Kölner Stadtdechant über eine Kirche auf dem Weg

"Es geht um eine Vision von Kirche"

Pastoraler Zukunftsweg im Erzbistum Köln, Synodaler Weg auf Bundesebene: Bischöfe und Laien sind in diesen Tagen ordentlich unterwegs. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine über Kreuzungen und Weggabelungen.  

Kirche auf dem Weg / © Fotokon (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Beim jüngsten Dreikönigsempfang in Köln, zu dem traditionell das katholische Stadtdekanat Köln und der Katholikenausschuss (KA) einladen, gab es neben der Rede der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker auch aktuelle Positionsbestimmungen von Ihnen und dem Vorsitzenden des KA, Herrn Gregor Stiels. Sie beide gingen dabei auch auf die aktuellen Herausforderungen der katholischen Kirche ein, die derzeit auf dem Synodalen Weg von Deutscher Bischofskonferenz (DBK) und Zentralkomitee der Katholiken (ZDK) aber auch auf dem Pastoralen Zukunftsweg des Erzbistum Kölns behandelt werden. Manche sagen ja, der Weg ist das Ziel. Welches Ziel ist es denn in Ihren Augen?

Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadtdechant): Beim Synodalen Weg, das habe ich auch in meiner Rede offen angesprochen, geht es darum, nach den furchtbaren Missbrauchsfällen und dem daraus folgenden Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche die – auch von der Missbrauchsstudie benannten - Themen miteinander zu diskutieren, damit die Kirche neu, kraftvoll und vor allem glaubwürdig ihrer eigentlichen Berufung folgen kann. Die Kirche ist ja kein Selbstzweck; sie steht nicht für "etwas" sondern für Jesus Christus.

Und auch auf dem Kölner Pastoralen Zukunftsweg geht es um ein gemeinsames und solidarisches Nach-vorne-Schauen der Gläubigen als Getaufte und Gefirmte. Es geht um eine konkrete gemeinsame Perspektive für die Kirche im Erzbistum Köln im Jahr 2030 und darüber hinaus. Es geht um eine Vision von Kirche, Glaubensleben und Gemeinde vor Ort.

DOMRADIO.DE: Die Kirche, so hat das der Vorsitzende des Katholikenausschusses, Gregor Stiels, am Montag formuliert, habe ein massives Imageproblem und sei weit weg von der Sprache und von den Themen der Menschen. Die Strukturen würden von vielen als rückschrittlich und intransparent angesehen, so Stiels. Ist das so?

Kleine: Einige Formulierungen von Herrn Stiels kann ich nicht unterschreiben, die sind mir zu plakativ. Und manches halte ich auch für nicht richtig. Mit Schwarz-Weiß-Zeichnen kommt man doch nicht weiter. Für mich haben die beiden "Wege", die gerade auf Landes- und Bistumsebene gegangen werden, doch genau das Ziel, in einem Miteinander-Diskutieren und auch einem Miteinander-Ringen die Fragen, die die Menschen innerhalb und außerhalb unserer Kirche bewegen, zu beraten und zu Ergebnissen und Entscheidungen zu kommen, durch die das Vertrauen in die Kirche wieder zunimmt, durch die die Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnt und die Frohe Botschaft nicht verdunkelt, sondern glaubhaft und froh verkünden kann.

Dabei muss allen klar sein, dass es keine "deutsche Nationalkirche" gibt; grundsätzliche Entscheidungen müssen in der Gemeinschaft der Weltkirche diskutiert werden. Aber es kann doch ganz hilfreich und zielführend sein, wenn in verschiedenen Regionen zu einzelnen Themen Vorschläge erarbeitet und Voten nach Rom geschickt werden. Und manches kann sicherlich auch für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz oder beim Pastoralen Zukunftsweg konkret für unser Erzbistum angeregt oder beschlossen werden.

DOMRADIO.DE: Beim Synodalen Weg werden in Foren einige "heiße Eisen" angepackt. Ein Thema lautet "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag".  

Kleine: Jesus hat vor seiner Himmelfahrt gesagt: "Macht alle Völker zu meinen Jüngern!" Das ist unverändert der Auftrag der Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Gedanken des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen neu betont. Deshalb sind alle Getauften und Gefirmten berufen, am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken – unter der Leitung des Bischofs von Rom und des jeweiligen Ortsbischofs. In dessen Auftrag handeln die Geistlichen vor Ort.

Aber das sind ja alles keine absolutistischen Herrscher, dem Amtsverständnis nach sollen es Diener des Evangeliums sein. Vielleicht muss das noch einmal deutlicher werden. Der Heilige Augustinus hat einmal gesagt "Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ." Die katholische Kirche kann keine Demokratie – das widerspricht ihrem Auftrag und Selbstverständnis. Aber es gibt Beteiligungsmöglichkeiten, gerade auch in unserem Erzbistum. Auf dem Synodalen Weg sind neben den Mitgliedern der Bischofskonferenz auch paritätisch Frauen und Männer als Mitglieder berufen beziehungsweise gewählt worden.

Und im Rahmen des Pastoralen Zukunftswegs gab es drei große Regionalforen, an denen sich alle beteiligen konnten. Der von Erzbischof Woelki neu aufgestellte Diözesanpastoralrat ist ja auch bewusst ein Gremium, in dem die unterschiedlichsten Gruppen von Gläubigen in unserem Erzbistum miteinander ins Gespräch kommen. Wobei unser Erzbischof dort von Anfang an auch ganz klar gesagt hat, dass das ein Beratungsgremium ist, kein Entscheidungsgremium. Die Leitungsverantwortung liegt immer klar beim Bischof, aber er ist sicherlich gut beraten, wenn er sich gut beraten lässt und zuhört.

DOMRADIO.DE: Vermutlich sehr lebendig wird es sicherlich auch beim Forum "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" zugehen?

Kleine: Viele Menschen außerhalb, aber auch innerhalb der Kirche verstehen nicht, dass bestimmte Aufgaben und Ämter Frauen vorenthalten werden. Die Frage von Weiheämtern kann natürlich nur auf weltkirchlicher Ebene entschieden werden; mit der Frage des Diakonats der Frau beschäftigt sich ja eine von Papst Franziskus eingesetzte Kommission. Wichtig scheint mir, dass einerseits keine falschen Hoffnungen mit dem Synodalen Weg verbunden werden, nach dem Motto: Wenn es ein Mehrheitsvotum für diese oder jene Veränderung oder Neuerung gibt, sind wir einen großen Schritt weiter. Wie gesagt, es ist ein Thema der Weltkirche – und in vielen Regionen der Welt zurzeit kein Thema…

Aber die Sache ist ja auch vielschichtiger: Wo und wie können Frauen ihre Kompetenzen und Charismen in der Kirche einbringen? Manche haben jenseits der Weiheämter den Eindruck, die katholische Kirche sei eine "Männerkirche". Seit Jahren gibt es in der Bischofskonferenz ein Mentoring für Frauen in kirchlichen Führungspositionen. Unter Kardinal Woelki wurden wesentliche Stellen in der Bistumsleitung mit Frauen besetzt. Aber sicherlich ist da noch viel mehr drin. Und zwar nicht als – wie manchmal abschätzig formuliert wird - "Quotenfrauen". Leider mache ich die Erfahrung, dass sich für Leitungspositionen wenig Frauen bewerben. Hier in Köln war das zum Beispiel im Bereich der Rendantur und des Caritasverbandes so. Und bei der Caritas stand am Ende des Auswahlverfahrens eine Frau.

Aber auch in Gremien ist noch viel Spielraum nach oben. Im Kölner Katholikenausschuss beispielsweise gab es bei der letzten Wahl nur männliche Kandidaten für den Vorsitz und die drei Stellvertreter.

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich für die nun laufenden Prozesse?

Kleine: Zum einen, dass wir in unserer Kirche miteinander reden und nicht übereinander. Und das ohne "Brandreden". Zum anderen, dass wir uns alle an den Apostel Paulus halten: "Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!"

 

Stadtdechant Msgr. Robert Kleine, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Gregor Stiels, Vorsitzende des Katholikenausschusses / © Hildegard Mathies (Katholisches Stadtdekanat Köln)
Stadtdechant Msgr. Robert Kleine, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Gregor Stiels, Vorsitzende des Katholikenausschusses / © Hildegard Mathies ( Katholisches Stadtdekanat Köln )
Quelle:
DR
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