Kirche unterstützt Senioren bei Impfaktion

"Alte Menschen schaffen das nicht alleine"

Das eine ist, Glück bei der Terminvergabe zu haben. Das andere, den Weg ins Impfzentrum auch zu finden. Für alleinstehende Menschen über 80 oft ein unlösbares Problem. Doch viele Pfarrgemeinden werden hier gerade besonders kreativ.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Symbolbild: Eine junge Frau geht mit einer älteren Dame spazieren.  / © Rido (shutterstock)
Symbolbild: Eine junge Frau geht mit einer älteren Dame spazieren. / © Rido ( shutterstock )

Die bundesweit angelaufene Corona-Impfaktion ist nicht nur ein Thema für Städte, Landkreise und Kommunen. Auch die Kirchen sehen sich zunehmend in der Verantwortung, ihren Teil beizutragen. "Die Unterstützung hilfebedürftiger Menschen entspricht dem karitativen Auftrag von Kirche", sagt Engagementförderin Elke Friedrich aus dem Seelsorgebereich Bornheim-Alfter. "Da versteht sich von selbst, dass wir die Senioren aus unseren Gemeinden auf dem Weg zu ihrer Impfung unterstützen." Immerhin sind es allein 3.500 in Bornheim und 1.500 in Alfter. Und viele der über 80-Jährigen, die jetzt als erste Gruppe für eine Impfung vorgesehen seien, wären allein schon technisch nicht in der Lage, ihren Termin zu buchen. Geschweige denn, dass sie gut zu Fuß seien oder wüssten, wie sie von der Peripherie ins Impfzentrum nach St. Augustin kommen.

Immer wieder erreiche sie die Nachricht, dass es Senioren gäbe, die einfach niemanden hätten, der für einen Fahrdienst oder eine Begleitung zur Verfügung stünde, berichtet Friedrich. Schließlich handelt es sich mit den Orten Walberberg, Vollmershoven, Heidgen, Bornheim oder Alfter auch um ein recht weitläufiges Einzugsgebiet mit stellenweise großen Entfernungen. Und je nach dem würde eine Taxifahrt schon mal locker 90 Euro kosten, was sich viele Rentner nicht leisten könnten, so Friedrich. Ganz abgesehen davon, dass sie dann immer noch niemanden hätten, der sie bei diesem Gang persönlich unterstützen würde. "Daher ist auch die Bahn in den meisten Fällen nicht wirklich eine Alternative. Eventuell mehr als eine Stunde unterwegs zu sein mit Umsteigen am Bonner Hauptbahnhof ist eine enorme Herausforderung. Alte Menschen schaffen das nicht alleine", weiß die 55-Jährige aus Erfahrung. "Für die beiden Impftermine gleich zweimal selbständig diese Strecke zurückzulegen – das trauen sich die meisten einfach nicht zu."

Elke Friedrich: Wir fragen nicht nach Religionszugehörigkeit

Inzwischen hat die Engagementförderin auf eine Nachfrage der Stadt Bornheim, ob die Kirche hier nicht tatkräftig mithelfen könne, innerhalb kürzester Zeit in der Pfarreiengemeinschaft einen Fahrdienst auf die Beine gestellt. "Hierbei schöpfen wir aus einem Ehrenamtlerpool und vermitteln im Bedarfsfall eine Eins-zu-eins-Betreuung – natürlich nur mit Fahrern, die wir persönlich auch kennen." Denn in jedem Fall sollten sich die alten Menschen ganz sicher fühlen. "Wir helfen allen, die Hilfe brauchen. Da frage ich nicht nach Religionszugehörigkeit. Voraussetzung ist lediglich, dass jeder, der sich bei uns meldet und diesen Dienst in Anspruch nimmt, vorher einen Haftungsausschluss unterschreibt, hinten im Auto Platz nimmt und eine FFP2-Maske trägt."

Dass Friedrich mit diesem kostenlosen Angebot, das sich weitgehend von Spenden finanziert, mitten ins Schwarze trifft, hat sich ganz schnell gezeigt. Noch bevor sie Werbung für diesen Impf-Fahrdienst über Aushänge, Flyer, das Internet und die Seniorenbeauftragte der Stadt machen konnte, lagen die ersten Anfragen bereits auf ihrem Schreibtisch. Und die Engagementförderin glaubt, dass das erst der Anfang ist, zumal die Impfaktion ja gerade mal vor einer Woche angelaufen ist. Doch selbst wenn der Bedarf rapide ansteigen sollte, bleibt sie zuversichtlich: "Noch werde ich nicht nervös. Auch für die nächsten Wochen habe ich keinerlei Bedenken, dass wir das hinbekommen."

Impfpatinnen und -paten unterstützen Senioren bei Impfaktion

Elke Friedrich ist nur eine von vielen Engagementförderinnen und -fördern oder Institutionen wie zum Beispiel der örtlichen Caritas, die gerade flächendeckend in die Seelsorgebereiche des Erzbistums hinein kreative Ideen entwickeln, um die bundesweite Impfaktion mitzutragen und betagten Menschen diesbezüglich praktische Hilfsangebote an die Seite zu stellen.

In Bergheim-Ost mit den vielen kleinen Dörfern wie Nieder- und Oberaußem, Glessen, Fliesteden und Büsdorf ging die Initiative vom Pfarrgemeinderat aus. Für alte Menschen, die keine Familienangehörigen hätten, nicht mehr mobil seien und ohne jedes soziale Netz in einer zunehmenden Anonymität lebten, wie es Engagementförderin Christa Mödder beschreibt, ist auch hier über eine Gemeinde-Initiative ein passgenaues Angebot entwickelt worden. Unter der Leitung von Julia Böttcher, die bei Ausbruch der Pandemie die Whatsapp-Gruppe "Wir möchten helfen – miteinander füreinander" ins Leben gerufen hat, und in enger Zusammenarbeit mit der Glessener Ortsbürgermeisterin Anne Keller haben sich inzwischen 15 Impfpatinnen und Impfpaten gefunden, die hilfebedürftige Senioren zum Impfzentrum nach Hürth fahren und sich vor Ort auch für die weitere Begleitung durch das Impfzentrum verantwortlich fühlen.

Städtische Beratungsstelle verweist an pfarrliche Nachbarschaftshilfe

Eine flankierende Öffentlichkeitsarbeit über die Pfarrnachrichten, privaten Netzwerke, Aushänge an Arztpraxen und Apotheken habe sich genauso erfolgreich bewährt wie auch schon die Einkaufshilfen für alleinstehende alte Menschen während des Lockdowns, schildert Mödder, die sich über das ähnlich positive Echo auf das jüngste Hilfsangebot freut. Das für die Realisierung erforderliche "Back up" – die gesamte Abwicklung organisatorischer Fragen wie Einverständniserklärung, Datenschutz oder Absicherung der ehrenamtlichen Helfer – sei dann ihr Part, erklärt Mödder. "Die Rolle von Engagementförderern ist, solche Ideen, die in der Gemeinde entstehen, aufzugreifen, möglichst komplex und systemisch anzugehen und auszuarbeiten."

In Frechen hat die Seniorenberatungsstelle der Stadt im Zusammenhang mit der Impfaktion eine Hotline eingerichtet, die an die Nachbarschaftshilfe der dortigen Pfarreiengemeinschaft weiterverweist. Auch hier gibt es genug Ideen, wie alten Menschen gerade in Coronazeiten konkret geholfen werden kann. Allerdings beschränkt sich Engagementförderer Markus Gehringer darauf, den Senioren bei der digitalen Terminvereinbarung zu assistieren, Verbindungen für den öffentlichen Nahverkehr herauszusuchen und eine Begleitung in Bus und Bahn sicherzustellen. Das Angebot eines Auto-Fahrdienstes indes ist ihm zu heikel. "Wegen der geltenden Abstandsregeln", begründet er.

"Mobiles Café" ist Anlaufstelle für Nachbarschaftshilfe

Dafür verfolgt er weiterhin den wegen des Lockdowns ins Stocken geratenen Aufbau einer mobilen Nachbarschaftshilfe mit einem Lastendreirad vom Typ Piaggio Ape 50, das die Pfarreiengemeinschaft vor gut einem Jahr angeschafft hat. Unter der Überschrift "Engel auf Rädern" stellt Gehringer gerade ein ehrenamtliches Team zusammen, das zu bestimmten Zeiten mit dem italienischen Kult-Moped durch Frechen fährt und als mobiles Café auf zentralen Plätzen der einzelnen Ortsteile für einen Hauch von mediterranem Flair sorgt.

Weit wichtiger aber als das Atmosphärische ist dem Engagementförderer dabei, dass dieses originelle Gefährt neben einem Kaffee den Menschen – und da vor allem auch den Senioren – eine Anlaufstelle bietet, wo diese ganz niederschwellig ihren Bedarf an Hilfe anmelden bzw. an die Kirchengemeinde rückmelden können. "Ziel dieses Projektes ist es, dass wir als Kirche am Ort bei den Menschen präsent sind und Hilfe in nachbarschaftlichen Bereichen anbieten." Dieses winzige mobile Café soll da, wo es gerade steht, Gemeinschaft erlebbar machen und als Servicestelle vor allem für einsame Senioren, Alleinstehende oder sozial Schwache ein Ort sein, wo ihnen Hilfe beim Einkauf oder einem Arztbesuch vermittelt wird, aber genauso bei den Hausaufgaben oder bei dem Wunsch nach Gesellschaft. "Unsere 'Engel'", betont Gehringer, "haben ein offenes Ohr und können im Bedarfsfall auch an die zuständige Beratungsstelle weitervermitteln."


Quelle:
DR