Pontifikalamt mit Erzbischof Woelki zur Dreikönigswallfahrt

"Geschwisterlich miteinander umgehen"

Zum Abschluss der Dreikönigswallfahrt rief Kardinal Woelki zu einer geschwisterlichen Kirche auf und stellte die Vergebung untereinander in den Mittelpunkt seiner Predigt. Viele Gläubige waren gekommen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Pontifikalamt mit Kardinal Woelki zum Abschluss der Dreikönigswallfahrt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalamt mit Kardinal Woelki zum Abschluss der Dreikönigswallfahrt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wer noch einmal eine persönliche Kommentierung der Nachrichten von Freitag aus dem Vatikan erwartet hatte oder eine erneute Stellungnahme in eigener Sache, wurde an diesem Sonntagmorgen enttäuscht. Denn beim traditionellen Pontifikalamt mit Rainer Maria Kardinal Woelki anlässlich der Dreikönigswallfahrt waren die gerade mal zwei Tage alten Entscheidungen von Papst Franziskus, die unter anderem ab Mitte Oktober eine mehrmonatige Auszeit für den Kölner Erzbischof vorsehen, kein Thema. Ganz im Gegenteil: Dieser Gottesdienst, der sonst noch einmal am Ende von vier aufeinander folgenden Wallfahrtstagen rund um das Kirchweihdatum des Domes einen Höhepunkt markiert und immer von einer überschäumenden Freude so vieler Pilger lebt, die eigens zur alljährlichen Verehrung der drei Weisen aus dem Morgenland von Nah und Fern anreisen, war diesmal eher eine Feier der leisen Töne. Vielleicht sogar mit einem Hauch von Demut und auch Abschiedsstimmung.

Denn gerade an dem leidenschaftlichen Aufruf Woelkis zu einer geschwisterlichen Kirche, in der man als Schwester und Bruder in Christus einander immer wieder vergebe, wie er betonte, ließ sich ablesen, dass gerade etwas anderes die Gemüter bewegt und niemandem so recht nach lautstarkem Halleluja zumute ist. Vielmehr diese in Teilen auch gespaltene Diözese erst einmal zur Ruhe kommen muss, will sie nach der bevorstehende Auszeit des Erzbischofs einen konstruktiv-versöhnlichen Neuaufbruch auf den unterschiedlichsten Ebenen wagen.

Gläubige erklären sich solidarisch mit Kardinal Woelki

"Wir sind jedes Jahr bei der Dreikönigswallfahrt mit dabei", berichten Yvonne und Patrick Rösener. Das Paar ist mit seinen vier Kindern eigens aus Rösrath gekommen, um sich nun – nach den aktuellen Entwicklungen – erst recht mit Kardinal Woelki solidarisch zu erklären, wie sie betonen. "Wir hören ihn einfach gerne predigen, wollen aber heute mit unserer Präsenz auch bewusst ein Zeichen setzen, dass wir hinter ihm stehen. Vor allem aber hoffen wir, dass er im März wiederkommt." Alles andere erscheint ihnen unvorstellbar. "Ich will ihn einfach noch einmal erleben – es ist ja vielleicht sein letzter öffentlicher Gottesdienst", sagt eine Fünfzehnjährige, die ganz alleine in der Bank sitzt und ihren Namen lieber nicht nennen will. "Auch wenn ich politisch nicht hinter allem stehe, was unser Erzbischof vertritt, ist er mir persönlich doch sehr sympathisch. Heute bin ich jedenfalls extra wegen ihm gekommen."

"Wir wollen den Kardinal unterstützen. Gerade jetzt braucht er unser Gebet ganz besonders", ist Gertrud Lutterbach überzeugt, die mit ihrer Freundin regelmäßig die Sonntagsmesse im Dom mitfeiert. "Ich danke ihm für seine Standhaftigkeit. Trotz manches Kommunikationsfehlers verdient er unsere Solidarität", ist sie überzeugt. Sie gönne ihm nun von Herzen eine Zeit der Ruhe und Erholung von den Strapazen der letzten Monate. "Das Ganze hat ja auch eine sehr menschliche Seite", findet die Mittsechzigerin. Was Woelki auch tue, immer stehe er im Kreuzfeuer der Kritik. Das sei menschlich sehr verletztend, mischt sich der Nachbar am Ende der Kirchenbank ein und spielt auf die mediale Berichterstattung an. So dürfe man nicht miteinander umgehen. Dass ein Einzelner solche Anschuldigungen überhaupt aushalten könne. Ihm täte der Kardinal jedenfalls von Herzen leid. "Ich hoffe, er schafft das", sagt der junge Mann. "Er hat doch auch so viele gute Seiten und Charismen. In persönlichen Gesprächen ist er ausgesprochen zugewandt und empathisch. Vielleicht kann er seine Pause nutzen, um wieder ganz neue Impulse zu setzen. Was war das toll, als er damals mit dem Flüchtlingsboot auf dem Roncalliplatz stand und frischer Wind in diesem Bistum wehte!"

Auf persönliche Rechthaberei verzichten

Indirekt greift auch Woelki selbst in seiner Predigt auf, was an Unausgesprochenem im Raum steht und viele Menschen nicht nur in diesen Tagen, Wochen und Monaten bewegt, sondern eher sehr grundsätzlich: Nämlich: Wie sollen, wie wollen wir Kirche miteinander sein? Viele wünschten sich eine geschwisterliche Kirche und einen geschwisterlichen Umgang in ihr, konstatiert der Kardinal; ein Verständnis, dass es schon in der frühen Kirche gegeben habe, in der Christen einander Schwestern und Brüder gewesen seien: mit demselben Vater – Gott – und derselben Mutter. "Das ist die Kirche", wie er erklärt. Doch diese Kindschaft Gottes, diese Geschwisterlichkeit müsse greifbar, wolle erfahrbar werden. Der Blick auf Jesus zeige, worum es im geschwisterlichen Miteinander gehe, unterstreicht Woelki.

"Wir dürfen nicht selbstsüchtig um uns selbst kreisen, nicht gleichgültig sein, sondern müssen füreinander da sein und Verantwortung übernehmen, dem anderen helfen und seine Last mittragen", mahnt er. Es wäre schon viel gewonnen, "auf persönliche Rechthaberei zu verzichten und uns offenen Auges und Herzens die Wahrheit zum Maßstab zu nehmen. Wir sollen einander vergeben, nicht siebenmal, sondern 77 mal – und das, ohne den anderen zu demütigen."

Woelki: Rivalitäten schaden dem gemeinsamen Auftrag

Menschen, die zu Christus gehörten, müssten daran erkennbar sein, wie sie in der Kirche miteinander umgingen, fordert Woelki. Daran sollten die Quellen sichtbar werden, aus denen sie lebten. "Dass Gott dreifaltig einer ist, soll sich in unserem Miteinander und Füreinander widerspiegeln." Der Blick auf das konkrete Leben Jesu zeige, wie weit wir von diesem geschwisterlichen Umgang entfernt seien und wie nötig es sei zu lernen, einander anzunehmen. "Die lieblose und aggressive Art, in der manche Konflikte unter uns ausgetragen werden, werden diesem Anspruch jedenfalls nicht gerecht", stellt er fest. Die Zusammenarbeit aller müsse von gegenseitigem Vertrauen getragen sein und von der Bereitschaft, aufeinander zu hören und zu verstehen. "Rivalitäten schaden dem gemeinsamen Auftrag. Für uns alle gilt, dass wir nie das Ganze aus dem Blick verlieren dürfen. Und dazu gehört eben auch, über die Grenzen der eigenen Pfarrei und über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinaus zu schauen, auf das Ganze des Bistums und der Weltkirche." Künstlich aufgebaute Fronten zwischen der sogenannten Amtskirche und den Gläubigen würden diese Tatsache verkennen.

Der Kölner Erzbischof appelliert mit Nachdruck, auf den Umgang miteinander beim gemeinsamen Unterwegssein im Glauben zu achten – bei aller Verschiedenheit, "die Farbe in das kirchliche Leben bringt und bereichert". Wörtlich sagt er: "Wichtig ist nur, dass inmitten der Vielfalt der Glaube das verbindliche richtige Maß bleibt. Ohne die Einheit im Glauben zerfällt die kirchliche Gemeinschaft." Seine Ausführungen beendet der Kardinal mit einer eindringlichen Bitte an seine Zuhörer: "nach dem Vorbild unseres Bruders Jesus Christus geschwisterlich miteinander umzugehen. Auf dass in unserem ganzen Erzbistum sichtbar werde, was wir sind: nämlich das geeinte Volk Gottes."


Quelle:
DR