Debatte um Gesetz geht weiter

Schmerzmedizin statt Sterbehilfe

Ob die Angst vor dem qualvollen Tod eines Patienten Sterbehilfe rechtfertigt, ist hoch umstritten. Der Versuch, per Gesetz rechtliche Klarheit zu schaffen, löst weiter heftige Debatten aus. Aus Sicht der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist die Unterscheidung in kommerzielle und nichtkommerzielle Sterbehilfe im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums irreführend.

Kirche: Für Achtung der Würde des Sterbenden / © ArVis
Kirche: Für Achtung der Würde des Sterbenden / © ArVis

In der Debatte über die Sterbehilfe hält die Kritik an einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums an. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, warnte vor dem Überschreiten einer Grenze, die zu einem Dammbruch führen könne. Statt sich über eine Akzeptanz der Sterbehilfe Gedanken zu machen, müsse die Gesellschaft die Schmerzmedizin massiv ausbauen, sagte Glück der Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe). Die meisten Menschen hätten Angst vor einem Lebensende mit großen Schmerzen und Qualen.

"Wir brauchen eine saubere Unterscheidung zwischen einer Sterbebegleitung, die dem Menschen im letzten Lebensabschnitt hilft, und einer aktiven Beihilfe zur Selbsttötung", sagte Glück. Alles, was dazu führe, dass diese Beihilfe zur gesellschaftlichen Norm und gesetzlich abgesichert werde, sei gefährlich. Die Verfügung von Patienten, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen um jeden Preis wollten, müsse ernst genommen werden, damit nicht der Wunsch nach Selbsttötung entstehe.

Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, warnte in der Zeitung "Bild am Sonntag": "Die Unterscheidung in kommerzielle und nichtkommerzielle Sterbehilfe wird den in Deutschland existierenden Sterbehilfeorganisationen Aufwind geben und einen neuen Markt für die Dienstleistung Tod befördern".

Ohne Fraktionszwang
Bei der Abstimmung über das Sterbehilfe-Gesetz im Bundestag wollen etliche Abgeordnete den Fraktionszwang aufheben. "Die Abstimmung muss auf jeden Fall freigegeben werden", sagte der SPD-Rechtsexperte Edgar Franke den Zeitungen der "WAZ-Gruppe" (Samstagsausgaben). Bei der Sterbehilfe gehe es um eine grundsätzliche ethische Frage. Ähnlich argumentierte die pflegepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Kathrin Senger-Schäfer.

Der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht vor, gewerbliche Sterbehilfe unter Strafe zu stellen. Wer mit Suizidbeihilfe Geld verdient, müsste demnach mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen.

Angehörige, Freunde oder nahestehende Personen machen sich demnach nicht strafbar, wenn sie einem Menschen beim Suizid helfen. Dies kann auch ein Arzt oder eine Pflegekraft sein, der oder die den Sterbewilligen schon lange und gut kennt. Aktuell ist die Rechtslage unklar: Während die Selbsttötung und die Beihilfe dazu nicht verboten sind, steht die Tötung auf Verlangen unter Strafe.

Ärzte im Zwiespalt
Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) schloss sich der Kritik von Medizinern an dem Gesetzentwurf an. "Ärzte oder Pflegepersonal dürfen sich nicht am Geschäft mit dem Tod beteiligen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der CDU-Politiker forderte, dies müsse auch "im Sinne der Ärzte in dem neuen Gesetz über eine Bestrafung der kommerziellen Sterbehilfe entsprechend klargestellt werden".

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verschärfte seine Kritik. "Ich bin nicht sicher, ob man im Justizministerium den eigenen Gesetzentwurf und die Begründung ausreichend gelesen und verstanden hat", sagte er. Wenn einerseits die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werde und gleichzeitig Ärzte - unter den Bedingungen der Gewerbsmäßigkeit - doch Beihilfe leisten dürften, sei das widersinnig.

Jeder zweite Deutsche für gewerbliche Sterbehilfe
Fast die Hälfe der Deutschen spricht sich laut einer aktuellen Umfrage dafür aus, kommerzielle Sterbehilfe zu erlauben. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, befürworten 49 Prozent der Bundesbürger die Legalisierung der gewerblichen Sterbehilfe; 41 Prozent lehnen sie ab. Für die repräsentative Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag des Blattes am vergangenen Donnerstag 501 Personen. Damit würde eine Mehrheit der Befragten über das Ziel des umstrittenen Gesetzentwurfs des Bundesjustizministeriums hinausgehen.