Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2018 in Nordrhein-Westfalen deutlich gestiegen. Bei den Amtsgerichten erklärten im vergangenen Jahr insgesamt 88 510 Menschen den Kirchenaustritt, teilte das Justizministerium am Montagabend auf Anfrage in Düsseldorf mit. Das sind rund 22 Prozent mehr als 2017. Damals hatten 72 588 Menschen der katholischen oder der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt. Auch das bedeutete schon einen Anstieg gegenüber dem Jahr zuvor. 2016 gab es landesweit 70 717 Austritte. Dem Justizministerium liegen keine Daten zu der Verteilung nach Konfessionen und zu den Kircheneintritten vor. Auch zu den Motiven für die Kirchenaustritte kann das Ministerium keine Angaben machen. Die "Bild"-Zeitung und die "WAZ" berichteten online über den starken Anstieg der Kirchenaustritte. In NRW leben laut den Medienberichten etwa 12,4 Millionen Kirchenmitglieder. Unter ihnen sind demnach rund 7,4 Millionen Katholiken und knapp 5 Millionen Protestanten. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki sagte der "Bild-Zeitung" angesichts der Zahlen: "2018 war ein sehr dunkles Jahr, in dem das Vertrauen in die Kirche schwer erschüttert wurde. Wir wollen das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen." Dazu gehöre, Fehler der Vergangenheit weiterhin schonungslos und konsequent aufzuarbeiten, um Misstrauen und Enttäuschung auszuräumen. "Nur so wird man uns unsere Kernaufgabe, die Verkündigung der frohen Botschaft Jesu Christi, wieder glaubhaft abnehmen", unterstrich der Kölner Kardinal. Eine im September 2018 vorgestellte Studie hatte unter anderem ergeben, dass in der katholischen Kirche in Deutschland zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen. Das Erzbistum Köln hatte damals mitgeteilt, den Forschern 87 Personen gemeldet zu haben, die seit 1946 der sexualisierten Gewalt in insgesamt 119 Fällen beschuldigt worden seien. Woelki hatte die Ergebnisse der Studie als "beschämend" für die Kirche bezeichnet. Das Erzbistum Köln hat im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche im Dezember Akten an die Staatsanwaltschaften in Köln, Bonn und Düsseldorf übergeben. (dpa, 29.01.2018)
28.03.2019
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat sich in einem Gastbeitrag für die katholische Zeitung "Tagespost" selbstkritisch mit der Lage der Kirche in Deutschland auseinandergesetzt.
Nicht allein durch den Missbrauchsskandal sei viel Vertrauen verloren gegangen, auch die Verkünder des Glaubens hätten offensichtlich Fehler gemacht und dazu beigetragen, dass heute immer weniger Menschen die Bedeutung der Kirche auch für ihr eigenes Leben verstünden, schreibt Woelki. Die notwendige Erneuerung der Kirche, so Woelki, könne allerdings nur aus dem Geist des Evangeliums kommen; eine Anpassung an die "Lebenswirklichkeit" sei dagegen der falsche Weg.
Wichtig, so Woelki, sei die "Deutung der Realität im Lichte des Evangeliums". Dazu gehöre es auch, die "Geister voneinander zu scheiden". Für eine Erneuerung der Kirche sei es angeraten, sich gerade nicht von einem vermeintlichen – nicht zuletzt medial beförderten – Zwang zum Handeln unter Druck setzen zu lassen. Eine mögliche Lockerung des priesterlichen Zölibats oder die Priesterweihe für Frauen bewertet Woelki kritisch.
"Es gibt sie, die eine große Liebe!"
Zur Debatte um die katholische Sexualmoral schreibt der Kölner Erzbischof, es sei Aufgabe der Kirche, diese Moral als Verheißung verständlich zu machen: "Sexualität ist Teil des göttlichen Heilsplans und sie ist, gewissenhaft und verantwortungsvoll gelebt, eine Quelle der Freude und des erneuten Lebens". Hier liege laut Woelki ein ganz zentrales Versprechen der katholischen (Moral-)Lehre: "Es gibt sie, die eine große Liebe!" Und diese Liebe sei auch konkret erfahrbar, als unverbrüchliche Zusage Gottes an den Menschen, aber auch in der Ehe und in der Lebensform von Priestern und Ordensleuten.
Entweltlichung
Es sei insgesamt dringend an der Zeit, wieder die Person Jesu Christi in den Blick zu nehmen: " Wir reden zu viel von der Kirche und zu wenig von Christus". Das Christentum sei von Beginn an geprägt von der konkreten "Begegnung mit einer lebendigen Person, ein Glaube aus Fleisch und Blut". Dieser Glaube sein von jeher auf ein "Anderssein [..] auf eine andere, jenseitige Welt" verwiesen gewesen. In dem Sinne sei auch das Wort der "Entweltlichung" von Papst Benedikt XVI. zu verstehen.
Kein Rückzug in die "Wagenburg"
Die Frage über den richtigen Weg für die Kirche werde dort mit der notwendigen Demut beantwortet, wo Menschen anerkennen, dass nicht sie selbst der Urheber der Kirche wie auch des Glaubens seien, sondern lediglich die Verwalter von etwas Anvertrautem. Glaube sei ein unverdientes Geschenk. Für den Weg in die Zukunft sei es deshalb wichtig, sich nicht in einer Wagenburg zu verschanzen, sondern Wachstum und Aufbruch anzustreben, indem "wir alle unserer Sendung treu sind". Für eine wirkliche Erneuerung müsse sich die Kirche leiten lassen "nicht vom Blick auf sich selbst, sondern allein von dem Blick auf den Erlöser, vom Blick auf Jesus Christus".
Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2018 in Nordrhein-Westfalen deutlich gestiegen. Bei den Amtsgerichten erklärten im vergangenen Jahr insgesamt 88 510 Menschen den Kirchenaustritt, teilte das Justizministerium am Montagabend auf Anfrage in Düsseldorf mit. Das sind rund 22 Prozent mehr als 2017. Damals hatten 72 588 Menschen der katholischen oder der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt. Auch das bedeutete schon einen Anstieg gegenüber dem Jahr zuvor. 2016 gab es landesweit 70 717 Austritte. Dem Justizministerium liegen keine Daten zu der Verteilung nach Konfessionen und zu den Kircheneintritten vor. Auch zu den Motiven für die Kirchenaustritte kann das Ministerium keine Angaben machen. Die "Bild"-Zeitung und die "WAZ" berichteten online über den starken Anstieg der Kirchenaustritte. In NRW leben laut den Medienberichten etwa 12,4 Millionen Kirchenmitglieder. Unter ihnen sind demnach rund 7,4 Millionen Katholiken und knapp 5 Millionen Protestanten. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki sagte der "Bild-Zeitung" angesichts der Zahlen: "2018 war ein sehr dunkles Jahr, in dem das Vertrauen in die Kirche schwer erschüttert wurde. Wir wollen das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen." Dazu gehöre, Fehler der Vergangenheit weiterhin schonungslos und konsequent aufzuarbeiten, um Misstrauen und Enttäuschung auszuräumen. "Nur so wird man uns unsere Kernaufgabe, die Verkündigung der frohen Botschaft Jesu Christi, wieder glaubhaft abnehmen", unterstrich der Kölner Kardinal. Eine im September 2018 vorgestellte Studie hatte unter anderem ergeben, dass in der katholischen Kirche in Deutschland zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen. Das Erzbistum Köln hatte damals mitgeteilt, den Forschern 87 Personen gemeldet zu haben, die seit 1946 der sexualisierten Gewalt in insgesamt 119 Fällen beschuldigt worden seien. Woelki hatte die Ergebnisse der Studie als "beschämend" für die Kirche bezeichnet. Das Erzbistum Köln hat im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche im Dezember Akten an die Staatsanwaltschaften in Köln, Bonn und Düsseldorf übergeben. (dpa, 29.01.2018)