Ärztepräsident beharrt auf striktem Verbot der Sterbehilfe

"Wir möchten nicht die Profis für den Tod sein"

Nach dem Sommer will der Bundestag die Debatte über ein Verbot von Sterbehilfevereinen beginnen. Erste Stimmen werden laut, statt Geschäftemachern Ärzten die Hilfe zum Suizid zu erlauben. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, widerspricht vehement.

 (DR)

epd: Herr Montgomery, Sie haben Sterbehilfe in der Vergangenheit immer abgelehnt. Dabei bleibt es?

Frank Ulrich Montgomery: Ja. Und hinter mir steht die überwältigende Mehrheit des Ärztetages 2011 in Kiel, der damals entschieden hat, ein Verbot des ärztlich assistierten Suizid in die Musterberufsordnung aufzunehmen.

epd: Nun gibt es Forderungen nach einer Zulassung des ärztlich assistierten Suizids unter anderem von Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) und der SPD-Politikerin Carola Reimann. Was halten Sie davon?

Montgomery: Gar nichts. Es öffnet die Debatte weit über das hinaus, was anfangs von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagen wurde: Ein Verbot organisierter Sterbehilfe in Form von Vereinen. Das finde ich richtig. Hierbei aber das Kind mit dem Bade auszuschütten mit der Forderung, Ärzte sollen beim Suizid helfen, eröffnet ein ganz anderes Thema. Ich würde die Debatten gern deutlich voneinander trennen.

epd: Wenn doch aber die Frage, ob Suizidbeihilfe in irgendeiner Form möglich sein kann, zu der Frage führt, wer es am besten machen kann und dann der Ruf nach den Profis laut wird: Kann man die Debatten dann überhaupt trennen?

Montgomery: Wir möchten nicht die Profis für den Tod sein. Wir sind die Profis für das Leben. In Deutschland ist die Tötung auf Verlangen durch Paragraf 216 Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten. Auch die aktive Euthanasie ist klar verboten. Wir möchten jetzt nicht den klinisch sauberen, qualitätsgesicherten Tod auf Wunsch einzelner Menschen vermitteln. Wir setzen auf Aufklärung, auf ein würdevolles Sterben mit Schmerztherapie in Kliniken und Hospizen. Wir sind nicht Techniker des Todes, sondern Helfer zum Leben.

epd: Kann Sterbehilfe für einen Arzt, der einen unter unheilbarer Krankheit und Schmerzen leidenden Patienten vor sich hat, nie ein Weg des Helfens sein?

Montgomery: Das ist kein Weg der Hilfe, weil wir wissen, dass die Hilfe in der palliativen Medizin mit guter Schmerztherapie oder der Hospizmedizin besteht. Der schnelle Exit erscheint als der einfache, bequeme Weg, aber er ist kein würdiges Sterben.

epd: Bislang verbietet über die Musterberufsordnung das Standesrecht Ärzten die Beihilfe zum Suizid. Es gibt Kollegen wie den Arzt Uwe-Christian Arnold, die ihre Auffassung nicht teilen. Kommt Ihnen die Forderung der Union nach einer Verschärfung des Strafrechts auch für Ärzte da nicht gelegen?

Montgomery: Nein, denn es gibt folgendes Dilemma: Bei der palliativen Sedierung, die gewollt ist, reizt man schmerzlindernde Medikamente bis zu einer Stufe aus, wo auch ein Risiko besteht, dass sie lebensverkürzend wirken. Das ist eine schwierige Gratwanderung für die Ärzte. Würden wir jetzt über das Berufsrecht hinaus gehen, bestünde die Gefahr, dass wir die Palliativmedizin in den Bereich des Strafrechts rücken. Wir würden dann riskieren, dass der Mut zu einer intensiven Schmerztherapie und einer intensiven palliativen Sedierung wieder sinken würde. Daher glaube ich, dass das Standesrecht hier ausreicht. Es gibt keinen Grund für eine strafrechtliche Regulierung.

epd: Mitunter werden die unterschiedlichen Formulierungen in den Ordnungen der Landesärztekammern so ausgelegt, als wäre der assistierte Suizid in einigen Ländern möglich. Ist das richtig?

Montgomery: Nein. Das ist eine gewollte Überinterpretation derjenigen, die das anders sehen wollen. Zehn Ärztekammern, darunter die größten, haben klar die Formulierung der Musterberufsordnung übernommen. In zwei Berufsordnungen sind die Wörter "darf nicht" durch "soll nicht" ersetzt worden. An der Intention, des Ärztetages wird in keiner Ärztekammer gerüttelt.

epd: Wäre es nicht trotzdem sinnvoll, dies einheitlich zu gestalten? Werden Sie sich dafür einsetzen?

Montgomery: Wir werden keine Initiative anstoßen, weil es keinen substanziellen Unterschied in den Zielen der Berufsordnungen gibt.

epd: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sorgte für Schlagzeilen, weil er in einem Interview seiner an Brustkrebs erkrankten Frau versprach, sie auf dem Weg zu Sterbehelfern zu begleiten, wenn Sie das als letzten Ausweg sieht - entgegen seiner theologischen Auffassung. Ist das für Sie menschlich nachvollziehbar?

Montgomery: Ich schätze und respektiere Nikolaus Schneider sehr. Man muss die persönliche, von intensiver Liebe geprägte Beziehung zu seiner Frau in Relation setzen zu der dem evangelischen Theologen aufgelegten Beziehung zu Gott. Das ist Sache des Ehepaars Schneider. Eines möchte ich aber sagen: Der gute Weg ist nicht immer der schnelle Weg raus.

Das Interview führte Corinna Buschow.


Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths
Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths