Ein Kommentar zu den neuen Lebensmittelskandalen

Vom Konsumentenschutz zur Selbstverantwortung

Pferdefleisch-Skandal, Bio-Eier-Skandal, hilflose 10-Punkte-Pläne der Politik. Wann endlich wird sich der Konsument seiner Verantwortung bewusst? Ein Kommentar von Dr. Anton Rotzecker vom Institut für Theologische Zoologie.

Dr. Anton Rotzetter / © Herder
Dr. Anton Rotzetter / © Herder

Immer mehr zeigt sich, wie die Moral im wirtschaftlichen Gebaren kaum mehr eine Rolle spielt. Die Fakten sind klar:

  1. Der Pferdefleischskandal bringt zutage, wie sich die Abläufe verselbständigen und wie sich die Mechanismen der sogenannten freien Marktwirtschaft jeder Kontrolle entziehen. Dahinter stehen aber immer wieder kriminelle Energie und die feste Absicht, den Konsumenten zu täuschen. Statt Rind setzt man Pferd vor. Dabei ist der eigentliche Skandal noch gar nicht benannt. Denn das Pferdefleisch stammt, wie eine Recherche des Zürcher Tierschutzes beweist, oft aus Pferdehaltungen in Kanada, USA, Argentinien und Mexiko, die den europäischen und schweizerischen Einfuhrbestimmungen nicht entsprechen.
  2. Ähnlich klar ist die Sache mit dem Bioeierskandal. Offenbar hunderte deutsche Landwirtschaftsbetriebe missachten systematisch und flächendeckend geltende Vorschriften. Die Legehennenhaltungen entsprechen nicht den Bestimmungen, trotzdem werden die daraus gewonnenen Eier als Bioeier ausgegeben. Auch hier wird der Konsument getäuscht. Und auch hier wird der eigentliche Skandal noch gar nicht benannt. Denn die Legehennenhaltung ist nicht erst dann unmoralisch, wenn eine gewisse Anzahl von Hennen überschritten ist, sondern bereits im Prinzip: ein Lebewesen wird als bloße Ware betrachtet, die man möglichst schnell als Eierlegemaschinen heranzüchtet und schonungslos ausbeutet, um sie dann nach Gebrauch zu verschreddern. Und die männlichen Küken werden bereits nach dem Schlüpfen getötet.

 

Was ist daraus zu folgern?

  1. Die ganze Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik bedarf der moralischen Erneuerung. Man muss wegkommen von bloß quantitativ ausgerichteten Kriterien, vor allem von dem Effizienzdenken, das mit möglichst großer Zahl und möglichst geringen Kosten möglichst schnell möglichst viel produzieren will. Ein solches Denken ist von Anfang an vergiftet und führt naturgemäß zu Resultaten, die wir nicht wünschen können. Der Bauernverband und die Politik müssen andere Wege gehen. Sie haben die Lebensmittelbrache in die Sackgasse geführt.  
  2. Die Bauern bzw. eigentlichen Lebensmittelproduzenten müssen Selbstverantwortung übernehmen. Sie müssen sich befreien von einem Dilemma, in das sie das bloß ökonomische Denken geführt hat, und von der Abhängigkeit von der industriellen Lebensmittelindustrie. Sie sollen die Preise haben, die sie verdienen. Aber sie müssen sich auch neu begreifen lernen – als solche, die der Bevölkerung echte Lebensmittel zur Verfügung stellen wollen. Initiative und Phantasie bei der Herstellung und Vermarktung ihrer Produkte dürfen nicht delegiert werden.
  3. Als Konsumenten dürfen wir uns mit den geltenden Deklarationen nicht zufrieden geben. Da das Vertrauen in die Lebensmittelbranche grundsätzlich zerstört ist, genügt der Konsumentenschutz nicht mehr. Die Konsumenten müssen Selbstverantwortung übernehmen. Das heißt: die industrielle Lebensmittelproduktion muss boykottiert werden; die Konsumenten entscheiden sich für Lebensmittel, die saisonal, regional und naturnah bzw. tierethisch hergestellt sind; sie probieren auch vegetarische und vegane Ernährungsweisen aus. Die Rückkehr zur regionalen Lebensmittelproduktion ist ja ein Postulat der FAO.
  4. Als Christen, die der Tradition des Fastens verpflichtet sind, müssen wir grundsätzlich in Distanz gehen zu den zerstörerischen Produktionsbedingungen. Die Fastenzeit ist dafür eine gottgeschenkte Gelegenheit. In Frankreich gibt es eine ökumenische und sogar von der Bischofskonferenz unterstützte Aktion, welche angesichts des Zustandes unseres Planeten und den realen Perspektiven des menschlichen Lebens und anderer Lebensformen vorschlägt, in der Fastenzeit völlig auf den Konsum von Fleisch und Fisch zu verzichten. Und warum nicht auch auf Eier? Denn gerade auf Ostern hin, kommt die Eierproduktion massiv unter Druck. So sehr das Ei ein österliches Symbol sein könnte, heute ist es das nicht mehr, da hinter der Eierproduktion allzu viel Lebensverachtung und Zerstörungspotential stehen.