Jung: Assistierter Suizid widerspricht Verfassungsauftrag

"Sterben an der Hand"

Vor der Debatte zur Sterbehilfe spricht sich Ex-Minister Jung gegen einen assistierten Suizid aus. Nicht ein "Sterben von der Hand", sondern ein "Sterben an der Hand" sollte die Botschaft sein, so Jung im domradio.

Franz Josef Jung (dpa)
Franz Josef Jung / ( dpa )

domradio.de: Gestorben wird auf dieser Erde seit vielen Jahren -auch aus freier Entscheidung, auch mit der Hilfe Anderer. Warum muss jetzt neu diskutiert werden, wie man damit umgeht, wenn ein Mensch nicht mehr leben will und bei der Beendigung seines Lebens auch Hilfe Dritter in Anspruch nehmen möchte?

Franz Josef Jung (religions-/ kirchenpolitischen Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, ehemaliger Verteidigungsminister): Ich denke, es ist schon richtig, wenn wir uns mit diesem Thema grundsätzlich auseinandersetzen. Denn wir beobachten, dass hier gewerbsmäßig Vereine aktiv sind, dass hier teilweise geschäftsmäßig organisierte Sterbehilfe erfolgt. Ich finde, wir haben einen klaren Verfassungsauftrag im Grundgesetz: nämlich die Würde des Menschen zu achten. Sie ist unantastbar und deshalb ist aus meiner Sicht, ein gewerbsmäßiges oder organisiertes Vorgehen von Sterbehilfevereinen nicht zulässig.

domradio.de: Das ist auch eine Position, die auch ihr Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer formuliert hat. "Man sollte nicht mit dem Tod anderer Menschen Geld verdienen", sagt er. Ist diese Position denn strittig unter den Diskutanten?

Jung: Ich denke, da gibt es eine breite Übereinstimmung, dass die große Mehrheit des deutschen Bundestages das auch so sieht, dass hier eine derartige gewerbsmäßige Sterbehilfe eindeutig vom Gesetzgeber untersagt werden muss.

domradio.de: Ihre Unions-Kollegen Brand, Lücking-Michel und Frieser haben ein Positionspapier vorgelegt, in dem nehmen sie unter anderem Bezug auf die Rolle der Ärzte. Welche Handlungsoptionen darf ein Arzt haben, wenn er von einem Schwerkranken, vielleicht sogar Unheilbarkranken mit dem Wunsch konfrontiert wird, sein Leben zu beenden. Wie stehen Sie dazu? Sie sind ja auch Redner in der Bundestagsdebatte.

Jung: Ich denke, wir müssen auch in der Debatte deutlich machen, welche Möglichkeiten es jetzt schon gibt, dass die Menschen in Würde sterben können. Es ist viel zu wenig bewusst, was beispielsweise über das Thema Patientenverfügung möglich ist, was beispielsweise über die Frage der entsprechenden Hilfe, Schmerzlinderung - man nennt das Palliativmedizin - möglich ist. Bis zu dem Thema, dass Schmerzen gelindert werden können, auch wenn gegebenenfalls dadurch ein früherer Tod eintritt. Das sind alles Punkte, die aus meiner Sicht überhaupt nicht im öffentlichen Bewusstsein sind. Wir haben jetzt gerade beschlossen, die Palliativmedizin auch weiter auszubauen, das gilt sowohl ambulant als auch stationär. Ich denke, ein Sterben in Würde ist der richtige Weg und nicht im Grunde genommen 'Sterben von der Hand' sondern 'Sterben an der Hand', das sollte die Botschaft sein im deutschen Bundestag.

domradio.de: Sie haben den Ausbau der Palliativmedizin angesprochen. Was ist das für eine Veränderung, die sie planen?

Jung: Wir planen sehr konkret, dass die stationäre und ambulante Palliativmedizin weiter ausgebaut wird, dass Menschen, die sich in einer solchen Situation befinden, entsprechende Schmerzlinderung durch einen Arzt erfahren. Niemand soll mehr in Deutschland sterben müssen unter entsprechenden schlimmen Schmerzen. Das ist im Grunde genommen das Ziel und dem soll jetzt der Ausbau auch und gerade der Palliativmedizin gelten.

domradio.de: Das ist die Perspektive der Patienten. Die Ärzte müssen natürlich auch wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. An welcher Stelle haben Sie da Diskussionsbedarf?

Jung: Ich denke, wir müssen deutlich machen, dass der sogenannte assistierte Suizid, dass die Hilfe eines Arztes zum Sterben nicht zulässig ist und dass es auch nicht notwendig ist! Jeder kann in Deutschland - das muss die Voraussetzung sein - in Würde sterben. Das ist glaube ich der Punkt, den wir auch in der Debatte deutlich machen müssen. Es ist viel zu wenig im Bewusstsein der Menschen, in welcher Art und Weise heute geholfen werden kann, dass man in Würde sterben kann und dass es nicht notwendig ist, hier den assistierten Suizid, so wie es beispielsweise Peter Hintze vorschlägt, einzuführen. Das führt aus meiner Sicht zur Tötung auf Verlangen. Das ist auch heute schon unter Strafe gestellt.

domradio.de: Sie deuten es an, auch innerhalb der Union gibt es dazu natürlich verschiedene Positionen, Positionspapiere auch. Das heißt DIE christliche Perspektive existiert zur Sterbehilfe-Frage eigentlich nicht, oder?

Jung: Gut, es gibt natürlich immer eine entsprechende Diskussion, gerade wenn es um ein solch wichtiges ethisches Thema geht. Ich finde nur, wir haben da einen klaren Verfassungsauftrag. In unserem Artikel 1 steht 'Die Würde des Menschen ist unantastbar' und Artikel 2 formuliert, dass jeder ein Recht auf Leben hat und dass es unversehrt sein muss. Das sind die Punkte, die wir gerade als Parlamentarier in einer solchen Debatte berücksichtigen müssen. Ich finde die Vorschläge, die hier einen assistierten Suizid beinhalten, dass sie gerade im Gegensatz stehen, zu diesem Verfassungsauftrag.

Das Interview führte Daniel Hauser.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR