch eine gesetzliche Verankerung.

Theologe Hagencord kritisiert Umgang mit Nutztieren

Dem Münsteraner Theologen und Tierschützer Rainer Hagencord geht die ganze Debatte indes nicht weit genug. Es müsse sich etwas am generellen Umgang mit Tieren ändern, sagte der Leiter des Instituts für Theologische Zoologie (ITZ) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Fleisch- und Pharmaindustrie fahre Milliardengewinne auf Kosten der Tiere, der Umwelt und der Gesundheit ein.

Womit es an der Zeit wäre, ein weiteres Oster-Idyll zu zerstören - zumindest wenn es nach dem Bundesverband der Tierversuchsgegner in Aachen geht. Der ernannte jetzt das Kaninchen zum "Versuchstier des Jahres". Jedes Jahr stürben über 95.000 der Kleinsäuger in deutschen Laboren. Den Kollegen in freier Wildbahn ergeht es nach Auskunft des Bonner Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wenig besser. Der Feldhase, sozusagen das natürliche Pendant des Osterhasen, steht in Deutschland auf der Roten Liste.

Schokohase mit bitterem Beigeschmack

Zwei Faktoren seien dafür verantwortlich, dass es so schlecht um Lepus europaeus stehe, sagt BfN-Präsidentin Beate Jessel: "der Verlust an Lebensraum und die weiter zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft" - mithin ein weiteres Mal der Mensch. Immerhin: Wenigstens das Überleben des Schoko-Osterhasen scheint gesichert.

Rund 213 Millionen Tiere produzierte die deutsche Süßwarenindustrie in diesem Jahr - ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Doch auch das Naschwerk hat seine dunklen Seiten, berichtet die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" in ihrer aktuellen Ausgabe. Der Schokoladenmarkt sei einer der härtesten der Welt. Die meisten Arbeiter auf den Kakaoplantagen bekommen die daraus resultierenden Gewinne so selten zu Gesicht wie unsereiner den Eier versteckenden Osterhasen. Zurück zu Schmidt: "Wir machen uns zu wenig Gedanken über unser Essen", sagte der Minister im vergangenen Jahr in einem KNA-Interview. Es wäre an der Zeit, das sich was dreht in diesen Tagen.

 


Quelle:
KNA