Kölner Kardinal Karl Joseph Schulte vor 150 Jahren geboren

Ein kluger Westfale im Rheinland

Was Bekanntheit und Ruhm angeht, hat er gegen seine Nachfolger Frings und Höffner keine Chance. Und doch war er in schwierigsten Zeiten ein Bischof von großer Klugheit. Wenn nur die Sache mit dem Karneval nicht wäre.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Bischof Karl Joseph Schulte (m.) gruendete am 8. Dezember 1915 einen der bundesweit ersten Dioezesan-Caritasverbände / © Diözesan-Caritasverband Paderborn (epd)
Bischof Karl Joseph Schulte (m.) gruendete am 8. Dezember 1915 einen der bundesweit ersten Dioezesan-Caritasverbände / © Diözesan-Caritasverband Paderborn ( epd )

In puncto Amtszeit hatte er schon mal Pech. Er trat an, als nach dem Ersten Weltkrieg im Rheinland eine Welle des Separatismus wogte. Auf die schwierigen Jahre der Weimarer Republik folgte dann der Nationalsozialismus.

Der Kölner Kardinal Karl Joseph Schulte lehnte alle Extreme ab, war als Bischof ein politisch umsichtiger Leiter; Papst Pius XI. nannte ihn respektvoll "den klügsten von allen". Und doch standen Schultes Jahre am Rhein (1920-1941) unter keinem allzu guten Stern - und er bis heute stark im Schatten seiner Nachfolger Josef Frings (1942-1969) und Joseph Höffner (1969-1987).

Dem Klischee entsprochen

Landläufig wird der Rheinländer als frohsinnig und redselig, aber mitunter unzuverlässig beschrieben, der Westfale hingegen als eher bodenständig, treu und verschlossen bis stur. Diesem Stereotyp wird man wohl eine wahre Tendenz nicht absprechen können. Von den 13 Bischöfen, die das Erzbistum Köln seit seiner Neugründung vor genau 200 Jahren regierten, waren immerhin 5 Westfalen. Sie entsprachen durchaus dem skizzierten Klischee.

Ernsthaftigkeit, Besonnenheit und Treue sind sicher nicht die schlechtesten Berater für einen katholischen Oberhirten. Doch zumindest etwas vom Geruch der Herde gehört auch dazu. Und da war die Kirchenleitung unter den Erzbischöfen Felix von Hartmann (1912-1919), einem Münsteraner, und dem Sauerländer Schulte zumindest schlecht beraten. Wo dem Rheinländer auch die närrischen Tage heilig sind, empfahlen sie die Teilnahme an Einkehrtagen.

Schulte plädierte gar für eine komplette Abschaffung des Karnevals. Feiern sei nur sinnvoll, wenn ihm ein strenges Fasten folge; die Ehe werde in diesen Tagen gefährdet. Aus der Kölner Kirchenzeitung 1925: "Nachtkultur war aber immer das Zeichen sterbender Völker, ... keine jugendfrische Freude mehr. Sie brauchen das Berauschende und Aufreizende, ... wie der Morphinist sein Gift braucht, um arbeitsfähig zu bleiben."

Kein Kind von Traurigkeit

Dabei soll Schulte allerdings als Bonner Verbindungsstudent selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Wegen eines Wirtshausbesuchs mit Bierkonsum wurde er - als erster Kandidat überhaupt - in den 1890er Jahren des Priesterkonvikts "Collegium Albertinum" verwiesen.

Als Schulte 30 Jahre später als neuer Erzbischof nach Köln zurückkehrte, soll der einst verantwortliche Direktor des Hauses, Domkapitular Franz Düsterwald, mit einem Zitat aus Matthäus 21 genörgelt haben: "Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden." Schon besser kam da bei den Kölnern an, als Schulte im November 1924 vor rund 20.000 Menschen mit der Petersglocke ("Decke Pitter") die größte freischwingende läutbare Glocke der Welt für den Dom weihen konnte.

Kirchlich sozialisiert wurde Karl Joseph Schulte, geboren am 14. Septemberg 1871 auf einem Bauernhof im sauerländischen Örtchen Oedingen, in ideologisch harten Zeiten. Auch nach der Beilegung des Kulturkampfs in Preußen blieb die katholische Kirche unversöhnt.

"Ultramontanismus" war das Schlagwort der Zeit: Treue zum Papst, dem "Fels" jenseits der Alpen. "Modernismus" erschien undenkbar.

Auch dafür steht der riesige Backsteinbau des Albertinums; als kirchliche Trutzburg, um in preußisch dominiertem Umfeld einen sicheren Hort für den Priesternachwuchs zu schaffen. Schulte setzte nach seinem Rauswurf sein Studium in Münster und Paderborn fort, mit Bestnoten, einem sehr breiten Interessenspektrum und einer Promotion in Tübingen.

Sozialpolitisches Engagement

Schultes ausgleichendes Wesen, sein sozialpolitisches Engagement und seine Kompetenz machten Kirchenobere rasch auf den jungen Professor aufmerksam, und mit nur 38 Jahren wurde er vom Paderborner Domkapitel einstimmig zum neuen Bischof gewählt. 1912 konnte er eine rasche Weiterberufung nach Köln noch verhindern, nicht mehr aber zum Jahreswechsel 1919/20. In der Zwischenzeit hatte er in Paderborn persönlich eine Kriegsgefangenenhilfe initiiert, die international Aufsehen erregte und Schule machte.

Sein Tatendrang wurde freilich immer stärker gebremst durch eine chronische Herzschwäche - die womöglich auch verhinderte, dass er sich entschiedener gegen den ihm verhassten Nationalsozialismus positionierte. Das NS-Zerstörungswerk bis zum Ende mitzuerleben, blieb ihm immerhin erspart: In der Kölner Bombennacht vom 10./11. März 1941 erlag Kardinal Schulte einem Herzinfarkt.


Quelle:
KNA