Erster Konvent tagte mit großem Erfolg

"Leuchttürme auf den Weg bringen"

Es ging um nicht weniger als die zukünftigen Weichenstellungen für die Pastoral der Kirche in Köln-Mitte. Beim ersten Konvent dieser Art stand die Frage im Zentrum: Was können wir tun, damit Menschen etwas von der Relevanz Gottes erfahren?

Pfarrübergreifend Immer im Gespräch: Konventsteilnehmerinnen aus St. Peter und St. Aposteln. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrübergreifend Immer im Gespräch: Konventsteilnehmerinnen aus St. Peter und St. Aposteln. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Während die Stimmen noch ausgezählt wurden und mit jeder Minute die Spannung stieg, welche vier der insgesamt 16 Themen von nun an im Fokus aller pastoralen Anstrengungen im Sendungsraum Köln-Mitte stehen würden, stimmte Pfarrer Dominik Meiering sicherheitshalber noch einmal im Plenum das "Veni, sancte spiritus" an. Und im selben Moment verwandelte sich das Publikum im Foyer des Erzbischöflichen Berufskollegs an der Berrenrather Straße mit seinen rund 250 Tagungsteilnehmern in einen vielstimmigen Chor mit erstaunlichem Klangvolumen, überraschender Musikalität und viel Sinn für gemeinschaftliches Engagement.

Am Ende demonstrierten die vielen unterschiedlichen Vertreter aus den einzelnen Pfarreien des Sendungsraums Köln-Mitte – Haupt- und Ehrenamtliche – eine wohltuende Einmütigkeit und den Willen, gemeinsam – im selben Geist – an einem Strang zu ziehen. Dabei bringen sie die für einen gemeinschaftlichen Denkprozess nötigen Kompetenzen mit. Vor allem aber teilen sie dieselbe Ernsthaftigkeit und Leidenschaft, an der Gestaltung eines gemeinsamen großen Ziels, nämlich der Verlebendigung ihrer Kirche am Ort, mitwirken zu wollen.

Ziel: Prüfen und gegebenenfalls neuaufstellen

Der Auftakt zu einem längeren, auf Jahre hin angelegten Weg sollte dieser Konvent sein. Dafür hatte ein Vorbereitungsteam unter der Leitung von Meiering als verantwortlichem Koordinator des Sendungsraumes bereits mit viel Vorlauf ein Brainstorming, das schon im Sommer an vielen runden Tischen stattgefunden hatte, in einzelne Projekte gebündelt und dazu sechs konkrete Handlungsfelder formuliert. Mit dem Ziel, die Pastoral in den Innenstadtpfarreien einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, sie auf ihre Wirksamkeit hin zu testen und schließlich – wo Bedarf besteht – neu aufzustellen.

"Die katholische Kirche in Köln-Mitte will mit den Menschen mitgehen und für sie relevant sein", hatte Meiering im Vorfeld dieser Zusammenkunft formuliert und alle zum Dialog eingeladen, die Lust am Mitmachen haben. Denkverbote sollte es nicht geben. Vielmehr wolle er neue Wege des Kirche-Seins und der Glaubensweitergabe mit möglichst vielen ertasten, hatte er dazu betont. Herauskristallisieren sollten sich dann nach eingehender Diskussion Projekte, die sich quer durch die Gemeinden, Missionen, Einrichtungen und Pfarrgruppen als konsensfähig erweisen.

Das werden auf absehbare Zeit nun die Themen "Kommunikation", die Konzentration auf die "Nächste Generation", "Miteinander in Verantwortung sein" und die "Willkommenskultur" sein; Überschriften, hinter denen sich spannende Aufgabenfelder verbergen, mit denen die Lebendigkeit kirchlichen Lebens in der City gewährleistet bleiben oder neu geweckt werden soll. So haben es die Teilnehmer entschieden, die am Ende der Veranstaltung mit drei möglichen Stimmen die für sie wichtigsten Projekte wählen und damit die Marschroute der Innenstadtpastoral bis auf weiteres festlegen konnten.

Zuvor hatte es lebhafte Diskussionen dazu in den Kleingruppen gegeben, bei denen noch einmal die Vielfalt der sehr unterschiedlichen Kirchorte mit ihrem je eigenen Profil und pastoralen Schwerpunkten offensichtlich wurde und auch abweichende Interessen oder Bedürfnisse, die manchmal nur Minderheiten betreffen, aber dennoch wichtig sind, offen ausgesprochen werden konnten. Geleitet wurden die Teilnehmer dabei von Fragestellungen wie "Wo wird Kirche erfahrbar?", "Wo tanke ich geistlich auf?" oder "Wie sind wir up to date?".

Meiering: Gott rückt im Alltag in den Hintergrund

Die momentane Glaubens-, Vertrauens- und Motivationskrise sei eine große Herausforderung, stellte Meiering zunächst fest. Kirche fungiere weitestgehend in der Wahrnehmung vieler nur noch als Zeremonienmeister oder Moralanstalt mit Folklore-Charakter. Die Bedeutung Gottes rücke im Alltag der Menschen immer weiter in den Hintergrund; ein Großteil habe mit der Kirche bereits abgeschlossen. Doch gelte es, vor dieser Wirklichkeit nicht die Augen zu verschließen, sondern offen und mutig dagegen zu halten.

"Wir haben so viel Kostbares in unserer Kirche, das wir lieben; nun können wir Leuchttürme auf den Weg bringen und die nächsten gemeinsamen Schritte überlegen", appellierte der Seelsorger an seine Zuhörer, sich von dieser nüchternen Analyse nicht entmutigen zu lassen. "Denn unser Auftrag ist, gesendet zu sein, um den Menschen die Botschaft Jesu Christi zu bringen." Dazu wolle er motivieren und möglichst viele Mitstreiter gewinnen.

Dass es trotz der spürbar positiven Grundstimmung an diesem Tag vor allem aber auch darum ging, die sogenannten 95 Prozent Kirchenfernstehenden nochmals sehr gezielt in den Blick zu nehmen und tragfähige Strategien für das Gespräch mit Menschen zu entwickeln, die bislang noch nicht oder nicht mehr in Kontakt mit Kirche sind, um sie – wie auch immer – mit ins Boot zu holen, machten die vielen zusammengetragenen Stichworte an den Stellwänden und auch die Wortmeldungen im Plenum deutlich. Sich gemeinsam aufzumachen, um Kirche neu zu denken – diese Einladung hatten viele der Teilnehmer als verlockend empfunden. Bei diesem Forum sei schließlich jedes einzelne Kirchenmitglied gefragt und es entscheide mal nicht der Pfarrer, war als positive Kommentierung der Veranstaltung allenthalben zu hören.

Kritik und Dialog erwünscht

Dass so viele gekommen sind, um mitzuüberlegen, mitzuplanen und sich einzusetzen, damit die Kirche in der Innenstadt lebendig bleibt, imponierte Rainer Tüschenbönner, Leiter des Domforums. Er wertete das große Interesse an diesem Austausch als "Zeichen dafür, dass da noch etwas brennt". Viele hätten darauf gewartet, mit ihrer Meinung gefragt zu sein und auch mal Kritik anbringen zu dürfen, beobachtete Anna Goeke, Kantorin an Herz Jesu, in ihrer Gruppe, in der es um die Wirksamkeit von Kirche und die Fragestellung ging "Was können wir sein für die Menschen?".

Kollege Matthias Bartsch, Kirchenmusiker an St. Agnes, fand es spannend, dass so viele unterschiedliche Leute gekommen sind, sogar ungetaufte, die ein solches Experiment mitgestalten wollen. Pfarrer Peter Seul aus St. Agnes, der das Projekt "Spirituelles Netzwerk" moderierte, freute sich über die sichtbar gewordene Pluralität des innerstädtischen Sendungsraumes durch das breite Spektrum an Teilnehmern. Aus seiner Gruppe spiegelte er den Wunsch nach "barrierefreier Spiritualität", also nach niederschwelligen geistlichen Angeboten, und die Erkenntnis: Ich muss selber brennen, um an andere etwas weitergeben zu können. Und Schwester Andrea Spyra erhoffte sich neue Impulse für ihre religionspädagogische Arbeit mit Kita-Kindern und jungen Familien. "Jeder bringt Ideen mit, da kann etwas ganz Neues entstehen", zeigte sie sich zuversichtlich.

"Der Konvent hat Dynamik"

Elisabeth Grube, Lilly Augenstein und Matthias Strunk gehören zu derselben Leiterrunde in ihrer Gemeinde. Die 18-Jährigen wollen Gleichaltrige dafür begeistern, bei sozialen Projekten mitzumachen, die von Kirche initiiert und unterstützt werden, und sie über das Thema "Gemeinschaft" und Ferienaktivitäten gewinnen.

Die kreative Ausrichtung der Veranstaltung lobten die Pastoralreferentinnen Annette Blazek und Lisa Brentano, die beide noch recht neu im Team der Innenstadtgemeinden sind, aber sehr bewusst an diesem kirchlichen Prozess mitarbeiten. Sie nähmen wahr, dass es bei diesem Konvent um zukunftsorientiertes, konstruktives Denken gehe, erklärten beide, und nicht um das übliche Gejammer, dass früher alles besser gewesen sei. "Wir erleben hier eine Pastoral in ihrer ganzen Breite, vorwärts gewandt und auf Innovation hin ausgerichtet", betonte Brentano. Da es an vielen Orten kein klassisches Gemeindeleben oder die früher übliche Pfarrfamilie mehr gebe, zeige sich ein deutlicher Handlungsbedarf. "Dieser Konvent hat die Dynamik, mutig neue Schritte zu gehen und Kirche auch mal gegen den bisherigen Strich zu denken." Sprich von dem, was du liebst – dieser Imperativ sei für sie zu einem Leitwort in der Begegnung mit anderen geworden. Dann ergebe sich ein Austausch oft ganz von selbst.

Nur ein erster Schritt

Dass es bei der Entwicklung solcher neuen Perspektiven auch der notwendigen Methoden und Techniken, vor allem aber auch der für langfristige Zukunftsplanungen nötigen Zeit bedarf, wurde bei den Wortmeldungen im Plenum deutlich. "Jetzt ist die Diskussion ja gerade erst einmal angelaufen", befand Peter Otten, Mitglied im neuen Pastoralteam für die Kölner City, "aber wir brauchen noch sehr viel mehr Zeit, wenn nichts unter den Tisch fallen soll." Es gebe ein starkes Bedürfnis nach optimierter Kommunikation, Selbstorganisation, Freiräumen und einer stärkeren Vernetzung untereinander, war aus einer anderen Projektgruppe zu hören – und auch die Forderung nach einer "ehrenamtlichen Gemeindeleitung im Team". Überhaupt stand bei vielen die Ehrenamtsqualifizierung und –wertschätzung ganz oben auf der Prioritätenliste oder auch der Erwerb einer neuen Sprachfähigkeit, um sich innerhalb der Gemeinden, aber auch darüber hinaus über Gott und Kirche zu artikulieren.

Wie Kirche angesichts der Vielfalt an Vorstellungen in Zukunft auch sein kann, um dauerhaft nicht allein für eine schrumpfende Kerngemeinde attraktiv zu bleiben, kam am Ende in einem anschaulichen Bild von Dominikanerpater Christoph Wekenborg zum Ausdruck. "Ich stelle mir Kirche als einen bunten Garten vor", skizzierte der Seelsorger von St. Andreas zuversichtlich, "in den jeder sein Blumentöpfchen mit jeweils anderen blühenden Pflanzen setzen kann. Aber ohne Gräben aufzureißen oder noch einmal eigene kleine Zäune dazwischen zu errichten."


Ingrid Rasch wirbt dafür, zukünftig Gemeindeleitung unabhängig von Weihe qualifizierten und - aus Gründen der Wertschätzung - auch bezahlten Laien zu übertragen. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ingrid Rasch wirbt dafür, zukünftig Gemeindeleitung unabhängig von Weihe qualifizierten und - aus Gründen der Wertschätzung - auch bezahlten Laien zu übertragen. / © Beatrice Tomasetti ( DR )
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