Tagung des Rats für Nachhaltige Entwicklung

Zauberwort Nachhaltigkeit

Der Begriff ist weltweit in aller Munde und beinahe schon zur Worthülse verkommen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm ihn nun wieder für ihre Politik in Anspruch: "Nachhaltigkeit" - 300 Jahre nach seiner Geburt.

Autor/in:
Christoph Arens
300 Jahre nachhaltiges Forsten (dpa)
300 Jahre nachhaltiges Forsten / ( dpa )

Bei der Jahreskonferenz des 2001 von der Bundesregierung berufenen "Rats für Nachhaltige Entwicklung" bezog Merkel am Montag (13.05.2013) zur Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes Stellung. Das Thema der diesjährigen Konferenz des Rates "Mit Maß und Mut" gebe den Kompass für eine Kultur der Nachhaltigkeit vor, so die Kanzlerin. Maßhalten erfordere stärker als bisher den Blick zurück und auf die Zukunft. Anzustreben sei ein stärkerer Dreiklang zwischen Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität.

Bei dem Treffen von internationalen Umwelt- und Energieexperten sowie der Politik geht es unter anderem um die Frage, wie weit das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg gelten kann. Auch der Umbau der deutschen Energiepolitik und die Folgen für die Gesellschaft stehen auf der Tagesordnung.

Dabei feiert der Begriff Nachhaltigkeit in diesem Jahr seinen 300. Geburtstag: Formuliert wurde er im sächsischen Freiberg vom kurfürstlichen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714). 1713, mit dem Erscheinen seines Buches "Sylvicultura Oeconomica" auf der Leipziger Ostermesse, prägte der fromme Lutheraner die Idee, mit der Natur und dem Rohstoff Holz "pfleglich" und "nachhaltend" umzugehen. Forst- und Waldwirtschaft begehen deshalb das Jahr 2013 als "Jahr der Nachhaltigkeit".

Grundstein der modernen Forstwissenschaft

Für Carlowitz war die Erfindung der Nachhaltigkeit keine Kopfgeburt: Der sächsische Edelmann erlebte die Folgen des Raubbaus vor seiner Haustür. Das sächsische Erzgebirge war eines der wichtigsten Montanreviere Europas. Die Silbergewinnung vernichtete schonungslos die Wälder ringsum. Ein Hochofen verschlang im Jahr rund 20 Hektar Wald. Auch Grubenausbau und Häuserbau sorgten für Jahrzehnte lange Übernutzung.

Carlowitz, der die Folgen der Entwaldung in Italien, Spanien und Frankreich kennengelernt hatte, schwang sich zum lautstarken Kritiker des kurzfristigen Profitdenkens der Bergwerksbesitzer auf. Er ging sogar noch weiter und forderte von jenen, die Holz verbrauchten, sich angemessenen an einer Wiederaufforstung zu beteiligen. "Es dürfen nicht mehr Bäume gefällt werden, als neue nachwachsen", dieser Satz des Oberberghauptmanns gilt seither als Grundstein der modernen Forstwissenschaft.

Lebensstile verändern sich

Doch die Forderung nach nachhaltiger Entwicklung geht weit über die Waldwirtschaft hinaus: «Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen», fordert der "Rat für nachhaltige Entwicklung". Es gehe darum, in allen Bereichen zukunftsfähig zu wirtschaften, um Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge zu hinterlassen.

Aus der Sicht der Vorsitzenden des Rates, Marlehn Thieme, hat der Gedanke der Nachhaltigkeit stark an Bedeutung gewonnen. "In zehn Jahren hat sich mehr verändert, als oft wahrgenommen wird, aber noch zu wenig, als für einen Übergang in die ressourcensparende und klimaneutrale Gesellschaft nötig ist." Die Einstellungen und Lebensstile der Menschen veränderten sich; immer mehr Bürger kauften Biolebensmittel und Ökostrom.

Grenzen weltweit

Allerdings: Schon im Bereich der Forstwirtschaft zeigt sich, wie schwer es Nachhaltigkeit im Konflikt mit Wachstum und Bruttosozialprodukt hat. Zwar ist heute rund ein Drittel Deutschlands bewaldet - Tendenz steigend. Doch handelt es sich fast ausschließlich um Wirtschaftswälder - in denen von ökologischer Nachhaltigkeit wenig zu spüren ist. Olaf Tschimpke, Vorsitzender der Naturschutzbundes NABU, fordert deshalb ein grundsätzliches Umdenken: Leistungen der Natur müssten angemessen wirtschaftlich berücksichtigt werden.

Auch im weltweiten Maßstab stößt Nachhaltigkeit an deutliche Grenzen: Der tägliche Bedarf an Feuerholz habe zahlreiche Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens nahezu entwaldet, analysiert die Vorstandssprecherin der deutschen Entwicklungshilfeorganisation GIZ, Tanja Gönner. Für die Menschen, für die die Suche nach Feuerholz tägliche Notwendigkeit ist, ist das Pochen auf nachhaltige Holzproduktion auf den ersten Blick ein zweitrangiges Ziel.


Quelle:
KNA