Interview zu Papst und Kindererziehung

"Auch der Klaps auf den Hintern ist Missbrauch"

Papst Franziskus hat sich zur Züchtigung von Kindern geäußert und damit für eine Kontroverse gesorgt. Gudrun Sailer, Redakteurin bei Radio Vatikan, vermutet im domradio.de-Gespräch, dass Franziskus die Äußerungen zurechtrücken wird.

Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

domradio.de: Der Papst findet es okay, wenn Eltern ihre Kinder schlagen. Kann man das so stehen lassen?

Gudrun Sailer (Redakteurin Radio Vatikan): Das kommt auf den Kulturkreis an, denke ich. Der Papst ist keiner, der seine Worte auf die Goldwaage legt. Und er kommt aus einem nichteuropäischen Kulturkreis. Ich denke, in Europa hat seine Aussage in weiten Kreisen keine Gültigkeit. 

domradio.de: Franziskus macht häufiger flapsige Bemerkungen. Das Gefühl von vielen sagt: Dieses Mal ist er zu weit gegangen. Würden Sie das auch so sehen?

Sailer: Man muss darüber diskutieren. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er einen Satz dahin sagt und man sich fragt, ob ihm eigentlich bewusst ist, dass das in den Medien der Welt aufgegriffen wird. Und ob ihm bewusst ist, dass das auch gegen die katholische Kirche verwendet werden kann, die ja so etwas auf keinen Fall lehrt.

Wir haben seit einigen Jahren die Missbrauchsdebatte, nicht zuletzt dank Franziskus in allen Ortskirchen der Welt. Und das ist gut so. Bei Missbrauch geht es ja nicht nur um den sexuellen Missbrauch, sondern auch der Klaps auf den Hintern ist eine Form von Missbrauch. Das müsste eigentlich auch der Papst so sehen. 

domradio.de: Wenn wir das ganze einordnen wollen: In welchem Zusammenhang hat Franziskus das gesagt?

Sailer: Er hat es bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch gesagt. Er macht gerade einen Katechesenreihe zum Thema Familie. Und in diesen Wochen spricht er über die Rolle des Vaters in der Familie. Dabei fielen die Sätze. (Wortlaut siehe links, Anm. d. Red.) Aus diesem Verständnis spricht das Alte Testament, wo es heißt: 'Wo ist der Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?' Man muss auch bedenken, dass das ein Verständnis ist, das auch in Europa bis in die letzten 20 Jahre hinein Geltung gehabt hat - aber eben heute nicht mehr. Wir sehen hier eine wirkliche Weiterentwicklung in der Kinderpsychologie. Das, was der Papst am Mittwoch gesagt hat, entspricht heute nicht mehr unserem Verständnis. 

domradio.de: Nun gibt es für Katholiken so etwas wie die Unfehlbarkeit des Papstes. Gilt das in diesem Fall ebenso?

Sailer: Unfehlbar spricht der Papst nur, wenn er sich hinstellt und sagt: 'Ich gebe jetzt eine Erklärung im Rahmen der Unfehlbarkeit.' Das ist schon sehr lange nicht passiert. Natürlich ist er nicht unfehlbar und ich bin sehr dankbar darüber, dass das jetzt diskutiert wird. Ich wäre froh, wenn das im Rahmen der Ortskirchen, im Rahmen der Bischofskonferenzen aufgegriffen wird. Wenn man sich wirklich zusammensetzt und darüber diskutiert, wie stehen die katholischen Ortskirchen zu Fragen der körperlichen Züchtigung. Klar ist, dass in verschiedenen Ortskirchen diese Antwort verschieden ausfallen wird. 

domradio.de: Meinen Sie, der Papst wird diese Bemerkung noch einmal korrigieren? 

Sailer: Das Schlimme ist ja, dass Eltern, die ihre Kinder regelmäßig züchtigen, jetzt einen Vorwand haben, das zu rechtfertigen. Ich denke, dass der Papst möglicherweise tatsächlich darauf zurückkommt. Ich erinnere mich an den letzten Fall, den Vergleich mit den Karnickeln. Der Papst hat zweimal danach das Wort dazu ergriffen oder ergreifen lassen und sich dafür entschuldigt. Das wurde nur nicht mehr so richtig zur Kenntnis genommen. Und den Karnickel-Vergleich konnte man ja auch noch ins Lustige wenden. Das, was er am Mittwoch über die Züchtigung gesagt hat, kann man nicht ins Lustige drehen. Ich glaube deshalb, dass er es noch einmal aufgreifen und zurechtrücken wird.

 

Das Interview führte Christian Schlegel.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR