Rheinische Wörter und ihre Herkunft

Die "schmuddelige Schwester des Hochdeutschen"

Abplacken, Pips, Nonnenvott – die Umgangssprache im Rheinland kennt viele Eigenheiten. Ein Experte erklärt in einem Wörterbuch die Herkunft. Und sogar Weihbischof Schwaderlapp kann seinen Namen nicht leugnen.

Autor/in:
Andreas Otto
Ein Köbes trägt Kölsch-Bier aus / © Oliver Berg (dpa)
Ein Köbes trägt Kölsch-Bier aus / © Oliver Berg ( dpa )

Der Lorenz knallt – aber geräuschlos. Dennoch weiß der Rheinländer um seine heftige Wirkung - gerade in diesem Sommer. Wenn jemand am Niederrhein, im Bergischen oder im Ruhrgebiet sagt "Der Lorenz knallt ganz schön", dann meint er in seiner Sprache: Die Sonne scheint unerträglich heiß.

Im Buch "Wo kommt dat her?", erklärt der Sprachwissenschaftler Peter Honnen, Mitarbeiter des Instituts für Landesgeschichte und Regionalkunde in Bonn, die Alltagssprache im Rheinland, das nach seinen Angaben eine der buntesten Sprachlandschaften Deutschlands ist. Entsprechend findet sich in dem "Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr" auch eine Erklärung über den knallenden Lorenz: Viel spricht für eine Verbindung der Redensart zum heiligen Laurentius, der in Kurzform Lorenz heißt und dessen Festtag auf den 10. August fällt - also auf die Mitte des Sommers mit oft großer Trockenheit und sengender Sonne.

"Schmuddelige Schwester des Hochdeutschen"

Honnen befasst sich mit etwa 3.000 Wörtern aus der Umgangssprache, über die sich mangels schriftlicher Überlieferung nichts Näheres im Etymologie-Duden findet. Für den Experten völlig zu Unrecht wird die Alltagssprache häufig als "schmuddelige Schwester des Hochdeutschen" betrachtet. Die Dialekte seien keineswegs primitive Varianten der Hochsprache, sondern gehen ihr voraus oder verstärken sie sogar.

Zum Beispiel das Wort "abplacken". Placken ist verwandt mit plagen und eine intensivere Ausdrucksform für all jene, die sich mit viel Mühe abrackern. Wegen zu viel Stress kann es dazu kommen, dass Menschen "abkratzen", also sterben, müssen. Diese Wendung knüpft an die Hofsitte des Kratzfußes bei Abschiedsverbeugungen an, aus dem mundartlich "abkratzen" für immer aus dem Staub machen wurde. Auch "abnippeln" bedeutet sterben. Hier vermuten die Experten eine Ableitung aus dem jiddischen Wort "niwel", das so viel wie "verwelkt" bedeutet.

Jüdische Lehnwörter

Laut Honnen finden sich zahlreiche jüdische Lehnwörter im Rheinischen. Sie seien zu einem nicht geringen Teil im Kontakt der rheinischen Landbevölkerung mit jüdischen Viehhändlern, Metzgern oder Hausierern entstanden. In diese Kategorie fallen Begriffe wie "Pips" für Schnupfen, "Plunder" für überflüssiges Zeug, "Großkotz" für Angeber, "Kahn" für Gefängnis und "stickum" für leise. "Malle" hat nichts mit der spanischen Urlaubsinsel zu tun, meint aber verrückt – und könnte treffend manchen Auswuchs dort charakterisieren.

Darüber hinaus hat das Rheinische Wörter aus dem Französischen und dem Rotwelschen, der Gaunersprache, übernommen. Eng verwandt ist es auch mit dem Niederdeutschen und Niederländischen – wie beim Jiddischen ebenfalls aufgrund früherer Handelskontakte. Dafür steht "bankerot" für das leere Konto oder "profitlich", also nützlich. Das Adjektiv hat sich sogar als Familienname etabliert – nicht unvorteilhaft für den Träger.

Über Glauben "schwadern"

Eine weniger schmeichelhafte Bedeutung verbindet sich mit dem ebenfalls zum Familiennamen avancierten "Schwaderlapp", was so viel wie "Schwätzer" meint. Der gleichnamige Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp wird keinesfalls leugnen, viel zu reden – vor allem über den Glauben. Aber energisch abstreiten würde er schon, unsinniges Zeug zu "schwaade".

Apropos Glaube: Viele rheinische Wortschöpfungen lassen biblische oder andere religiöse Anklänge erkennen. "Na, hasse auch schon den Abraham gesehen?" darf sich ein Zeitgenosse fragen lassen, der schon den 50. Geburtstag gefeiert hat. Wer dem Stammvater Abraham aber noch nicht ins Auge geschaut hat, muss sich umgekehrt gefallen lassen, als noch grün hinter den Ohren und damit als unerfahren zu gelten.

Überregional

Ein Geheimnis bleibt das "Nonnenfürzchen". Es bezeichnet einen in Schmalz gebratenen Krapfen. Die Bezeichnung ist nicht nur im Rheinland bekannt. Außer im Französischen ("pets de nonne") und im Süddeutschen (Nonnenblätzlein) kennt man es auch in den Niederlanden, hier auch in der noch derberen Variante "Nonnenvott" (Nonnenhintern).

Eine eindeutige Erklärung für die schon im Mitteldeutschen belegte Wortkreation gibt es nicht. Nur so viel ist laut Honnen sicher: Das Gebäck wurde von Nonnen gebacken und verkauft.


Quelle:
KNA