Die "Feier der Jugend" im Kölner Dom

Hoffnung in der Nacht

Während sich in der Stadt das Nachtleben abspielte, haben viele Jugendlich die Samstagnacht im Kölner Dom verbracht. Dort wurde die "Feier der Jugend" begangen. Reporterin Hannah Küppers war mit dabei.

Autor/in:
Hannah Küppers
Die "Feier der Jugend" im Kölner Dom / © Hannah Küppers (DR)
Die "Feier der Jugend" im Kölner Dom / © Hannah Küppers ( DR )

22 Uhr – Die letzten Wallfahrtspilger haben den Dom verlassen, auf dem Roncalliplatz kann noch die große Bewegtbild-Illumination bewundert werden. Langsam kehrt die nächtliche Ruhe in den Kölner Dom ein, der in den Tagen der diesjährigen Domwallfahrt zum Leuchtturm des Friedens geworden ist. 

Oder doch noch nicht? Zahlreiche Jugendliche und Junggebliebene strömen in den Dom, am Hauptportal nehmen sie eine Vigil-Kerze und ein Liederheft in Empfang. Zum Einzug erklingen im Hohen Dom die Trompeten, die mit der Bitte "Dona nobis pacem" die diesjährige Nacht der Jugend eröffnen. An der großen Pilgerkerze werden die Kerzen entzündet und im noch dunklen Dom breitet sich ein Lichtermeer aus. "Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf",  heißt es zeitgleich in der Lesung aus dem Buch Jesaja.

Diese Nacht steht im Zeichen von Finsternis und Licht, von Krieg und Frieden zugleich. Sie soll an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren erinnern. 

200 Kreuze

"Es gibt in dieser Nacht einiges im Dom zu entdecken." So viel will der Diözesan-Jugendseelsorger Tobias Schwaderlapp "anteasern, ohne zu spoilern". An verschiedenen Stellen des Domes bieten Stationen die Möglichkeit sich dem Wallfahrtsmotto "Dona nobis pacem" auf kreative Weise anzunähern. Biografiezimmer, Friedensgrüße, eine Lesung und Sound-Collagen – dahinter verstecken sich lauter Aktionen, die  Kriegserfahrungen greifbar machen und gleichzeitig zum "Friedenbringen" anstiften sollen.

Das Seitenschiff des Domes erinnert an ein kleines Künstleratelier. Einige Jugendliche vertiefen sich in die Gestaltung ihres ganz eigenen Europakreuzes. Im Laufe der Nacht gesellen sich neue, bunt verzierte Kreuze zu den 200 Europakreuzen, die von Schülerinnen und Schülern des Hermann-Josef-Kollegs in Steinfeld gestaltet wurden. Die Kreuze waren schon an unterschiedlichsten Orten und Kriegsschauplätzen des 1. Weltkrieges. In dieser Samstagnacht stehen sie im Kölner Dom, im Gedenken an unzählige Kriegsopfer.

"Aber können 200 Kreuze angemessen darstellen, wie viele Menschenleben im letzten Jahrhundert unter Krieg und Gewalt gelitten haben?", fragt der Diözesan-Jugendseelsorger in seiner Predigt. Die Zahl der Todesopfer, die die Kriege des ganzen letzten Jahrhunderts gefordert haben,  schätze man auf 100 bis 170 Millionen Menschen. "Aber das sind doch anonyme, gesichtslose Zahlen.", so Schwaderlapp. Schon eine einzige persönliche Geschichte könne die Kostbarkeit eines Menschenlebens viel besser greifbar machen.

Deshalb bietet das "Biografiezimmer" in dieser Nacht die Möglichkeit, von Menschen zu lesen, die den Krieg am eigenen Leib erfahren haben.

Wer nicht selber lesen möchte, kann zuhören. Eine kleine Leseecke lädt ein, sich um einen gemütlichen Ledersessel zu versammeln und Tobias Schwaderlapp, jetzt in seiner Funktion als Vorleser, zu lauschen. Er liest aus dem Anti-Kriegs-Roman "Im Westen nichts Neues".

23:55 Uhr – es ist fünf vor 12

"Heute, hier bei uns und an jedem Tag neu ist der Friede in Gefahr", erinnert Pfarrer René Fanta, Präses des BDKJ Diözesanverbandes Köln. Die Mitarbeiter des BDKJ rufen zu einer gemeinsamen Aktion für den Frieden auf. Mithilfe dünner Holzstäbe, Kraft in den Armen und einer Portion Vertrauen bauen die Jugendlichen eine lebendige Brücke.

Der neue Tag ist angebrochen und die Friedensarbeit wird wieder aufgenommen.

An einigen Stellen des Doms leuchten grün-blaue Kopfhörer. Sound- Collagen aus Musik und Wort zum Thema Frieden laden ein, einen musikalischen Spaziergang durch den Dom zu machen.

Ohne Kopfhörer auf den Ohren lässt sich das leise Klappern der Tasten einer Schreibmaschine vernehmen. An der "Friedensgrüße- Station" können auf ganz altmodische Art Botschaften aufgeschrieben werden, um sie anschließend vielleicht –ganz altmodisch- mit der Post an eine Person zu verschicken, die sich über Worte des Friedens freuen würde.

2 Uhr – Umnachtung und Hoffnung

Die Mehrheit ist zu dieser nächtlichen Stunde immer noch da. Die ca. 50 Jugendlichen versammeln sich um den Dreikönigsschrein und rücken näher zusammen, die Kälte ist langsam spürbar. Noch ist draußen finsterste Nacht. "So wie es auch manchmal in unserem Leben ziemlich dunkel sein kann", stellt Franziskus von Boeselager, Kaplan der Gemeinschaft Emmanuel, den Vergleich her. "Aber Gott schenkt immer einen Morgen. Sogar im Krieg und sogar in den Konzentrationslagern des Zweiten Weltkriegs hat er das getan."

Durch diesen Impuls angeregt, kehren die Jugendlichen an ihre Stationen zurück. Viele Kreuze sind noch unvollständig, sie müssen weiter bemalt und verziert werden. Der ein oder andere sucht das Gespräch mit einem der Kölner Jugendseelsorger, die in dieser Nacht für die Beichte zur Verfügung stehen.

Für diejenigen, denen langsam die Kraft ausgeht, wartet eine Stärkung im Dompfarrsaal. Bei warmem Tee und einem Stück Pizza entstehen Gespräche. Manche kennen sich noch vom letzten Jahr. "Ich wollte unbedingt dieses Jahr wieder dabei sein", erzählt René, für die schon die erste Nacht der Jugend ein ganz besonderes Erlebnis war, um den Dom mal auf ganz andere Art und Weise kennenzulernen.

4 Uhr – Verheißung

Kaum zu glauben, dass nun schon sechs Stunden vergangen sind seit die Nachtfeier im Dom begonnen hat. Mitarbeiter der Kölner Jugendseelsorge gestalten den letzten Impuls dieser Nacht. " Schalom chaverim- der Friede sei mit Euch" – die Jugendlichen verkünden singend den Frieden und erwarten den Morgen.

5 Uhr – Heilige Messe im Morgengrauen.

"Ihr habt es fast geschafft!", begrüßt der Jugendseelsorger Tobias Schwaderlapp die vielen jungen Menschen, die die Bänke der Marienkapelle füllen. Er bedankt sich bei den Jugendlichen, die seit vielen Stunden im Kölner Dom wachen und beten. Es sei nicht selbstverständlich, eine ganze Samstagnacht im Kölner Dom zu verbringen, während sich draußen das Kölner Nachtleben abspiele. Es freut ihn sichtlich, dass so viele geblieben sind. "Aber wichtig ist das vor allem für Euch untereinander. Seht euch mal um, rechts und links, da sind andere junge Menschen, die mit Euch gemeinsam für den Frieden unterwegs sind."

Zum Abschluss pilgern die Jugendlichen, wie es zu einer richtigen Domwallfahrt gehört, unter dem Dreikönigsschrein her, aus dem Nordportal hinaus und hinüber zum alten Dompfarrsaal. Draußen ist es kalt und noch lange nicht hell, aber im Pfarrsaal wartet Wärme, Licht und ein gutes Frühstück. Etwas verfroren und müde aber doch ganz erfüllt, findet Lukas, der den Dom bisher nur bei Licht kannte, dass es so etwas unbedingt öfter geben müsse. Eine ganze Nacht im Dom zu verbringen- wen das begeistert hat, der kann sich schon als Mithelfer für die Nacht der Jugend bei der Domwallfahrt 2019 melden.


"Feier der Jugend": Gemeinsam beten / © Hannah Küppers (DR)
"Feier der Jugend": Gemeinsam beten / © Hannah Küppers ( DR )

Singen für den Frieden / © Hannah Küppers (DR)
Singen für den Frieden / © Hannah Küppers ( DR )

"Feier der Jugend" mit bunten Kreuzen / © Hannah Küppers (DR)
"Feier der Jugend" mit bunten Kreuzen / © Hannah Küppers ( DR )
Quelle:
DR