Was sagt Pfarrer Meurer zu Austrittswilligen?

"Es kommt auf uns an"

Sozialpfarrer Franz Meurer geht auf "Tour": In verschiedenen Städten im Erzbistum Köln wirbt er für den "Pastoralen Zukunftsweg" und kommt mit Menschen ins Gespräch. Seine Botschaft: "Euch wird kein System übergestülpt".

Pfarrer Franz Meurer / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer Franz Meurer / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ihre "Tour", wenn ich so sagen darf, startet am Dienstag in Siegburg. Was werden Sie dort den Gläubigen erzählen?

Pfarrer Franz Meurer: Vor allen Dingen geht es mir darum hinzuhören, denn die Menschen haben mich ja eingeladen. Ich habe mich ja nicht eingeladen. Wir wollten eine Tour machen, indem wir vom "Pastoralen Zukunftsweg" aus alle Seelsorge-Einheiten besuchen. Ich wollte an vier Stellen gehen. Jetzt gehe ich schon zu fünf, weil die Leute sagen: Komm doch mal vorbei und gib uns ein bisschen Mut. Die Kirche soll für die Menschen da sein. Da ist jemand für dich. Der Bischof ist für dich. Der Papst ist für dich. Dein Nachbar ist für dich. Wir Christen stehen zueinander.

DOMRADIO.DE: Das klingt alles gut. Aber wenn dann die Kritiker sagen: Der "Pastorale Zukunftsweg" bedeutet, dass 570 Gemeinden auf ein Zehntel zusammengeschrumpft werden, heißt das zukünftig eine halbe Fernreise zur Sonntagsmesse?

Meurer: Nein, überhaupt nicht. Das ist ja meine Hauptbotschaft: Alles, was vor Ort passiert, kann nicht nur bleiben, sondern kann auch wachsen. Das sagt doch der "Pastorale Zukunftsweg". Er sagt natürlich auch: Wir müssen im Jahr 2030 gucken, denn da gibt es nur noch die Hälfte der Hauptamtlichen und die Hälfte der Finanzen. Hoffentlich nicht noch weniger, bei den vielen Austritten gerade. Das heißt, da müssen wir uns drauf einstellen.

Klar, ich werde den Leuten auch sagen: Wir müssen die Realität anerkennen. Unser Erzbischof sagt immer, ein Pfarrer soll der Leitende sein, also nicht ein Team von Leuten. Aber wenn man sich nicht heutzutage schon so verhält als Pastor, dass man alle beteiligt, würden die Menschen sonst sagen "Weißt du was, geh woanders hin". Es muss gemeinsam entwickelt werden.

Das ist übrigens auch die klare Meinung unseres Erzbischofs. Das kommt nur im Moment nicht so klar rüber.

DOMRADIO.DE: Ich erlebe es zunehmend, dass Menschen aus meinem direkten Umfeld der Kirche den Rücken kehren, deutlich spürbar mehr als sonst. Was sagen Sie den Austrittswilligen denn?

Meurer: Das Problem bei den Austrittswilligen zurzeit ist, dass im Moment die Engagiertesten austreten, die Frömmsten auch, die Leute, die Kommunion austeilen, die Leute, die Lektorinnen und Lektoren sind. Das ist das eigentlich Schlimme. Es sind nicht die Leute, die sich nach und nach entfremdet haben. Die auch. Aber das heißt, wir müssen das als prophetisches Signal sehen.

Es ist ganz wichtig, was der inzwischen emeritierte Papst Benedikt XVI., der Konservative, sagt: Zuerst die Vernunft, dann die Freiheit und dann vielleicht der Glaube als Geschenk. Das heißt, was ich jetzt mache - in Siegburg, Leverkusen, dann in Wuppertal und nach den Ferien in Bonn und in Euskirchen - ist, den Leuten zu sagen: Es kommt auf uns an. Auf die Christgläubigen. Das heißt, alles, was unten in der Gemeinde passiert, kann nicht nur bleiben, sondern kann auch wachsen. Es wird kein System übergestülpt, das ist vom "Pastoralen Zukunftsweg" überhaupt nicht beabsichtigt, das ist noch nicht ausreichend rübergekommen. Also muss man was dran machen.

DOMRADIO.DE: Bei der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands treten Frauen aus der Amtskirche aus, bleiben aber Mitglied der kfd. Also deutlicher können die Frauen doch nicht protestieren.

Meurer: Ja, das haben wir an vielen Stellen. Wir haben auch zum Beispiel die Komikerin Carolin Kebekus, die ganz kirchlich aufgewachsen ist. Wir haben den Wolfgang Schmitz, den früheren Hörfunkdirektor des WDR, der ausgetreten ist. Die sagen alle: Wir wollen selbstverständlich arme Menschen unterstützen. Wir müssen im Moment darauf achten, dass wir nicht die verachten, die die Institution Kirche verlassen. Denn das sind oft die, die sich am meisten Gedanken machen, deren Gewissen so richtig brodelt.

DOMRADIO.DE: Wann hört das wieder auf? Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Meurer: Es wird sich beruhigen, wenn die Entscheidung aus Rom kommt. Der Papst ist ja zurzeit mit seinem Darm beschäftigt. Das bewegt die Leute natürlich, und es wird sich dann beruhigen, wenn es uns gelingt - und daran arbeiten wir ja zur Zeit - rüberzubringen: Es wird euch nicht ein System übergestülpt. Das erfahren die Leute zurzeit leider, leider ein bisschen anders. Das ist ein Kommunikationsproblem.

Das Interview fürhte Tobias Fricke.


Quelle:
DR