Kirche am Tagebau Hambach ist entweiht

Mehr als nur ein Abschied

Das Ende des Dorfes Kerpen-Manheim scheint besiegelt: Jetzt ist auch die Kirche entweiht und kann abgerissen werden. Das ist nicht mehr nötig, stellen Kritiker fest.

Autor/in:
Elke Silberer
Pfarrkirche St. Albanus im Kerpener Ortsteil Manheim / © Marius Becker (dpa)
Pfarrkirche St. Albanus im Kerpener Ortsteil Manheim / © Marius Becker ( dpa )

In der Kirche wabert der Weihrauch. Rechts und links neben dem Altar stehen die festlichen Fahnen der Schützen und der Kolpingsfamilie. Von der Empore erschallt ein Halleluja des Kirchenchors. Aber als es dann bei der Lesung ruhiger wird, schallt der blecherne Ton einer Lautsprecher-Durchsage der Polizei an die Demonstranten von draußen in die Kirche.

Entweihung begann mit minutenlangem Glockengeläut

Mit einer letzten feierlichen Messe haben am Samstag knapp 400 Menschen im Tagebaudorf Kerpen-Manheim im Rheinischen Revier Abschied von ihrer Kirche genommen. Die Entweihung der katholischen Kirche St. Albanus und Leonhardus begann mit einem minutenlangen Glockengeläut. Der Kirchenbau in dem Dorf am Tagebau Hambach neben dem Hambacher Forst ist für den Abriss freigegeben, der aber noch nicht terminiert ist. Die Umsiedlung in dem schon jetzt fast verlassenen Dorf soll 2022 abgeschlossen sein.

Dagegen protestierten vor der Kirche rund 200 Demonstranten, darunter auch die Kölner Schülerdemonstration «Fridays for Future» und augenscheinlich auch Aktivisten aus der Besetzerszene des umkämpften Hambacher Forsts. "Wehrt Euch, leistet Widerstand gegen die Braunkohle hier im Land", sangen sie vor der Festmesse draußen im Chor. Ihr lautstarker Protest auch während der Messe sollte am Ende friedlich bleiben.

"Drinnen wird nur noch Schmerz sein", machte die Manheimerin Maria Mariaux auf dem Weg zur Kirche deutlich, wie schwer vielen der Weg fiel. Mit ihrem Mann wohnt sie am neuen Ort, aber: In der Kirche St. Albanus und Leonhardus haben sie geheiratet und die Kinder taufen lassen.

"Proteste hätten schon vor 30 Jahren anfangen sollen"

In den letzten Wochen habe der Energiekonzern RWE beim Abriss im alten Dorf richtig Tempo gemacht, erzählte Mariaux. Wahrscheinlich auch wegen der Aktivisten, die im Herbst verlassene Häuser besetzt hatten. "Die Proteste gegen die Braunkohle hätten schon vor 30 Jahren anfangen sollen", sagte sie: Dann würde vielleicht auch noch ihr altes Dorf noch ein Dorf sein, machte sie deutlich.

Die Klima-Allianz Deutschland kritisierte: "Obwohl der Hambacher Wald erhalten bleiben soll, zerstört RWE die Dörfer Manheim und Morschenich hinter dem Wald unbeirrt weiter, reißt Häuser und Bäume nieder." Das sei nur damit zu erklären, dass RWE weiter auf die Kohle unter dem Hambacher Wald setze und den Wald abholzen wolle. Die Kohlekommission hatte einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 empfohlen und den Erhalt des Hambacher Forsts als wünschenswert bezeichnet. RWE hatte angekündigt zu prüfen, ob der Erhalt des Waldes möglich sei.

Polizeischutz vor der Kirche

Für die Entweihung der Kirche hatte Pfarrer Ludger Möers extra einen Sicherheitsdienst engagiert und machte am Samstag von seinem Hausrecht Gebrauch: Nur wer eine Eintrittskarte hatte, durfte zum Abschied in die Kirche, "damit keine Schaulustigen kommen." Die Polizei war "zum Schutz der kirchlichen Veranstaltung" mit einem größeren Aufgebot im Einsatz.

Es waren auch die Stunden offener Kritik an der Kirche, den Kirchenbau an den Energiekonzern RWE verkauft zu haben: "Wir verteidigen die Schöpfung und was macht Ihr?", hieß es auf dem Schild eines Demonstranten, auf einem anderen: "Herr, vergib Ihnen nicht, denn sie wissen was sie tun." Pfarrer Möers wollte sich am Samstag nicht dazu äußern: Jedes Thema habe seine Zeit, "heute ist der Tag des Abschieds", sagte er.


Quelle:
dpa
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