Berlin plant ein dauerhaftes Museum mit plastinierten Leichen

"Die 'Körperwelten'-Ausstellung gehört beerdigt"

Seit Jahren stellt der Plastinator Gunther von Hagens Leichen in seiner Wanderausstellung aus. Jetzt soll es ein "Körperwelten"-Museum in Berlin geben. Der dortige Beauftragte für Kunst und Kultur, Pater Georg Maria Roers, findet das geschmacklos.

Ausgestellte Leichen (dpa)
Ausgestellte Leichen / ( dpa )

domradio.de: Ihr evangelischer Kollege, Bischof Markus Dröge, nennt die Ausstellung einen würdelosen Umgang mit den Toten. Wie sehen Sie das?

Roers: Ja, ich sehe das genauso und finde, dass müsste man noch viel heftiger sagen: Es ist ja eine Zurschaustellung eines Menschen, der nun das Zeitliche gesegnet hat. Die 15 Minuten Berühmtheit von Andy Warhol, die sollten ja eigentlich nur gelten in Bezug auf Menschen, die noch leben. Also, ich finde das ziemlich entsetzlich und ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass man zum Fernsehturm raufgeht, unten vor Leichen steht und dann oben im Restaurant essen geht. Das ist schlicht und ergreifend unappetitlich.

domradio.de: Nun muss man ja bedenken, 14 000 Spender haben sich für das so genannte Körperspendeprogramm vormerken lassen. Also: Analog zur Organspende stellt man seinen Körper nach dem Tod vollständig für die Ausstellung zur Verfügung. Die Menschen lassen sich freiwillig registrieren. Von Störung der Totenruhe kann ja keine Rede sein.

Roers: Zunächst einmal, bei der Organspende helfe ich anderen Menschen, das ist ja nun was vollkommen anderes. Ich glaube, das Problem ist hier, dass die Menschen einfach nicht verstehen können, dass wir eben nur Gast auf Erden sind, um es mit einem schönen Kirchenlied zu sagen. Dass über den Tod hinaus man glaubt, hier im Rampenlicht stehen zu können, ist für mich eine absurde Vorstellung. Ich kann das nicht nachvollziehen. Und wenn so viele Menschen das machen, finde ich das einfach absurd. Ich muss es ganz deutlich so sagen. Die Totenruhe ist tatsächlich dazu da, dass man die Toten verehrt, so wie das in den Kirchen ja auch der Fall ist, oder auf Friedhöfen. Aber eine Verehrung kann ja da gar nicht stattfinden. Man macht ja eine Sensation daraus und die Sensationsslust wird befriedigt.

domradio.de: Auf der anderen Seite: Wenn Sie sagen, wir sind nur Gast auf Erden, muss man aber auch bedenken, dass es ja Katholiken seit Urzeiten so machen, dass sie Tote konservieren, in barocken Kirchen ausstellen, sage ich mal etwas plakativ. Da ist doch auch was dran, oder?

Roers: Wenn wir zum Beispiel im Kölner Dom die Heiligen Drei Könige nehmen, dann ist da eine Botschaft mit verbunden. Das ist also eine christliche Verehrung, die da stattfindet und sich darauf bezieht, dass diese Menschen etwas Besonderes im Reich Gottes getan haben. Das ist einfach, meiner Ansicht nach, nicht zu vergleichen, weil es einen größeren Kontext hat, der hier gar nicht vorhanden ist. Es geht ja hier angeblich darum, die Wissenschaft voranzubringen, zu fördern. Kein Arzt würde das irgendwie bestätigen können.

domradio.de: Körperwelten gibt es seit 19 Jahren. Man kann ja von der Ausstellung halten, was man will, sie ist ein Besuchermagnet. Weltweit haben 40 Millionen Menschen die plastinierten Leichen gesehen. Wäre das nicht auch ein finanzieller Gewinn für Berlin?

Roers: Wir können das jetzt natürlich wieder unter pekuniären Aspekten betrachten, auch das finde ich ziemlich platt. Meine Meinung ist, dass diese Ausstellung beerdigt gehört und man nicht auch noch hier mit dem Rubel kommt. Ich kann das nicht nachvollziehen, dass man Geld dafür bezahlen soll, dass man Tote anschaut. Ich finde das geschmacklos, schlicht und ergreifend geschmacklos.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.

 


Gunther von Hagens, Erfinder der "Körperwelten" (dpa)
Gunther von Hagens, Erfinder der "Körperwelten" / ( dpa )
Quelle:
DR