Juristen kritisieren bisherige Kölner Missbrauchsstudie

"Das Gutachten ist nicht gerichtsfest"

Strafrechtsexperten haben ihre Kritik an der von der Münchner Kanzlei Westphal Spilker Wastl erarbeiteten Missbrauchsstudie für das Erzbistum Köln untermauert. "Das Gutachten ist nicht gerichtsfest", sagte der Strafrechtler Matthias Jahn.

Autor/in:
Andreas Otto
Symbolbild: Anwalt mit Robe / © Pierre-Antoine Pluquet (KNA)
Symbolbild: Anwalt mit Robe / © Pierre-Antoine Pluquet ( KNA )

Er äußerte sich am Montag vor Journalisten in Köln. Die von der Münchner Kanzlei Westphal Spilker Wastl erarbeitete Missbrauchsstudie untersucht mögliches Fehlverhalten von Verantwortungsträgern des Erzbistums bei Fällen sexualisierter Gewalt.

Nach Worten des Kölner Strafrechtsexperten Björn Gercke finden sich in der Untersuchung "vermeintliche Schuldzuweisungen mit starken Worten, ohne Belege zu bringen". Gercke soll für das Erzbistum bis zum 18. März 2021 ein neues Gutachten verfassen.

Kanzlei weist Vorwürfe zurück

Die Kanzlei Westphal Spilker Wastl wies die Vorwürfe zurück. Die vom Erzbistum Köln beauftragte Stellungnahme Jahns und des Erlanger Kriminologen Franz Streng zu ihrer Untersuchung leide selbst unter einem grundlegenden methodischen Fehler: "Der uns im Dezember 2018 erteilte Auftrag bestand in einer umfassenden Bewertung des Handelns der Bistumsverantwortlichen." Eine Beschränkung auf die bloße Rechtmäßigkeitskontrolle sei gerade nicht vorgesehen gewesen: "Einen derartig beschränkten Gutachterauftrag hätte die Sozietät auch abgelehnt."

Jahn warf der Kanzlei vor, aus den 189 ausgewerteten Personalakten 15 angeblich gravierende Fälle herausgegriffen zu haben, ohne dies näher zu begründen. Dies werde vielen Opfern nicht gerecht, die in der Untersuchung keine Berücksichtigung gefunden hätten. Laut Jahn könnten bei der Auswahl sachfremde Motive wie die Prominenz der Verantwortungsträger eine Rolle gespielt haben. Die namentliche Erwähnung von Verantwortungsträgern könne zudem bei Mängeln zivilrechtliche Klagen nach sich ziehen.

"Gutachten wird für das Erzbistum ungemütlich werden"

Auch Gercke sprach von einer willkürlichen Auswahl von Beispielen. So werde etwa der Fall eines jüngst von der Staatsanwaltschaft Köln erneut angeklagten Geistlichen nur mit einer halben Seite thematisiert. Laut dem Strafrechtler umfasst der an ihn ergangene Auftrag, Rechtsverstöße von Bistumsverantwortlichen zu identifizieren - auf Basis eines juristischen Gutachtens und nicht nach moralisch-ethischen Maßstäben.

"Das Gutachten wird für das Erzbistum ungemütlich werden", sagte Gercke zu Einwänden, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wolle Erkenntnisse zurückhalten. Sein Team aus fünf Anwälten und wissenschaftlichen Mitarbeitern werde jeden einzelnen der insgesamt 312 Verdachtsfälle würdigen. Seine Kanzlei sei im Oktober vom Erzbistum beauftragt worden und ihr seien dazu die 189 auszuwertenden Personalakten und 236 Interventionsakten zugestellt worden. Es gebe 243 Beschuldigte und 386 von sexueller Gewalt Betroffene.

Laut Gercke gibt es ein großes Problem mit "defizitären Akten". Er warf Westphal Spilker Wastl unter anderem vor, sich nicht darum bemüht zu haben, die Urheberschaft unleserlicher Signaturen auf Vermerken etwa mit Hilfe des Kölner Diözesanarchivs aufzuklären. Auf einer solchen Notiz beruhen zum Beispiel Vertuschungsvorwürfe, die sich laut Medien gegen den früheren Personalchef und späteren Generalvikar der Erzdiözese, Stefan Heße, in der unveröffentlichten Studie richten. Der heutige Hamburger Erzbischof weist diese Anschuldigungen zurück.

Betroffennenbeirat meldet sich

Unterdessen plädierte der Sprecher des Betroffenenbeirats des Erzbistums Köln, Patrick Bauer, nun doch für eine sofortige Veröffentlichung der kritisierten Münchner Studie. Zwar habe das Gremium aus Missbrauchsopfern nach seiner Sitzung gemeinsam mit dem Erzbistum Köln am Freitag dagegen votiert, sagte Bauer dem Internetportal katholisch.de. Doch sei er bei dem Treffen mit den Beratungen über den Weitergang der Studie überrascht worden. Im Nachgang sei ihm klar geworden, dass die Dinge "nicht gut gelaufen sind". Dies sei aber seine persönliche Einschätzung, die mit dem Beirat noch nicht abgestimmt sei.

Ein Mitglied des Rates möchte von seiner Aufgabe zunächst befreit werden, wie das Erzbistum Köln katholisch.de mitteilte. Die Person wolle mehr Zeit haben, über den gesamten Sachverhalt nachzudenken.


Quelle:
KNA