Vor zehn Jahren stürzte das Kölner Stadtarchiv ein

Jahrzehntelanger Schadensfall

Vor zehn Jahren stützte das Kölner Stadtarchiv ein - zwei Menschen kamen ums Leben. Heute sind Teile der Archivalien schon wieder nutzbar. Die Restaurierung aller rund 1,6 Millionen Objekte wird aber noch Jahrzehnte dauern.

Autor/in:
Andreas Otto
Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 / © Oliver Berg (dpa)
Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 / © Oliver Berg ( dpa )

Zwei Menschen sind gestorben. Und der materielle Schaden hat Milliardenhöhe erreicht. Vor zehn Jahren - am 3. März 2009 - stürzte durch Fehler beim U-Bahn-Bau das Historische Archiv der Stadt Köln ein. Inmitten von Trümmern, Staub und Grundwasser versanken rund 27 Regalkilometer Archivmaterial aus rund 1.000 Jahren Stadt-, Regional- und Kirchengeschichte. Die Bewältigung wird Jahrzehnte dauern.

Unglücksursache war laut Gutachter ein Baufehler: Ein nicht entfernter Gesteinsblock führte zu einer Undichtigkeit in einer unterirdischen Schlitzwand, die Grundwasser abhalten sollte. Durch dieses Loch drängten Erde, Kies und Wasser, wodurch das sechsstöckige Archivgebäude unterhöhlt wurde und in sich zusammensackte. Auch zwei Nachbarhäuser stürzten ein und rissen zwei junge Männer in den Tod.

Gigantischer Restaurierungsbedarf

Rund 95 Prozent der Archivbestände konnten geborgen und erstversorgt werden. Die geschätzte Gesamtmenge von 1,6 Millionen "Bergungseinheiten" kam zunächst in 20 Asylarchiven in ganz Deutschland unter. Etwa jedes zehnte Dokument war Grundwasser ausgesetzt. Um Schimmelbildung zu verhindern, wurden die nassen Archivstücke sofort schockgefroren.

Der Restaurierungsbedarf ist gigantisch. Nach Hochrechnungen müsste eine einzelne Fachkraft rund 6.300 Jahre arbeiten, um das Archiv wieder funktionsfähig zu machen. Es soll natürlich schneller gehen.

Angedacht sind rund drei Jahrzehnte. Zurzeit bemühen sich rund 95 eigene Restauratoren und Hilfskräfte sowie externe Einrichtungen um die Wiederherstellung des Materials, Urkunden und Akten der städtischen Verwaltung sowie Nachlässe, Sammlungen und Originale bedeutender Persönlichkeiten - unter anderen von Albertus Magnus, Jacques Offenbach, Giuseppe Verdi, Karl Marx, Konrad Adenauer und Heinrich Böll.

Zum Archivgut gehören etwa 62.000 Urkunden, rund 329.000 Karten, Pläne und Plakate, annähernd 500.000 Fotos sowie zirka 2.500 Tonträger und Videos.

Inzwischen befinden sich die meisten Dokumente im ehemaligen Landesarchiv NRW in Düsseldorf. Die Aufarbeitung der Bestände erfolgt im 2011 eingerichteten Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ) in Köln-Porz. Zweiter zentraler Restaurierungsort ist das Sächsische Staatsarchiv auf Schloss Hubertusburg in Wermsdorf.

Restaurierungsaufträge erledigen auch andere private und öffentliche Dienstleister, etwa Hochschulen.

Von jedem einzelnen Blatt muss der allgegenwärtige Betonstaub entfernt werden. In den leichten Fällen - bei 15 Prozent der Archivalien - reicht eine Reinigung. Alle anderen Dokumente erfordern aufwendige Arbeiten wie Glättung, Schließung von Rissen, Ergänzung von Fehlstellen, Fixierung von Siegeln, Entfernung von mikrobiellem Befall und die Herstellung neuer Einbände.

Mittlerweile wurden rund 15 Prozent der Archivalien trockengereinigt und rund die Hälfte davon komplett restauriert. Unter den 9.051 vollständig restaurierten Archivstücken befinden sich 1.048 Handschriften. Vieles steht auch schon in digitaler Form zur Verfügung.

Komplexe juristische Aufarbeitung

Neben der Wiederherstellung stellt sich auch die juristische Aufarbeitung komplex dar. Für die umfangreichen Ermittlungen wurde eigens ein Besichtigungsbauwerk errichtet. Insgesamt acht Personen kamen auf die Anklagebank. Drei von ihnen wurden freigesprochen, ein Beschuldigter verstarb.

Gegen zwei weitere Personen ließ das Gericht die Anklage aus gesundheitlichen Gründen fallen beziehungsweise trennte das Verfahren ab. Vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist erhielten ein Bauüberwacher der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und ein Polier in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung Bewährungsstrafen von acht und zwölf Monaten.

Nicht weniger einfach wird es für die Stadt Köln, Ansprüche auf Schadenersatz durchzusetzen. Dazu sind zwei Beweisverfahren anhängig.

Der Gesamtschaden wird mittlerweile mit rund 1,3 Milliarden Euro angegeben.

Derzeit entsteht am Eifelwall ein Neubau mit einer Nutzfläche von 14.493 Quadratmetern. Er soll auch das Rheinische Bildarchiv aufnehmen. Geplant sind rund 50 Regalkilometer sowie 460 Planschränke. Das 80-Millionen-Euro-Bauwerk soll im nächsten Jahr eröffnet werden.


Quelle:
KNA