Aktualisierte Empfehlungen für Chormusik im Erzbistum Köln

"Corona ist ein ziemlicher Schlag ins Kontor"

Im Chor oder im Gottesdienst: Die Organisation von Kirchenmusik ist eine große Herausforderung der Corona-Zeit. Das Erzbistum Köln macht nun neue Vorgaben. Derweil fällt es vielen Chören schwer, die Motivation aufrecht zu halten.

Mitglieder des Staats- und Domchores vor dem Berliner Dom / © Carsten Koall (dpa)
Mitglieder des Staats- und Domchores vor dem Berliner Dom / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie haben die Empfehlungen vom Mai überarbeitet. Was ist neu?

Prof. Dr. Richard Mailänder (Diözesanmusikdirektor): Die Hauptunterschiede bestehen darin, dass wir, nachdem wir im Mai noch sehr vorsichtig waren, uns heute im Wesentlichen den Empfehlungen - genauer gesagt den Bestimmungen - des Landes NRW angepasst haben. Wir hatten bislang bei Chorproben Entfernungen von drei Metern zur Seite und sechs Metern zwischen den Reihen. Das haben wir jetzt analog zu NRW auf vier Meter reduziert.

DOMRADIO.DE: Also war es vorher eine reine Kirchenverordnung und jetzt ist es an die politische Ebene angepasst?

Mailänder: Wir haben keine Verordnung herausgebracht, wir haben Empfehlungen ausgesprochen. Richtungsweisend und relevant sind immer die politischen Vorgaben, in dem Falle vom Land NRW, bzw. in Teilen auch von Rheinland-Pfalz. Wir haben acht Gemeinden im Bereich von Rheinland-Pfalz.

DOMRADIO.DE: Das heißt also, wer jetzt in Rheinland-Pfalz zur Chorprobe will, hat andere Empfehlungen der Kirche vorliegen als der, der in NRW zur Chorprobe geht?

Mailänder: Richtig. Und das haben wir jetzt auch deutlich gemacht, in dem neuen Text. Da sind die Bestimmungen von Rheinland-Pfalz aufgenommen, damit man sich daran orientieren kann. Wir müssen und können gar nicht anders, als den Bestimmungen der Länder zu folgen.

DOMRADIO.DE: Es gibt Bilder von Chören, die im Freien proben, oder eben auch in Kirchen, weil man da besser lüften kann und mehr Platz ist. Was wissen Sie darüber, wie gut die Chöre in dieser jetzigen Ausnahmesituation das alles geregelt bekommen?

Mailänder: Ich mache gerade die Runde der so genannten Dienstgespräche mit den Regionalkantoren des ganzen Erzbistums. Denen liegen zu Grunde sämtliche Berichte der Seelsorgebereichsmusiker. Ich bin erstaunt, in welcher Fülle die Chöre versucht haben und immer noch versuchen, sich zu helfen. Sei es durch Online-Chorvespern, sei es durch Online-Proben, aber nur einstimmig, sei es durch Rundrufe, Gratulationen, Besuche gegenseitig, etc. Man versucht unbedingt, die Gemeinschaft zu halten, aber es ist schwer auf Dauer.

Die Chöre, die angefangen haben zu proben - seit Ende Mai erlauben wir das wieder auch bei uns - haben natürlich das Problem, dass wir ja nicht wissen: Wofür proben wir? Man muss deutlich sagen: Im Augenblick haben wir kein Ziel vor Augen. Aber das Singen kann ja auch ein Wert an sich sein. Und ich finde es, einen legitimen Grund zu sagen: Wir singen für uns, in dem Fall.

DOMRADIO.DE: Die Chöre haben sich sehr kreativ gezeigt. Auch virtuelle Proben zu Hause haben Sie gerade erwähnt. Was glauben Sie denn, wie lange die Chöre zum Beispiel auch mit älteren Mitgliedern diese jetzige Situation aushalten, wenn normaler Betrieb ja lange noch nicht möglich sein sollte?

Mailänder: Die Sorge zieht sich durch die Berichte sämtlicher Kollegen. In den Kirchenchören ist das Durchschnittsalter 54 Jahre. Das heißt, wir haben viele, die 80 Jahre oder älter sind. Wenn die jetzt ein Jahr lang nicht gesungen haben, wissen wir nicht, ob sie sich nachher wieder auf den Weg machen. Es zeichnen sich aber auch ganz neue Formate ab. Viele Chöre haben sich in kleine Gruppen aufgeteilt. Denn es ist möglich, dass man mit vier, sechs, acht Leuten singt. An vielen Orten singt jetzt nicht nur einmal ein Chor am Sonntag, sondern in drei verschiedenen Gottesdiensten ein anderes Ensemble. Wir kriegen da eine ganz neue Praxis, die auch spannend ist und die wir auch weiterverfolgen wollen. Und wir beziehen mehr Instrumentalisten ein. Es bewegt sich eine Menge.

DOMRADIO.DE: Welche Empfehlungen gibt es für das Singen im Gottesdienst im Moment?

Mailänder: Mit Mundsdchutz in NRW, in Rheinland-Pfalz überhaupt nicht singen. Außer die kurzen Akklamationen, ganz kurze Sachen. Aber bei uns nur in NRW mit maximal fünf Minuten Dauer.

DOMRADIO.DE: Was würde eigentlich passieren, wenn eine Gemeinde sich an diese Empfehlungen des Bistums in Sachen Singen in Gottesdienst und Chorproben nicht halten würde?

Mailänder: Das wird besonders dann relevant, wenn auch staatliche Bestimmungen nicht eingehalten werden. Wir müssen unterscheiden zwischen den Empfehlungen, die wir aussprechen, und dem, was staatlich gesetzt ist. Da haben sich die Gemeinden dran zu halten, sonst kann z.B. - wie es in Köln schon passiert ist, ganz am Anfang - der Regierungspräsident oder in dem Fall die Oberbürgermeisterin einschreiten. Das ist schon geschehen.

DOMRADIO.DE: Sie leiten den Figuralchor in Köln. Was fehlt Ihnen persönlich am meisten?

Mailänder: Mich stört die Entfernung. Die Leute stehen 30 Meter von mir entfernt und ich habe nicht den Zugriff. Das heißt erstens: Rhythmisch komplexe Sachen kann man nicht proben. Zweitens ist es sehr schwer zu hören, und drittens ist auch ein sehr suggestiver Zugriff, der man sonst in der Probe hat, relativ schwierig. Es ist wunderbar, Mehrstimmigkeit zu hören. Acht oder zehn Stimmen. Es ist aber schwierig, das in der Probe zu vertieft zu proben. Und das ohne Instrumente.

DOMRADIO.DE: Es ist ja auch so, dass das Singen der Seele gut tut. Im Altenheim wird mit Demenzkranken gesungen. Fehlt das jetzt an verschiedenen Ecken?

Mailänder: Das ist wirklich schlimm. Ein Kollege hat das vor ein paar Tagen so ausgedrückt: Wir haben immer damit geworben, Singen sei gesund und ausgerechnet das stellt sich jetzt als ungesund heraus. Das ist schon auf der Motivationsschiene ein ziemlicher Schlag ins Kontor. Wir versuchen zurzeit auch, uns digital zu helfen. Wir versuchen zu investieren. Ein Projekt heißt "Digital Stage", womit man online Proben machen kann, und zwar mehrstimmig, nicht wie bei den normalen Videokonferenzen. Man kann sich wirklich gegenseitig hören. Und ich hoffe, dass wir da ab September etwas zur Verfügung stellen können, wo zumindest 20 Leute miteinander proben können.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.

Das Schreiben des Erzbistums Köln mit allen aktuellen Empfehlungen für Chöre finden Sie hier.

 

Prof. Richard Mailänder dirigiert den Figuralchor der Künstlerunion Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Prof. Richard Mailänder dirigiert den Figuralchor der Künstlerunion Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
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